Rz. 6

Nach § 160 Abs. 1 StPO hat die Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 S. 2 AO zu ihrer Entschließung darüber, ob die öffentliche Klage zu erheben ist, den Sachverhalt zu erforschen. Hierbei ist sie gem. § 160 Abs. 2 StPO zur Objektivität verpflichtet und hat nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln. Im Rahmen der Ermittlungen hat die Finanzbehörde auch im Steuerstrafverfahren den an der Bedeutung der Sache zu messenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.[1]

Die Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 S. 2 AO hat also die ihr geboten erscheinenden Ermittlungsmaßnahmen durchzuführen Sie kann dies selbst tun, kann sich aber nach § 161 StPO auch für die Durchführung der Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft, vornehmlich der Steuer- bzw. Zollfahndung, und der Polizeiorgane[2] bedienen. Die Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 S. 2 AO ist Herrin des Steuerstrafverfahrens, auch wenn sie sich zur Vornahme von Ermittlungsmaßnahmen fremder Organe bzw. Institutionen bedient.

 

Rz. 6a

Sofern die Finanzbehörde das Verfahren in eigener Zuständigkeit führt, steht ihr die in ihrem Ermessen stehende Möglichkeit zur Erörterung des Verfahrensstands mit den Verfahrensbeteiligten nach § 160b StPO zu.[3] Eine solche Erörterung kann sich insbesondere in den Fällen anbieten, in denen parallel Uneinigkeit über den Steueranspruch und über dessen strafrechtliche Beurteilung besteht.[4] Zu denken ist in erster Linie an Fragen über die konkrete Höhe des strafrechtlich zu begutachtenden Steueranspruchs, wie dies bei Schätzungen regelmäßig der Fall ist. Weniger geeignet ist eine Erörterung, wenn das Ziel eine Einigung im rechtlichen Bereich sein soll. Das Ziel einer Erörterung zwischen Finanzbehörde und dem Beschuldigten kann der Abschluss einer tatsächlichen Verständigung im Besteuerungsverfahren[5] und eine Einigung über die Art des strafrechtlichen Abschlusses sein.

Da die Befugnisse der Finanzbehörde denen der Staatsanwaltschaft gleichgestellt sind, muss auch die Finanzbehörde nach § 160b S. 2 StPO zwingend den wesentlichen Inhalt der Erörterungen aktenkundig machen. Fehler bei dieser Dokumentation können sich in einem späteren gerichtlichen Verfahren auswirken, insbesondere wenn dort Absprachen nach § 257c StPO erwogen werden.[6]

 

Rz. 7

Soweit die Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 S. 2 AO die Vornahme einer richterlichen Untersuchungshandlung für erforderlich hält, steht ihr nach § 162 StPO das Antragsrecht bei Gericht zu.[7] Die für Ermittlungen in Anspruch genommenen Organe und Institutionen, also die Fahndung oder die Polizei, haben kein eigenes Antragsrecht, sondern sie müssen die Entscheidung der Finanzbehörde herbeiführen.[8]

[1] Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl. 2022, § 160 StPO Rz. 21; Tormöhlen, in HHSp, AO/FGO, § 399 AO Rz. 38.
[2] Klein/Jäger, AO, 16. Aufl. 2022, § 399 Rz. 3.
[4] Hendricks/Höpfner, Ubg. 2019, 300
[5] Tatsächliche Verständigung über den der Steuerfestsetzung zugrunde liegenden Sachverhalt, BMF v. 30.7.2008, i. d. F. BMF v. 15.4.2019, BStBl I 2019, 447; Koenig/Hahlweg, AO, 4. Aufl. 2021, § 88 Rz. 47ff.
[6] Weingarten, in KK-StPO, 9. Aufl. 2023, § 160b StPO Rz. 9.
[7] Tormöhlen, in HHSp, AO/FGO, § 399 AO Rz. 21.
[8] Webel, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 404 AO Rz. 80.

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