1 Allgemeines

 

Rz. 1

Die §§ 402 AO und 403 AO regeln die Rechte und Pflichten sowie die Beteiligung der Finanzbehörde in den Fällen, in denen das Steuerstrafverfahren gem. § 386 Abs. 3 AO durch die Staatsanwaltschaft geführt wird. Während § 402 AO die Rechtsstellung der Finanzbehörde im staatsanwaltschaftlichen Steuerstrafverfahren bestimmt, ergeben sich aus § 403 AO die Beteiligungsrechte im Ermittlungsverfahren. Im gerichtlichen Verfahren richten diese sich nach § 407 AO. Die Beteiligungsrechte sind ab dem Moment zu beachten, in dem die Staatsanwaltschaft das Steuerstrafverfahren einleitet oder ein eingeleitetes Verfahren von der Finanzbehörde übernimmt. Sie enden entweder mit der Rückgabe des Verfahrens an die Finanzbehörde[1] oder mit der Zulassung der öffentlichen Klage[2] bzw. der Entscheidung der Staatsanwaltschaft über einen anderweitigen Verfahrensabschluss. Damit ist diese Vorschrift, anders als § 402 AO[3], auch im Zwischenverfahren[4] anwendbar.[5] Dies kann insbesondere in den Fällen bedeutsam werden, in denen das Gericht die Staatsanwaltschaft nach Anklageerhebung und vor einer Entscheidung über die Eröffnung der Hauptverhandlung zur Vornahme von Nachermittlungen auffordert. Inhaltlich werden die Beteiligungsrechte durch die Zuständigkeit der Finanzbehörde für Steuerstraftaten[6] und diesen gleichgestellte Straftaten[7] begrenzt. Die Finanzbehörde hat kein Recht auf Beteiligung, sofern die Ermittlungen sich auf nicht steuerliche Straftaten beziehen.[8]

 

Rz. 2

Durch § 403 AO wird gewährleistet, dass die steuerliche Fachkunde der Finanzbehörde frühzeitig in das Steuerstrafverfahren einbezogen wird.[9] Da es sich bei § 370 AO um eine Blankettnorm handelt[10], bei der es für die Strafbarkeit entscheidend auf die rechtliche Bewertung des Steuerrechts ankommt, ist der entsprechende Sachverstand von großer Bedeutung. Die Kompetenz für die Beurteilung steuerlicher Fragen liegt primär bei der Finanzverwaltung.

Ob die Finanzbehörde die ihr eingeräumten Beteiligungsrechte wahrnimmt, steht in ihrem Ermessen. Der Beschuldigte hat kein subjektives Recht auf Teilnahme der Finanzbehörde, ebenso wenig die Staatsanwaltschaft.[11] Allerdings hat die Finanzverwaltung ihr Ermessen generell dahin gehend eingegrenzt, dass eine Teilnahme in Fällen von Gewicht oder auf Antrag des Beschuldigten i. d. R. erfolgen soll.[12]

Die gesetzlichen Regelungen bilden nur den formalen Rahmen für die Zusammenarbeit zwischen der Finanzbehörde und der Staatsanwaltschaft. In der Praxis kommt es entscheidend darauf an, wie dieser ausgefüllt und tatsächlich praktiziert wird. Soweit es zu Unstimmigkeiten in der Zusammenarbeit kommt, leidet darunter erfahrungsgemäß die Qualität der Bearbeitung. Um dem vorzubeugen, bieten sich regelmäßige Absprachen und Kontaktgespräche zwischen der Finanzbehörde und der Staatsanwaltschaft an.[13]

 

Rz. 3

Neben der Einbeziehung der Fachkunde in das Strafverfahren ermöglichen die Beteiligungsrechte es der Finanzbehörde, die im Rahmen des Ermittlungsverfahrens erlangten Erkenntnisse für eine zügige und zutreffende Besteuerung nutzbar zu machen.[14] Vereinzelt wird dieser Aspekt der Beteiligung wegen eines Verstoßes gegen das Prinzip der Verfahrenstrennung[15] für abwegig gehalten.[16] Dabei wird allerdings übersehen, dass § 393 Abs. 3 AO die Verwendung rechtmäßig erlangter Erkenntnisse aus dem Strafverfahren im Besteuerungsverfahren ausdrücklich zulässt.[17] Mit Einführung dieser Vorschrift[18] hat der Gesetzgeber die Doppelfunktion der Finanzbehörde als Justiz- und Fiskalbehörde deutlich zum Ausdruck gebracht und an der Verwertbarkeit im Strafverfahren erlangter Erkenntnisse für die Besteuerungsverfahren keine Zweifel gelassen. Neben dem Beteiligungsrecht aus § 403 AO steht der Finanzbehörde ein Akteneinsichtsrecht in die Ermittlungsakten nach § 395 AO zu.[19]

[2] Dem steht die Anberaumung eines Termins zur Hauptverhandlung von Amts wegen nach Erlass eines Strafbefehls gleich, Maur, in KK-StPO, 8. Aufl. 2019, § 411 StPO Rz. 8.
[4] Zwischenverfahren nennt man den Zeitraum zwischen Eingang der Anklageschrift beim Gericht und dessen Beschluss über die Eröffnung bzw. Nichteröffnung der Hauptverhandlung, §§ 199211 StPO.
[5] Tormöhlen, in HHSp, AO/FGO, § 403 AO Rz. 14.
[7] Beispielsweise § 96 Abs. 7 EStG.
[8] Für das Zusammentreffen von steuerlichen und nichtsteuerlichen Straftaten innerhalb einer prozessualen Tat, vgl. Peters, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 386 AO Rz. 89ff.
[9] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 403 AO Rz. 2; Blesinger, in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, 22. Aufl. 2018, § 403 AO Rz. 1.
[10] Rolletschke, Steuerstafrecht, 4. Aufl. 2012, Rz. 14 m. w. N.
[12] Nr. 92 Abs. 2 AStBV (St) 2020.
[14] Seipl, in Gosch, AO/FGO, § 403 AO Rz. 2; Joecks, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 403 AO Rz. 2 unter Hi...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge