Rz. 5

Abs. 1 der Vorschrift regelt die Haftung des Herstellers von Programmen i. S. d. § 87c AO. Die Pflichten des Programmherstellers und die Haftungsregelung des § 72a Abs. 1 AO dienen zum einen dem Schutz der Programmanwender und zum anderen der ordnungsmäßigen Tätigkeit der Finanzverwaltung. Es geht um die Verletzung von Pflichten bei der Erstellung nichtamtlicher Datenverarbeitungsprogramme. Außer der Gewährleistung der zutreffenden und vollständigen Daten des in der Programmbeschreibung angegebenen Programmumfangs sind weitere Pflichten des Herstellers wie etwa Registrierungs-, Dokumentations-, Prüfungs- und Mitwirkungspflichten geregelt. Diese sind in der Kommentierung des § 87c AO zu Abs. 2, 3 und 4 im Einzelnen dargestellt.

 

Rz. 6

Die Vorschrift übernimmt die bisher in §§ 3 u. 4 StDÜV für nichtamtliche Programme stehenden Regelungen, die für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Daten bestimmt sind, die für das Besteuerungsverfahren erforderlich sind.

Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Daten wird auf Grund der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der EU, die seit dem 25.5.2018 in allen EU-Staaten unmittelbares Recht ist, zusammenfassend als Verarbeiten bezeichnet. Die bisher verwendete dreiteilige Formulierung des alten Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG 1990) gilt daher nicht mehr. Dementsprechend ist auch in anderen Vorschriften wie z. B. in § 87a Abs. 1 u. 2 AO und einer weiteren Reihe von Vorschriften der neue Begriff angewendet worden. Dies ist in der Vorschrift des § 72a AO im Abs. 2 geschehen. Eine inhaltliche Änderung wird durch die geänderte Formulierung nicht ausgelöst. Für die Haftung hat die Änderung der Formulierung keinerlei Bedeutung.

Die Programmherstellung, die für die Haftung in Betracht kommt, geht über die Herstellung von Programmen über diejenigen für Steuererklärungen hinaus, die an die Finanzbehörden zu übermitteln sind. Auch für die vorhergehenden Bearbeitungsschritte wie z. B Programme für die Bilanzierung und die Gewinnermittlung gilt § 87c Abs. 1 AO. Dagegen ist die Haftung des Herstellers von Programmen für die Zusammenfassenden Meldungen nach § 18a Abs. 1 UStG durch Abs. 3 ausdrücklich ausgeschlossen, obwohl auf diese Zusammenfassenden Meldungen gem. § 18 Abs. 1 UStG die für Steuererklärungen geltenden Vorschriften an sich ergänzend anzuwenden sind.

3.1 Haftungsschuldner

 

Rz. 7

§ 87c AO und die Haftungsregelung des § 72a Abs. 1 AO richten sich an den Programm-(Software-) Hersteller, u. U. aber auch an diejenigen, die die Programme vertreiben. Die Verpflichtung der Vertreiber der Programme ergibt sich rechtstechnisch aus § 87c Abs. 4 S. 3 AO. Der Vertreiber muss allerdings für eine Haftung nach § 72a Abs. 1 AO konkret eine Verpflichtung gehabt und verletzt haben. Programmhersteller und ggf. der oder die Vertreiber sind also beim Vorliegen der weiteren Haftungsvoraussetzungen Haftungsschuldner.

3.2 Haftungsvoraussetzungen

 

Rz. 8

Der Programmhersteller muss bei der Herstellung nicht amtlicher Datenverarbeitungsprogramme, die dazu bestimmt sind, für das Besteuerungsverfahren erforderliche Daten zu verarbeiten, die Möglichkeiten der richtigen und vollständigen Verarbeitung dieser Daten gewährleisten. In einer Programmbeschreibung ist auf den Programmumfang und auf besondere Fallgestaltungen hinzuweisen, die eine richtige und vollständige Verarbeitung ausnahmsweise nicht möglich macht. Weitere Pflichten u. a. zur Überprüfung ergeben sich aus § 87c AO.

 

Rz. 9

Die Verletzung einer oder mehrerer Pflichten des § 87c AO durch den Hersteller oder Vertreiber muss ursächlich für eine unrichtige oder unvollständige Verarbeitung der Daten mit der Folge einer Verkürzung davon Steuern oder der unrechtmäßigen Erlangung steuerlicher Vorteile geführt haben. Die Ursächlichkeit braucht nicht ausschließlich in der Pflichtverletzung zu liegen. Weitere Ursachen wie Fehler des Auftragnehmers bei der Fertigung der Steuererklärung können hinzukommen, sodass mehrere Haftungsschuldner nebeneinander in Betracht kommen. Sie sind dann Gesamtschuldner neben dem Steuerschuldner.

3.3 Verschulden

 

Rz. 10

Der Haftungsschuldner muss nach der Regelung des § 72a Abs. 1 S. 1 u. 2 AO vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt haben. S. 2 der Vorschrift enthält dabei eine Vermutung sowie Regelung zur Feststellungslast des haftenden Herstellers, wonach die Haftung entfällt, soweit der Hersteller nachweist, dass die Pflichtverletzung nicht auf grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz beruht. Eine einfache Fahrlässigkeit reicht für die Haftung nicht aus.[1]

[1] Ebenso Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 72a AO Rz. 7.

3.4 Haftungsumfang

 

Rz. 11

Der Hersteller haftet für die verkürzten Steuern oder die zu Unrecht erlangten Steuervorteile, die durch seine vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzung verursacht worden sind. Grundsätzlich gilt dies jedoch gem. § 87e AO nicht für die Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben, die Verbrauchsteuern und die Luftverkehrsteuer. Nach § 72a Abs. 3 AO gilt die Haftung nach Abs. 1 (und 2) nicht für die zusammenfassenden Meldungen i. S. d. § 18a Abs. 1 UStG.

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