Rz. 109

[Autor/Stand] Die Feststellung der Bedarfswerte unterliegt, wie jede gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, der Feststellungsverjährung.[2] Die Wertfeststellungserklärungen sind Steuererklärungen i.S. des § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO (§ 153 Abs. 5 BewG i.V.m. § 181 Abs. 1 Satz 2 AO); d.h.: Wurde eine solche Erklärung – durch das zuständige Feststellungsfinanzamt[3] – angefordert und dadurch die potenzielle Erklärungspflicht konkretisiert (§ 149 Abs. 1 Satz 2 AO), beginnt die Feststellungsfrist[4] spätestens mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs nach dem Steuerentstehungszeitpunkt (Anlaufhemmung – s. § 31 ErbStG Anm. 6).[5]

 

Rz. 110

 

Beispiel:

(vgl. auch § 30 ErbStG Anm. 15, 16)

Steuerentstehungszeitpunkt in 2015 mit Tod des Erblassers bzw. Ausführung der Schenkung (§ 9 ErbStG).

Der Erbschaft-/Schenkungsteueranspruch würde verjähren infolge Ablaufs der Festsetzungsfrist

 
– falls (k)eine Erbschaft-/Schenkungsteuererklärung verlangt wird –
bereits spätestens
mit Ablauf des Jahres 2019 (§§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 170 Abs. 1 AO). mit Ablauf des Jahres 2022 (§§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO).

Gehört zum Nachlass bzw. zur Schenkung Vermögen, das nach § 151 Abs. 1 Satz 1 BewG gesondert bewertungsbedürftig ist, sind insoweit entsprechende Feststellungsfristen zu beachten (§ 153 Abs. 5 i.V.m. § 181 Abs. 1 Satz 1, 169 ff. AO). Diese Fristen würden ablaufen

 
– falls und soweit (k)eine Feststellungserklärung verlangt wird –
bereits spätestens
mit Ablauf des Jahres 2019 (§§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 170 Abs. 1, 181 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 153 Abs. 5 BewG). mit Ablauf des Jahres 2022 (§§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 170 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, 181 Abs. 1 Sätze 1, 2 AO i.V.m. § 153 Abs. 5 BewG).
 

Rz. 111

[Autor/Stand] Nach Ablauf der Feststellungsfrist darf eine Bedarfsbewertung grundsätzlich nicht mehr vorgenommen werden, es sei denn, die Festsetzungsfrist ist noch offen (§ 153 Abs. 5 BewG i.V.m. § 181 Abs. 5 AO).[7] Dies hat zur Folge, dass Erbschaft-/Schenkungsteueransprüche der partiellen Verjährung unterliegen können,[8] soweit sie auf gesondert zu bewertendes Vermögen entfallen. Beachten Sie: Zählt Vermögen i.S.d. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1-3 BewG zum Erwerb, besteht stets eine Anzeigepflicht gegenüber dem Besteuerungsfinanzamt (§ 30 Abs. 3 ErbStG[9]). Damit kommt ggf. eine Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO in Betracht.[10]

 

Rz. 112

[Autor/Stand] Will das Erbschaft-/Schenkungsteuerfinanzamt auch bedarfsbewertungsbedürftiges Vermögen endgültig besteuern,[12] sollte es möglichst frühzeitig das/die zuständige/n Feststellungsbehörde/n veranlassen Bewertungserklärungen anzufordern; Gleiches gilt für von diesen Dienststellen ggf. anzustoßende weitere Feststellungsverfahren. Damit ist faktisch eine Aufforderungsfrist zu beachten: Um den Beginn der Feststellungsfrist überhaupt hinauszuschieben, muss die jeweilige Aufforderung zur Abgabe einer Feststellungserklärung noch vor Ablauf der ohne ein solches Erklärungsverlangen eintretenden Feststellungsverjährung erfolgen[13] – im Beispiel also vor Ende 2019. Insoweit kommt es auf den rechtzeitigen Zugang, nicht die Absendung der Aufforderung an. § 169 Abs. 1 Satz 3 AO ist nicht einschlägig; diese Norm betrifft ausdrücklich nur Steuerbescheide (Feststellungsbescheide) im Hinblick auf den möglichen Ablauf der Festsetzungsfrist (Feststellungsfrist)[14] und daher keine Verwaltungsakte, die den Beginn dieser Frist beeinflussen.

 

Rz. 113

[Autor/Stand] Entscheidend ist die rechtswirksame Bekanntgabe jeder einzelnen Aufforderung. Bekanntgabemängel – insbesondere hinsichtlich des Inhaltsadressaten (problematisch bei Erbengemeinschaft; s. Anm. 28 f.; s. auch § 154 BewG Anm. 58 ff.), aber auch im Hinblick auf die inhaltliche Bestimmtheit (§ 125 Abs. 1 AO: der Empfänger sollte möglichst genau erkennen können, welche/r Feststellungsgegenstand/-gegenstände auf welche/n Zeitpunkt/e zu bewerten ist/sind)[16] – können dazu führen, dass ein späterer Feststellungsbescheid schon nach Eintritt der Feststellungsverjährung ergangen ist (im Beispiel: Feststellungsbescheid mit Absendedatum in 2020). Die festgestellten Werte dürfen damit steuerlich nicht mehr erfasst werden. Auch zuvor per Schätzung ergangene Erbschaft- und Schenkungsteuerbescheide sind dann wohl zu korrigieren (s. aber Anm. 3 a.E.).[17]

 

Rz. 114

[Autor/Stand] In Ermangelung originärer Erklärungspflichten wirkt die Aufforderung zur Abgabe einer Feststellungserklärung nur gegenüber dem/n jeweiligen Inhaltsadressaten (§ 124 Abs. 1 Satz 1 AO).[19] Sie schiebt deshalb beim Erwerb von Todes wegen durch mehrere Erwerber und bei Schenkungen den Beginn der Feststellungsfrist lediglich für den/die Steuerschuldner hinaus, dem/denen sie rechtswirksam bekannt gegeben wurde (s. § 31 ErbStG Anm. 7, 8; zur Aufforderung eines Testamentsvollstreckers s. oben Anm. 84 ff.; s. auch § 31 ErbStG Anm. 19).[20] Wendet sich das Betriebsfinanzamt in Fällen des § 153 Abs. 2 BewG allein an die Gesellschaft oder Gemeinschaft, obwohl es a...

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