Rz. 57

In der Nachhaltigkeitsberichterstattung fungiert die Wesentlichkeitsanalyse als Instrument zur Identifizierung und (inhaltlichen) Bewertung wesentlicher Auswirkungen, Risiken und Chancen, welche in der Berichterstattung offengelegt werden sollen (ESRS 1.25). Diese Analyse bildet das Fundament der Nachhaltigkeitserklärung, da die erforderlichen Angaben gem. ESRS weitestgehend auf den dabei erzielten Ergebnissen basieren. Innerhalb der Wesentlichkeitsanalyse sind zwei maßgebliche Faktoren von Bedeutung:

  • einerseits die Nachhaltigkeitsaspekte (sustainability matters), welche die Nachhaltigkeitsaspekte Umwelt, Soziales und Governance umfassen (ESRS 1.AR16);
  • andererseits die Wesentlichkeit von Nachhaltigkeitsaspekten, die im Zusammenhang mit dem analysierten Geschäftsmodell und den soeben genannten Nachhaltigkeitsaspekten stehen.

In einem der Wesentlichkeitsanalyse nachgelagerten Schritt ist schließlich noch die sog. "Informations-Wesentlichkeit", d. h. die (formale) Wesentlichkeit eines (inhaltlich) als wesentlich beurteilten Themas zu untersuchen.

 

Rz. 58

"Risiken" und "Chancen" sind Begrifflichkeiten, die bereits im Kontext der Finanzberichterstattung eingeführt sind (v. a. im finanziellen Risikomanagement). Hierbei wird ein gleichlaufendes Verständnis auch für den Kontext der Nachhaltigkeitsberichterstattung vertreten (Rz 72 ff.). Der Begriff der "Auswirkungen" wurde demgegenüber erstmals mit der NFRD in das europäische Bilanzrecht eingeführt. Eine Definition fehlt in diesem bis dato; in Bezug auf die historischen Wurzeln, aus denen sich das heute für den Nachhaltigkeitskontext übliche Begriffsverständnis entwickelt hat, lassen sich hierunter verschiedene Folgen von Wirtschaftsaktivitäten oder weiter gefasst von Handlungen verstehen, i. S. v. Veränderungen in einem Umfeld, die aus diesen Handlungen unmittelbar oder mittelbar resultieren.[1] Freilich lassen sich auch Risiken und Chancen als Konsequenz finanzieller Auswirkungen auf das Unternehmen selbst verstehen – v. a. dem Vorbild der Terminologie in den TCFD-Empfehlungen folgend legen die ESRS aber Wert auf eine klare sprachliche Trennung beider Perspektiven, die auf Nachhaltigkeitsaspekte eingenommen werden können.

 

Rz. 59

In ESRS 1 wird das Konzept der doppelten Wesentlichkeit eingeführt. Um festzustellen, ob ein Nachhaltigkeitsaspekt als wesentlich betrachtet werden kann, muss dieser entweder die Kriterien der "Auswirkungs-Wesentlichkeit", der "finanziellen Wesentlichkeit" oder beide erfüllen (ESRS 1.28). Die Prüfung der Wesentlichkeit der ökologischen und sozialen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsaspekte ("Auswirkungs-Wesentlichkeit") sowie der finanziellen Chancen und Risiken von Nachhaltigkeitsaspekten auf das Unternehmen ("finanzielle Wesentlichkeit") sind miteinander verbunden, da zumindest langfristig Interdependenzen bestehen. Dennoch wird innerhalb der ESRS betont, dass die Auswirkungs-Wesentlichkeit i. S. d. methodischen Klarheit unabhängig von der finanziellen Wesentlichkeit ermittelt und festgelegt werden muss (ESRS 1.38). Abb. 5 fasst die beiden Ausprägungen von Wesentlichkeit zusammen und verknüpft sie mit den ebenso gebräuchlichen Bezeichnungen "inside-out" und "outside-in" in den Betrachtungsperspektiven auf Wirtschaftsaktivitäten und ihre Folgen für Interessenträger und Unternehmen selbst:[2]

Abb. 5: Abgrenzung von Auswirkungs-Wesentlichkeit und finanzieller Wesentlichkeit[3]

Abb. 6 stellt demgegenüber dar, wie die doppelte Wesentlichkeit (auch) als Summe jener Nachhaltigkeitsaspekte zu verstehen ist, für die entweder wesentliche Auswirkungen oder wesentliche Risiken und Chancen festgestellt wurden. Da in der Praxis für solche Darstellungen der Rückgriff auf Matrizen üblich ist, findet sich in Abb. 7 eine entsprechend aufbereitete Alternativdarstellung; diese orientiert sich eng an dem Wortlaut des ESRS 1 und den darin enthaltenen Analysedimensionen.

Abb. 6: Konzept der doppelten Wesentlichkeit[4]

Abb. 7: Doppelte Wesentlichkeit in einer Matrix-Darstellung

 

Rz. 60

Zunächst hat ein Unternehmen seine (potenziell wesentlichen) Auswirkungen, Risiken und Chancen zu identifizieren. Infolgedessen bildet die Prüfung der identifizierten Auswirkungen, Risiken und Chancen den Ausgangspunkt für den nächsten Schritt der Wesentlichkeitsanalyse. Dabei handelt es sich um eine inhaltliche Bewertung der betrachteten Nachhaltigkeitsaspekte. Einige grundlegende Vorgaben zur Vorgehensweise sind bei dieser Bewertung zu berücksichtigen, die im Folgenden dargestellt werden. Darüber hinaus ist auf allgemeine Grundsätze der Rechnungslegung hinzuweisen, welche die Freiheitsgrade der berichtspflichtigen Unternehmen einschränken. U. E. sind insbes. Grundsätze wie jener der Methodenstetigkeit und der Methodenbestimmtheit zu beachten, d. h. insbes., dass gewählte Auslegungen und Vorgehensweisen beizubehalten sind und dass das Unternehmen auf ausgearbeitete, idealerweise im fachlichen Diskurs (z. B. im Rahmen internationaler Standards und Rahmenwerke) bereits etablierte Meth...

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