Rz. 14

Stand: 5. A. – ET: 12/2018

Die Umsatzsteuerbefreiung verschafft den Finanzdienstleistern jährliche Umsatzsteuervorteile i. H. v. ca. 18 Mrd. EUR (EU-Kommission, Pressemitteilung vom 28.09.2011). Dies rechtfertigt nach Ansicht der EU-Kommission die Einführung einer neuen, den Finanzsektor belastenden Steuer und führte zu dem derzeit emotional diskutierten Richtlinienvorschlag über das gemeinsame Finanztransaktionssteuersystem. Weber (UVR 2012, 44) geht der steuerpolitischen Frage nach, ob dieser Argumentation gefolgt werden kann.

1.5.1 Steuerpolitischer Hintergrund

 

Rz. 15

Stand: 5. A. – ET: 12/2018

Durch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer soll nach Auffassung der EU-Kommission vor allem erreicht werden, dass

  • der Finanzsektor in Zeiten der Haushaltskonsolidierung in den Mitgliedstaaten einen angemessenen Beitrag leistet,
  • unerwünschte Spekulationen eingedämmt werden,
  • die Finanzmärkte stabilisiert werden und
  • der Binnenmarkt gestärkt wird.
 

Rz. 16

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Die EU-Kommission sieht zwar in ihrem Richtlinienvorschlag die Einführung einer Finanztransaktionssteuer für die gesamte EU vor. Dem liegt jedoch kein Konsens auf EU-Ebene zugrunde. Obgleich sich Deutschland und Frankreich mit Nachdruck für die Einführung dieser Steuer aussprechen, lehnen insbesondere Großbritannien und Schweden eine solche Steuer unverändert strikt ab. Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer nur in einzelnen Mitgliedstaaten, etwa der Euro-Zone und ohne Großbritannien als größten Finanzmarkt in Europa, würde allerdings die Gefahr bergen, dass Ausweichreaktionen in Staaten entstehen, die keine Steuer auf Finanztransaktionen erheben natürlich zulasten der Staaten, die eine solche Steuer einführen. Hiervon geht auch die EU-Kommission selbst in der von ihr durchgeführten Auswirkungsanalyse aus.

 

Rz. 17

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Auch wenn Weber (UVR 2012, 44) dies anders sieht und als populistisch abtut: Die Argumente der EU-Kommission in der zitierten Pressemitteilung sind m. E. überzeugend: "Die EU-Mitgliedstaaten wendeten im Verlauf der Krise 4,6 Billionen EUR zur Rettung des Finanzsektors auf. Zusätzlich hat der Finanzsektor in den vergangenen Jahren von niedrigen Steuern profitiert. So kommt der Finanzsektor aufgrund der Mehrwertsteuerbefreiung auf Finanzdienstleistungen jährlich in den Genuss von Steuervorteilen i. H. v. ca. 18 Mrd. EUR. Eine neue den Finanzsektor belastende Steuer würde sicherstellen, dass die Finanzinstitute einen Beitrag zu den Kosten der Bewältigung der Wirtschaftskrise leisten, und sie von riskanten und unproduktiven Handelsgeschäften abhalten."

1.5.2 Der Finanzsektor wehrt sich

 

Rz. 18

Stand: 5. A. – ET: 12/2018

Weber führt hierzu aus (UVR 2012, 44, Abschn. III): „Die Argumentation, dass die Finanzindustrie aufgrund der Umsatzsteuerbefreiung von Finanzdienstleistungen unterbesteuert und somit die Einführung einer zusätzlichen Steuer, einer Finanztransaktionssteuer gerechtfertigt ist, schlägt fehl. Diese Argumentation lässt gerade die Kehrseite der Umsatzsteuerbefreiungen außer Acht. Die Umsatzsteuerbefreiungen der Finanzdienstleistungen haben grundsätzlich die Versagung des Vorsteuerabzugs zur Folge. Damit führt die nicht als Vorsteuer abziehbare Umsatzsteuer zu einer definitiven Kostenbelastung des Finanzsektors. Verglichen mit voll vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmen, bei denen die Umsatzsteuer neutral wirkt und erst den Endverbraucher belastet, ist der Finanzsektor hinsichtlich der Umsatzsteuer damit sogar überbesteuert.

 

Rz. 19

Stand: 5. A. – ET: 12/2018

Dies bestätigt auch eine Studie von PwC vom 18.10.2011, die die Auffassung einer Unterbesteuerung des Finanzsektors eindrucksvoll mit Zahlen widerlegt. Die Studie untersucht die Auswirkungen der Umsatzsteuerbefreiungen für Finanzdienstleistungen, insb. die damit einhergehende Belastung des Finanzsektors mit nicht abziehbarer Vorsteuer. An der Studie waren 16 europäische Großbanken beteiligt. Das Ergebnis der Untersuchungen zeigt, dass diese 16 Banken im Zeitraum von 2008 bis 2010 mit einer nicht abziehbaren Vorsteuer von durchschnittlich ca. 7 Mrd. EUR pro Jahr belastet waren. Statistischen Berechnungen zufolge schätzt man die gesamte Belastung des EU-Finanzsektors mit nicht abziehbarer Vorsteuer auf ca. 33 Mrd. EUR.

 

Rz. 20

Stand: 5. A. – ET: 12/2018

Die Studie widerlegt damit eindeutig die Argumentation für eine zusätzliche Besteuerung des Finanzsektors.

 

Rz. 21

Stand: 5. A. – ET: 12/2018

Da der Finanzsektor im Hinblick auf die Umsatzsteuer nicht unterbesteuert ist, rechtfertigen die Umsatzsteuerbefreiungen der Finanzdienstleistungen keineswegs die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Vielmehr würden auch bei einer Finanztransaktionssteuer sowohl Steuerpflichtige als auch Finanzverwaltung mit den gleichen Problemen hinsichtlich der Ermittlung der Bemessungsgrundlagen konfrontiert, die bis heute die Umsatzsteuerbefreiungen der Finanzdienstleistungen rechtfertigen.

 

Rz. 22

Stand: 5. A. – ET: 12/2018

Auch kann die Einführung einer Finanztransaktionssteuer dem erklärten Ziel, Spekulationen einzudämmen und d...

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