1 Allgemeines

1.1 Inhalt und Bedeutung

 

Rz. 1

§ 47 AO zählt die wichtigsten Gründe auf, aus denen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen. Diese Aufzählung ist – wie sich aus dem Wort "insbesondere" ergibt – nicht abschließend.[1] § 47 AO regelt die Rechtsfolge des Erlöschens, die in den in ihm genannten Einzelvorschriften zumeist nicht ausdrücklich angesprochen wird, und schlägt damit eine Brücke zu den später geregelten Erlöschenstatbeständen.[2] Von diesen betreffen die §§ 163 und 169 bis 171 AO das Festsetzungsverfahren und die §§ 224 bis 232 AO das Erhebungsverfahren.[3]

[1] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 47 AO Rz. 2; Kunz, in Gosch, AO/FGO, § 47 AO Rz. 1; AEAO zu § 47.
[2] Bericht des Finanzausschusses des Bundestags, BT-Drs 7/4292, 19.
[3] Kunz, in Gosch, AO/FGO, § 47 AO Rz. 5.

1.2 Anwendungsbereich

 

Rz. 2

Die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, deren Erlöschen in § 47 AO geregelt ist, sind der Steueranspruch, der Steuervergütungsanspruch, der Haftungsanspruch, der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung, der Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO sowie die in den Einzelsteuergesetzen geregelten Erstattungsansprüche.[1] Nicht alle in § 47 AO aufgezählten Erlöschensgründe kommen für alle in § 37 Abs. 1 AO aufgeführten Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis in Betracht. So ist ein Erlass[2] als Billigkeitsmaßnahme zugunsten des Stpfl. bei diesem zustehenden Erstattungs- oder Vergütungsansprüchen ebenso ausgeschlossen wie der Eintritt der Festsetzungsverjährung[3] bei Säumniszuschlägen, die zu ihrer Verwirklichung keiner Festsetzung bedürfen.[4] Auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Art. 5 Nr. 20 und 21 UZK findet § 47 AO nur eingeschränkt Anwendung. Dabei handelt es sich zwar um Steuern[5] und damit um Ansprüche i. S. d. § 37 Abs. 1 AO. Für deren Erlöschen enthält Art. 124 Abs. 1 UZK jedoch Sonderregelungen, die den Vorschriften der AO vorgehen.[6]

2 Begriff, Gegenstand und Folgen des Erlöschens

 

Rz. 3

Unter Erlöschen ist die gesetzlich festgelegte unmittelbare Beendigung des Steuerschuldverhältnisses zu verstehen.[1] Das Erlöschen bildet damit das Gegenstück zu der in § 38 AO geregelten Entstehung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis.[2] Mit den in § 47 AO genannten Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sind die materiell-rechtlichen Ansprüche gemeint, wie sie nach § 38 AO dem Grunde und der Höhe nach entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Damit erlischt grundsätzlich der abstrakte Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis – nicht nur der durch Bescheid festgesetzte Anspruch – in dem durch den jeweiligen Erlöschensgrund bestimmten Umfang.[3] Daneben gelten die Erlöschensgründe aber auch für die durch Verwaltungsakt i. S. v. § 218 Abs. 1 AO konkretisierten Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, soweit nicht das Erlöschen – wie im Fall der Festsetzungsverjährung[4] – das Unterbleiben der Festsetzung zur Voraussetzung hat.[5]

 

Rz. 4

Der mit dem Erlöschen verbundene Wegfall des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis ist grundsätzlich endgültig.[6] Ein einmal erloschener Anspruch kann nicht aus demselben oder einem anderen Grund nochmals erlöschen. Die in § 227 Halbs. 2 AO vorgesehene Erstattung oder Anrechnung bereits entrichteter Beträge in Fällen, in denen die Einziehung unbillig war, knüpft an den mit der Billigkeitsmaßnahme verbundenen Wegfall des rechtlichen Grunds für die Zahlung an und setzt nicht voraus, dass die mit ihr verbundene Tilgungswirkung nachträglich entfällt.

Ein erloschener Anspruch kann jedoch wiederaufleben, wenn ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat[7] oder wenn ein Verwaltungsakt, durch den der Anspruch ganz oder teilweise erlassen wurde, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen wird.[8] Ein Verrechnungsvertrag zur Umbuchung von Vorsteuerüberschüssen aus USt-Voranmeldungen auf Steuerrückstände steht kraft Gesetzes unter der auflösenden Bedingung, dass das verrechnete Guthaben aus der USt-Voranmeldung durch die Festsetzung der Jahressteuerschuld bestätigt wird.[9]

Die Rückgewähr einer anfechtbaren Leistung in die Insolvenzmasse hat nach § 144 Abs. 1 InsO ein Wiederaufleben der Forderung zur Folge.[10] Bei Steuerfälligkeiten, die in die insolvenzreife Zeit fallen, bleibt das Steuerschuldverhältnis daher selbst bei fristgerechter Zahlung wegen der gesetzlich vorgesehenen Anfechtungsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters zunächst in der Schwebe. Die Beendigung des Steuerschuldverhältnisses ist insoweit auflösend bedingt.[11]

 

Rz. 5

Die Wirkung des Erlöschens beschränkt sich grundsätzlich auf den Anspruch, in Bezug auf den der Erlöschensgrund eintritt. Allerdings erlöschen mit dem Eintritt der Zahlungsverjährung nicht nur der davon betroffene Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, sondern auch die von ihm abhängenden Zinsen.[12] Das Erlöschen des Steueranspruchs durch Verjährung oder Erlass steht dem Erlass eines Haftungsbescheids entgegen[13], berührt aber ...

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