Leitsatz

Das Recht auf Vorsteuerabzug ist für den Voranmeldungszeitraum (Besteuerungszeitraum) auszuüben, in dem das Abzugsrecht entstanden ist und die Ausübungsvoraussetzungen vorliegen.

 

Normenkette

§ 15 Abs. 1 Nr. 2, § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG, Art. 168 Buchst. e, Art. 178 Buchst. e MwSt­SystRL

 

Sachverhalt

Die für die Klägerin zuständige Zollbehörde setzte mit sieben Abgabenbescheiden vom 26., 27. und 30.6.2008 sowie vom 1.7.2008 gegenüber der Klägerin Zoll sowie i.H.v. 2.792.009,80 EUR Einfuhrumsatzsteuer fest. Die Klägerin zahlte einen Teilbetrag in 2010. Für 2009 machte sie geltend, dass sie aus der EUSt zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug, da die Klägerin an den Gegenständen, für die die EUSt festgesetzt worden sei, keine Verfügungsmacht erlangt habe, sodass es an einer Einfuhr für ihr Unternehmen fehle. Das FG (FG Hamburg, Urteil vom 19.12.2012, 5 K 302/09, Haufe-Index 3598206, EFG 2013, 562) gab der Klage demgegenüber statt. Entgegen der BFH-Rechtsprechung komme es für den Vorsteuerabzug aus der EUSt nicht auf die Erlangung einer Verfügungsmacht an.

 

Entscheidung

Auf die Revision des FA hob der BFH das Urteil des FG auf und wies die Klage ab. Die Klägerin sei im Streitjahr 2009 nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG a.F. nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, da sie EUSt erst im Folgejahr entrichtet habe. Die Neuregelung dieser Vorschrift sei mangels gesetzlich angeordneter Rückwirkung auf das Streitjahr nicht anzuwenden. Auch nach der Richtlinie könne die Klägerin keinen Vorsteuerabzug beanspruchen, da es danach auf das Entstehen der EUSt ankomme, die bereits vor dem Streitjahr vorliege. Ein Wahlrecht zur Geltendmachung des Vorsteuerabzugs in einem anderen Besteuerungszeitraum bestehe nicht. Auf die Frage, ob ein Unternehmensbezug vorliegt, kam es daher nicht an.

 

Hinweis

1. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG in seiner ab 30.6.2013 geltenden Neufassung (Art. 10 Nr. 9 Buchst. a Doppelbuchst. aa und Art. 31 Abs. 1 AmtshilfeRLUmsG berechtigt die entstandene Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) den Unternehmer zum Vorsteuerabzug.

2. § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG a.F. stellte demgegenüber auf die entrichtete EUSt ab.

§ 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG a.F. entsprach nicht dem Unionsrecht. Nach Art. 168 Buchst. e MwStSystRL (Art. 17 Abs. 2 Buchst. b der 6. RL) ist der Steuerpflichtige (Unternehmer) berechtigt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer "die Mehrwertsteuer, die für die Einfuhr von Gegenständen … geschuldet wird oder entrichtet worden ist", abzuziehen. Danach ist es nicht möglich, "das Recht auf Abzug der Einfuhrmehrwertsteuer von der tatsächlichen vorherigen Zahlung dieser Steuer durch den Steuerschuldner abhängig zu machen, wenn dieser auch der zum Abzug Berechtigte ist" (EuGH, Urteil vom 29.3.2012, C-414/10, Véleclair, BStBl II 2013, 941). Somit bezieht sich der Begriff "geschuldet" auf eine rechtlich durchsetzbare Steuerschuld und setzt voraus, dass der Steuerpflichtige zur Zahlung des Mehrwertsteuerbetrags, den er als Vorsteuer abziehen möchte, verpflichtet ist. Zudem sieht Art. 178 Buchst. e MwStSystRL (Art. 18 Abs. 1 Buchst. b der 6. RL) nur vor, dass der Steuerpflichtige ein die Einfuhr bescheinigendes Dokument besitzt, das ihn als Empfänger oder Importeur ausweist und aus dem sich der geschuldete Steuerbetrag ergibt.

3.Nach der alten Rechtslage konnte die zeitliche Zuordnung des Vorsteuerabzugs aus der EUSt Schwierigkeiten bereiten.

a) Setzt die zuständige Zollbehörde z.B. EUSt durch einen in 01 erlassenen Abgabenbescheid mit Fälligkeit in 01 fest, die der Unternehmer erst in 03 entrichtet, war der Unternehmer nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG a.F. erst in 03 zum Vorsteuerabzug aus der EUSt berechtigt. Nach dem Unionsrecht konnte der Unternehmer demgegenüber bereits in 01 den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen.
b)

Nicht möglich war und ist es demgegenüber im vorstehenden Beispielsfall, den Vorsteuerabzug für 02 vorzunehmen.

aa) Im nationalen Recht sind nach § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG von "der nach Absatz 1 berechneten Steuer … die in den Besteuerungszeitraum fallenden, nach § 15 abziehbaren Vorsteuerbeträge abzusetzen". Danach hat der Unternehmer die Vorsteuer in dem Besteuerungszeitraum abzuziehen, in dem sie entstanden ist. Er kann sie nicht in späteren Besteuerungszeiträumen geltend machen.
bb) Dies entspricht der nach dem Unionsrecht bestehenden Rechtslage. Nach Art. 179 MwStSystRL (Art. 18 Abs. 2 der 6. RL) wird der Vorsteuerabzug vom Steuerpflichtigen dadurch vorgenommen, dass er von dem Steuerbetrag, den er für einen Steuerzeitraum schuldet, den Betrag der Mehrwertsteuer absetzt, für die während des gleichen Steuerzeitraums das Abzugsrecht entstanden ist und auch die Ausübungsvoraussetzungen des Art. 178 MwStSystRL (Art. 18 Abs. 1 der 6. RL) vorliegen. Somit ist das Vorsteuerabzugsrecht für den Erklärungszeitraum auszuüben, in dem die Lieferung oder die Dienstleistung bewirkt wurde und in dem der Steuerpflichtige die Rechnung oder das dieser gleichgestellte Dokument besitzt (EuGH, Urteil vom 29.4.2004, C-152/02...

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