Rz. 1

ESRS S3 adressiert Angabepflichten zu betroffenen Gemeinschaften. Bei diesen handelt es sich um eine Teilmenge der Stakeholder eines Unternehmens, die betroffenen Interessenträger gem. ESRS 1 (§ 3 Rz 51). Die Definition, was unter betroffenen Gemeinschaften zu verstehen ist, enthält das Glossar zur Delegierten Verordnung C(2023) 5303:

"Personen oder Gruppen, die in demselben Gebiet leben oder arbeiten, das von den Tätigkeiten eines Bericht erstattenden Unternehmens oder seiner vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette betroffen ist oder sein könnte. Betroffene Gemeinschaften können von Gemeinschaften, die unmittelbar neben der Betriebsstätte des Unternehmens leben (lokale Gemeinschaften), bis zu in weiterer Entfernung lebenden Gemeinschaften reichen."[1]

Diese Definition weißt somit eine inhaltliche Nähe zum deutschen Begriff der "Anrainer" auf – "betroffene Gemeinschaften" ist aber offensichtlich geografisch viel weiter gefasst als der Begriff "Anrainer" üblicherweise verstanden wird. "Betroffen" ist dabei i. S. v. "von den Auswirkungen des Unternehmens betroffen" zu verstehen.

Diese Definition ist an die korrespondierende Definition aus dem GRI Standards Glossary 2021 angelehnt (ESRS S3.BC App.).

 

Rz. 2

Verglichen mit den Inhalten der weiteren Standards der S-Säule liegt ESRS S3 somit das am weitesten gefasste Stakeholder-Verständnis zugrunde. Im Hinblick auf mögliche Überschneidungen zu ESRS S1, ESRS S2 und ESRS S4 ist davon auszugehen, dass in den Anwendungsbereich von ESRS S3 all jene betroffenen Stakeholder eines Unternehmens fallen, die von keinem der enger abgegrenzten drei weiteren Standards erfasst werden. Aber auch Menschen, über die bereits als Mitarbeiter oder Kunden gem. den einschlägigen ESRS berichtet wird, können (zusätzlich) von ESRS S3 abgedeckt sein, sofern sie bspw. als Anrainer von den Wirtschaftsaktivitäten eines Unternehmens betroffen sind.

 

Rz. 3

Ein berichtspflichtiges Unternehmen hat in seinem Nachhaltigkeitsbericht darzustellen,

  • welche wesentlichen Auswirkungen es auf diese betroffenen Gemeinschaften in Gebieten, in denen solche Auswirkungen am wahrscheinlichsten und am schwerwiegendsten sind, entfaltet;
  • welche Maßnahmen es setzt, um tatsächliche oder potenzielle negative Auswirkungen zu verhindern, abzuschwächen oder zu beseitigen – und welche Ergebnisse mit diesen Maßnahmen erzielt wurden;
  • welchen wesentlichen Risiken und Chancen das berichtspflichtige Unternehmen selbst aufgrund seiner Auswirkungen auf und Abhängigkeiten von betroffenen Gemeinschaften ausgesetzt ist – und wie es diese Risiken und Chancen steuert;
  • welche finanziellen Auswirkungen aus diesen wesentlichen Risiken und Chancen für das berichtspflichtige Unternehmen in kurz-, mittel- und langfristiger Perspektive resultieren (ESRS S3.1).
 

Rz. 4

Nicht zu jeder dieser Zielsetzungen enthält ESRS S3 allerdings gegenwärtig Angabepflichten. So ist eine Angabe zu finanziellen Effekten aus der Beziehung zu betroffenen Gemeinschaften nicht vorgesehen. Darüber hinaus enthält der Standard noch keine konkreten Angabepflichten zum sekundären Berichterstattungsbereich der Parameter. Weitere Angabepflichten hierzu sowie zu weiteren Aspekten i. V. m. betroffenen Gemeinschaften sollen im Zusammenhang mit zukünftigen Sets an ESRS, ggf. auch i. R. v. sektorspezifischen Standards, erarbeitet werden (ESRS S3.BC6).

 

Rz. 5

Eine hervorgehobene Bedeutung räumt ESRS S3 den Auswirkungen, Risiken und Chancen im Hinblick auf indigene Völker ein: "Betroffene Gemeinschaften umfassen tatsächlich und potenziell betroffene indigene Völker."[2] Zahlreiche Angabepflichten im Standard sehen zu diesen eine Angabe gesonderter Datenpunkte vor, sofern diese Datenpunkte wesentlich sind. Die Definitionen im Glossar unterscheiden zwei Gruppen von indigenen Völkern:[3]

  • "in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern, die sich infolge ihrer sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Verhältnisse von anderen Teilen der nationalen Gemeinschaft unterscheiden und deren Stellung ganz oder teilweise durch die ihnen eigenen Bräuche oder Überlieferungen oder durch Sonderrecht geregelt ist";
  • "Völker in unabhängigen Ländern, die als Eingeborene gelten, weil sie von Bevölkerungsgruppen abstammen, die in dem Land oder in einem geografischen Gebiet, zu dem das Land gehört, zur Zeit der Eroberung oder Kolonisierung oder der Festlegung der gegenwärtigen Staatsgrenzen ansässig waren und die, unbeschadet ihrer Rechtsstellung, einige oder alle ihrer traditionellen sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Einrichtungen beibehalten".

Diese Definition ist Art. 1 des Übereinkommens über indigene und in Stämmen lebende Völker der ILO[4] entnommen (ESRS S3.BC App.). Im Hinblick auf den Ermessensspielraum, der den Kategorisierungen zugrunde liegt, ergänzt Art. 1 Abs. 2 des genannten Übereinkommens einen wichtigen Grundsatz für die Identifikation solcher Völker: Das Gefühl der Eingeborenen- oder Stammeszugehörigkeit ist als ein grundlegendes Kriterium für die Bestimmung der...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Sustainability Office. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge