Rz. 7

Nach § 76 Abs. 3 AO kann die Finanzbehörde die zoll- oder verbrauchsteuerpflichtigen Waren mit Beschlag belegen. Die Beschlagnahme ist zulässig, sobald die Sachhaftung entstanden und noch nicht erloschen ist.[1] Die Entstehung der Steuerschuld kann keine Voraussetzung für die Beschlagnahme sein, da dies dem Sicherungszweck der Sachhaftung zuwiderlaufen würde. Durch die Beschlagnahme wird die kraft Gesetzes bestehende Sachhaftung mit einem tatsächlichen Rechtsakt nach außen erkennbar gemacht. Die Beschlagnahme soll die Sachhaftung durch tatsächliche Sicherstellung vor Beeinträchtigungen schützen.[2] Sie erfolgt grundsätzlich dadurch, dass die Finanzbehörde die Waren in Gewahrsam behält oder entsprechend einer Pfändung in Gewahrsam nimmt.[3] Die Duldung dieser Maßnahmen kann durch Gewalt[4] oder durch Zwangsmittel[5] erzwungen werden. Zur Beschlagnahme genügt aber auch ein Verfügungsverbot an den unmittelbaren Besitzer. Das Verfügungsverbot i. S. d. Abs. 3 ist das Verbot jeder tatsächlichen Einwirkung auf die Sache, durch die die Verwertung ausgeschlossen würde. Der unmittelbare Besitzer darf also die Ware nicht fortschaffen, verarbeiten oder vernichten. Ein Verstoß gegen dieses Verbot ist nach § 136 StGB strafbar. Nicht verboten ist die rechtliche Verfügung, sofern sie den tatsächlichen Zustand und Aufbewahrungsort der Ware nicht verändert. Dem Verfügungsberechtigten verbleibt die rechtliche Verfügungsmacht z. B. nach §§ 930, 931, 1205 BGB, da in diesen Fällen die dingliche Sachhaftung nicht beeinträchtigt werden kann. Eine wirtschaftliche Nutzung der Ware ist nur mit Zustimmung des HZA möglich.[6] Die zivilrechtlichen Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb finden infolge des öffentlich-rechtlichen Charakters des Verfügungsverbots keine Anwendung. Die Sachhaftung besteht kraft Gesetzes grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Kenntnis des Erwerbers; Ausnahmen hiervon sind in § 76 Abs. 5 AO geregelt.

 

Rz. 8

Die Beschlagnahme erfolgt durch einen vollziehbaren Verwaltungsakt.[7] Der BFH hat die Anwendung des § 69 FGO auf eine Beschlagnahmeverfügung nach § 76 Abs. 3 AO abgelehnt, weil darin eine Vorwegnahme der Hauptsache läge und die Aufhebung der Vollziehung unvereinbar wäre mit dem gesetzgeberischen Zweck, nur vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren.[8]

 

Rz. 9

Die Beschlagnahme steht im Ermessen der Finanzbehörde.[9] Wegen der nicht unerheblich einschneidenden Wirkung für den von ihr Betroffenen muss ein konkreter Anlass vorliegen, damit dem Verhältnismäßigkeitsgebot entsprochen wird. Ein konkreter Anlass kann z. B. gegeben sein, wenn die Steuerbelange ernsthaft gefährdet erscheinen oder die Beitreibung des Steueranspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert sein würde.

 

Rz. 10

Zuständig für die Beschlagnahme ist nach § 76 Abs. 3 AO die Finanzbehörde, gemeint ist das sachlich und örtlich zuständige Hauptzollamt. Zollfahndungsämter sind für die Beschlagnahme nach § 76 AO nicht zuständig.[10] Aufgabe der Zollfahndungsämter ist nach § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 i. V. m. Nr. 1 AO die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in Fällen der Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten. Die Beschlagnahme nach § 76 Abs. 3 AO fällt nicht in diesen Aufgabenbereich; sie wäre wegen sachlicher Unzuständigkeit des Zollfahndungsamts rechtswidrig.

 

Rz. 11

Gegen die Beschlagnahme ist der Einspruch gegeben. Die Beschlagnahme und die spätere Verwertung können dadurch abgewendet werden, dass die Steuerschuld und damit die Sachhaftung zum Erlöschen gebracht wird.[11] Dies kann durch den Steuerschuldner, den Haftungsschuldner oder auch einen Dritten[12] geschehen.

[1] S. Rz. 12ff.
[2] RFH v. 23.2.1927, IV A 3/27, RFHE 20, 255, 257.
[3] Wegnahme oder Pfandsiegelanlegung gem. §§ 286, 336 Abs. 1 AO.
[7] Vgl. FG Hamburg v. 1.7.1977, IV 56/77 H, EFG 1977, 614; FG Hamburg v. 22.12.1976, IV 77/76, EFG 1977, 240.
[9] FG Hamburg v. 1.7.1977, IV 56/77 H, EFG 1977, 614.
[11] S. Rz. 12ff.
[12] § 48 AO.

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