Rz. 49

Interessenträger bzw. Stakeholder können als weiteres zentrales Element innerhalb der Nachhaltigkeitsberichterstattung sowie bei der Due Diligence betrachtet werden. Insbes. bei der Wesentlichkeitsanalyse ermöglicht erst die Einbindung der Stakeholder, wesentliche Auswirkungen zu identifizieren und zu priorisieren (ESRS 1.24).

 

Rz. 50

Erstmals wird mit den ESRS eine klare Definition des Begriffs "Interessenträger" gegeben: "Interessenträger sind Personen oder Gruppen, die das Unternehmen beeinflussen oder von ihm beeinflusst werden können" (ESRS 1.22). Dies entspricht – ganz i. S. d. "doppelten Wesentlichkeit" (Rz 57 ff.) – einer zweiseitigen Beziehung zwischen diesen Interessenträgern und dem berichtspflichtigen Unternehmen; nicht nur solche Gruppen, die für das Unternehmen von (ökonomischer) Bedeutung sind, müssen berücksichtigt werden – sondern auch solche, die selbst ohne solche Bedeutung legitimes Interesse an den Handlungen dieses Unternehmens haben. Von den in der Literatur etablierten Stakeholder-Konzeptionen greifen die ESRS somit (systemkonform) auf eine weit gefasste Definition zurück.[1]

 

Rz. 51

Innerhalb der ESRS wird zwischen zwei Kategorien von Stakeholdern unterschieden (ESRS 1.22):

  • einerseits die "betroffenen Interessenträger", bestehend aus Einzelpersonen oder Gruppen, welche direkt durch die Wirtschaftsaktivitäten eines Unternehmens bzw. durch die Geschäftsbeziehungen mit diesem beeinflusst, d. h. von den Auswirkungen dieses Unternehmens betroffen werden;
  • andererseits die Nutzer von Nachhaltigkeitserklärungen, welche die Hauptnutzer der Finanzberichterstattung umfassen (Investoren, Kreditgeber etc.), sowie weitere Nutzer, die ein allgemeines Interesse an den Informationen der Nachhaltigkeitserklärung haben können (Gewerkschaften, Wissenschaftler etc.).

Weitere Möglichkeiten der Kategorisierung von Stakeholdern werden in den Anwendungsanforderungen aufgeführt, sind aber von untergeordneter Bedeutung (ESRS 1.AR6).

 

Rz. 52

Zusätzlich wird die Natur als sog. "stiller Interessenträger" genannt (ESRS 1.AR7). Die Folge hieraus ist: "In diesem Fall können Umweltdaten und Daten zur Erhaltung der Arten in die Bewertung der Wesentlichkeit einfließen" (ESRS 1.AR7). Das bedeutet, dass Unternehmen sich über ihre ökologischen Auswirkungen, Risiken und Chancen auf Grundlage wissenschaftlicher Studien u.ä. Quellen zu informieren und diese in den Entscheidungsprozessen zu berücksichtigen haben.

 

Rz. 53

Folglich können Interessenträger direkt oder über Vertreter und Repräsentanten eingebunden werden. Beispiele hierfür sind Arbeitnehmervertreter (insbes. auch für die Interessenträger-Gruppe der eigenen Belegschaft) bzw. Wissenschaftler (z. B. für den "stillen Interessenträger" Natur; ESRS 1.AR8). Dies erlaubt es Unternehmen (bzw. verpflichtet diese, wo eine andere Einbindung nicht möglich ist, sogar dazu), auch die Interessen solcher Gruppen zu berücksichtigen, zu denen anderenfalls nur auf umständliche Weise oder gar nicht direkter Kontakt gesucht werden könnte. Die ESRS der "S-Säule" stellen allerdings konkretere Anforderungen an diese Vertreter und Repräsentanten, indem sie von "rechtmäßigen Vertretern" und "glaubwürdigen Stellvertretenden (Repräsentanten)" sprechen; hierzu finden sich Begriffsdefinitionen im Glossar zu den ESRS[2]:

  • "Rechtmäßige Vertreter" sind hiernach "Personen, die gesetzlich oder in der Praxis als rechtmäßige Vertreter anerkannt sind, wie z. B. gewählte Gewerkschaftsvertreter im Falle von Arbeitskräften oder andere ähnlich frei gewählte Vertreter betroffener Interessenträger."[3]
  • "Glaubwürdige Stellvertretende" bezieht sich demgegenüber auf "Personen mit hinreichender Erfahrung bei der Einbeziehung betroffener Interessenträger aus einer bestimmten Region oder einem bestimmten Umfeld (z. B. weibliche Arbeitskräfte in landwirtschaftlichen Betrieben, indigene Völker oder Wanderarbeitnehmende), denen sie dabei helfen können, ihre Anliegen wirksam vorzubringen. In der Praxis können diese Nichtregierungsorganisationen in den Bereichen Entwicklung und Menschenrechte, internationale Gewerkschaften und die lokale Zivilgesellschaft, einschließlich religiöser Organisationen, umfassen."[4]

Der hiermit vermittelte Maßstab an die Auswahl von Vertretern und Repräsentanten ist u. E. bereits für den Rahmen der Ausführungen gem. ESRS 1 und somit auf grundlegende Weise für die gesamte Berichterstattung gem. ESRS 1, im Besonderen aber für die Wesentlichkeitsanalyse zur Anwendung zu bringen.

 

Rz. 54

In welcher Form und auf welcher organisatorischen Ebene die Einbindung der Stakeholder erfolgt, das ist in das Ermessen der Unternehmen gestellt. Eine Aufgabendelegation wird faktisch unvermeidlich sein; auch Beiräte bzw. Expertenforen stellen Möglichkeiten dar, die sich in der Praxis immer häufiger finden. Bereits die Angabepflichten gem. ESRS 2 lassen aber erkennen, dass Vorstand und Aufsichtsrat in einem Mindestmaß ebenso eingebunden bzw. zumindest in Kenntnis gesetzt sein müssen; und dass die gewonnenen Erkenntn...

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