Rz. 100
Stand: 5. A. – ET: 12/2018
Die Antwort der Bundesregierung auf eine große Anfrage der Fraktion der FDP verdeutlichte recht eindrucksvoll, wie wenig das Attribut "einfach" auf das Steuerrecht und insbesondere das Umsatzsteuerrecht anzuwenden ist (vgl. BT-Drucks. 15/1548 vom 16.09.2003):
- Zahl der Steuergesetze unbezifferbar: Derzeit regeln 118 Gesetze als Stammnormen das Steuerrecht. Gesetze, die neben ihrem außersteuerlichen Regelungsgehalt auch Vorschriften zur Besteuerung enthalten, lassen sich nicht beziffern.
- 4853 BMF-Schreiben: Ausweislich der Bundesdatenbank "VV-Steuer" gibt es 2042 gültige – im BStBl I veröffentlichte – BMF-Schreiben. Hinzu kommen 1193 BMF-Schreiben, die eine zeitliche Beschränkung in ihrer Anwendung aufweisen. Darüber hinaus werden 1618 nicht im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlichte BMF-Schreiben in der Datenbank nachgewiesen.
- Mehrfachänderung von Gesetzen: Allein in der 14. Legislaturperiode wurden folgende Vorschriften des UStG mehrfach geändert: § 3c Abs. 3, § 4 Nr. 8, § 4 Nr. 19, § 7 Abs. 5, § 10 Abs. 4, § 13 Abs. 2, § 14 Abs. 1, § 14 Abs. 4, § 15 Abs. 1, § 15 Abs. 5, § 15a Abs. 4 bis 6, § 16 Abs. 6, § 17 Abs. 1, § 18 Abs. 2, § 19 Abs. 1, § 22 Abs. 2, § 22a Abs. 2, § 24 Abs. 1, § 27 Abs. 1a, § 27 Abs. 3, Nr. 41 der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2.
- Nichtanwendungserlasse: Allein in der 14. Legislaturperiode sind 28 BMF-Schreiben oder gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder ergangen, die anordnen, dass BFH-Entscheidungen über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden sind.
11.2 Gegensteuern des BMF
Rz. 101
Stand: 5. A. – ET: 12/2018
Mit Schreiben vom 07.06.2005 wollte das BMF das "Anweisungsdickicht" erstmalig lüften. Auf einen Schlag wurden unter der Überschrift "Eindämmung der Normenflut" ca. 1000 BMF-Schreiben aufgehoben, die vor dem 01.01.1980 ergangen sind. Weiter gültig blieben schon damals immerhin 134 BMF-Schreiben aus der Zeit vor 1980.
In der Folgezeit arbeitete das BMF regelmäßig den Gesamtbestand seiner Schreiben durch und ist aktuell bei der Sichtung aller Schreiben angelangt, die bis zum 16.03.2018 ergangen sind (BMF vom 19.03.2018, Az: IV A 2 – O 2000/17/10001, 2018/0151652, a. a. O.).
Für frühere Zeiträume vgl. BMF vom 21.03.2017, Az. IV A 2 – O 2000/16/10001, 2017/0209070, BStBl. I 2017, 486 (BMF-Schreiben, die bis zum 20.03.2017 ergangen sind); BMF vom 14.03.2016, Az. IV A 2 – O 2000/15/10001, 2016/0210799, BStBl. I 2016, 290 (BMF-Schreiben, die bis zum 11.03.2016 ergangen sind); BMF vom 23.03.2015, Az. IV A 2 – O 2000/14/10001, 2015/0188422, BStBl. I 2015, 278 (BMF-Schreiben, die bis zum 20.03.2015 ergangen sind); BMF vom 24.03.2014, Az. IV A 2 – O 2000/13/10002, 2014/0205033, BStBl. I 2014, 606 (BMF-Schreiben, die bis zum 24.03.2014 ergangen sind); BMF vom 09.04.2013, Az: IV A 2 – O 2000/12/10001, 2013/0110996, BStBl I 2013, 522 (BMF-Schreiben, die bis zum 08.04.2013 ergangen sind); BMF vom 27.03.2012, Az: IV A 2 – O 2000/11/10006, BStBl I 2012, 370 (BMF-Schreiben, die bis zum 26.032012 ergangen sind), vom 04.04.2011, Az: IV A 2 – O 1000/10/10283, BStBl I 2011, 356 (BMF-Schreiben, die bis zum 01.04.2011 ergangen sind), vom 23.04.2010, Az: IV A 6 – O 1000/09/10095, BStBl I 2010, 391 (BMF-Schreiben, die bis zum 31.12.2009 ergangen sind) und vom 29.03.2007 Az: IV C 6 – O 1000/07/0018, BStBl I 2007, 369 (BMF-Schreiben, die vom 01.01.1980 bis zum 31.12.2004 ergangen sind).
Rz. 102
Stand: 5. A. – ET: 12/2018
Auffällig ist, dass alle diese Schreiben – mit Ausnahme des ersten Schreibens vom 07.06.2005 – neben einer Positivliste noch zusätzlich folgende Regelung treffen: "Die Aufhebung der BMF-Schreiben bedeutet keine Aufgabe der bisherigen Rechtsauffassung der Verwaltung, sondern dient der Bereinigung der Weisungslage."
11.3 Beratungskonsequenzen
Rz. 103
Stand: 5. A. – ET: 12/2018
Den Schreiben hängt daher eine Positivliste an. Nur die nicht in die Listen aufgenommenen Schreiben werden außer Kraft gesetzt. Daraus ergeben sich folgende Konsequenzen (grundlegend bereits Weimann, GStB 2007, 277):
- Wenn die Aufhebung der bis zum 16.03.2018 ergangenen BMF-Schreiben keine Aufgabe der bisherigen Rechtsauffassung der Verwaltung bedeutet, heißt dies – positiv ausgedrückt –, dass die vermeintlich aufgehobenen BMF-Schreiben auch weiterhin die Verwaltungsauffassung wiedergeben. Damit bleiben die formell aufgehobenen Schreiben materiell weiter gültig!
- Für die Praxis folgt daraus, dass der einzelne Finanzbeamte auch die bis zum 16.03.2018 ergangenen BMF-Schreiben weiter anwenden und der Steuerberater diese wie gehabt berücksichtigen muss.
Damit wird (wissenschaftlich) genau wie folgt zu zitieren sein:
- BMF-Schreiben, die vor dem 16..03.2018 ergangen und in der Positivliste erhalten sind: BMF vom 28.02.2014, Az: IV D 3 – S 7117-a/10/10002, 2014/0197080, BStBl I 2014, 279, weiter gültig gem. BMF vom 19.03.2018, Az: IV A 2 – O 2000/17/10001, 2018/0151652, Positivliste Nr. 1351, BStBl I 2018, 322.
- BMF-Schreiben, die vor dem 16.03.2018 ergangen sind, in der Positivliste vom 21.03.2017 enthalten waren und nun n...
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