1 Allgemeines

 

Rz. 1

§ 399 AO bestimmt inhaltlich die durch § 386 Abs. 1 S. 2 AO begründete Rechtsstellung der Finanzbehörde als Strafverfolgungsbehörde im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, sofern die Finanzbehörde die Ermittlungen selbständig führt und nicht an die Staatsanwaltschaft abgegeben hat, bzw. diese das Verfahren evoziert hat.[1]

Die Rechtsstellung der Finanzbehörde im Verfahren der Staatsanwaltschaft wird in den §§ 402f. AO geregelt, die Stellung im gerichtlichen Steuerstrafverfahren wird durch §§ 406, 407 AO bestimmt.

 

Rz. 2

Finanzbehörde i. S. v. § 399 AO ist die Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 S. 2 AO, also ausschließlich das Hauptzollamt, das FA, das Bundeszentralamt für Steuern und die Familienkasse. Nicht dazu gehören im Zweifel die jeweiligen Oberbehörden. Ihnen steht keine Weisungsbefugnis im Einzelfall zu, da es ansonsten zu einer gesetzlich nicht vorgesehenen mittelbaren Zuständigkeit käme.[2]

Die Befugnis zur Erteilung von Weisungen liegt dagegen bei der Staatsanwaltschaft, sofern sie den Fall nach § 386 Abs. 4 S. 2 AO an sich gezogen (evoziert) hat. Allerdings obliegen der Oberbehörde die Personalhoheit und die Dienstaufsicht. In diesem Rahmen ist die Erteilung begrenzter, i. d. R. allgemeiner Weisungen zulässig.[3] Diese unbestimmte Zuständigkeitslage zwischen Oberbehörde und Finanzbehörde führt im Ergebnis zu einer unklaren Abgrenzung der Weisungsbefugnis im Einzelfall.[4]

Die Rechtsstellung und die rechtlichen Befugnisse der Steuer- bzw. Zollfahndung werden nicht durch § 399 AO geregelt, sondern durch §§ 208, 208a und 404 AO, bzw. § 14 SchwarArbG.[5]

 

Rz. 2a

Die Rechtsstellung der Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 S. 2 AO im behördlichen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ist inhaltlich unterschiedlich gestaltet:

  • Zum einen kann die Finanzbehörde beim Verdacht einer Steuerstraftat als Ermittlungsorgan der Staatsanwaltschaft tätig sein, in diesem Fall wird der Inhalt dieser Rechtsstellung durch die allgemeinen strafverfahrensrechtlichen Bestimmungen geregelt, die durch §§ 402, 403 AO modifiziert werden. Die Finanzbehörde hat nur die allgemeine polizeiliche Ermittlungskompetenz.
  • Zum anderen kann der Finanzbehörde nach § 386 Abs. 2–4 AO eine rechtlich selbstständige Ermittlungskompetenz eingeräumt sein, dann wird der Inhalt der Rechtsstellung durch §§ 399–401 AO geregelt.
[2] Webel, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 399 AO Rz. 6.
[3] Tormöhlen, in HHSp, AO/FGO, § 399 AO Rz. 24.
[5] Klein/Jäger, AO, 16. Aufl. 2022, § 399 Rz. 2.

2 Staatsanwaltschaftliche Rechtsstellung der Finanzbehörde – § 399 Abs. 1 AO

2.1 Allgemeines

 

Rz. 3

Die selbstständige Rechtsstellung nach § 399 Abs. 1 AO i. V. m. § 386 AO im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren steht der Organisationseinheit Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 S. 2 AO als solche zu, die durch den Vorsteher der einzelnen Behörde vertreten wird.[1] Die Aufgaben können von jedem Amtsträger dieser Behörde innerhalb seines Aufgabenbereichs wahrgenommen werden.[2] Nicht erforderlich ist, dass der Amtsträger, der die Ermittlungsmaßnahme angeordnet oder beantragt hat, die Befähigung zum Richteramt i. S. d. §§ 57 DRiG besitzt, wie sie für Staatsanwälte nach § 122 Abs. 1 DRiG erforderlich ist.[3]

Allerdings ist in Anlehnung an die Ausbildung der bei der Staatsanwaltschaft beschäftigten Amtsanwälte eine vergleichbare Ausbildung in der Finanzbehörde vorauszusetzen[4], was bei Bediensteten des gehobenen Dienstes regelmäßig der Fall ist.

Die selbstständige Rechtsstellung nach § 399 Abs. 1 AO wird durch § 399 Abs. 2 AO eingeschränkt, wenn eine Zentralisierung der Strafverfolgungsaufgabe auf einzelne Finanzbehörden nach § 387 Abs. 2 AO erfolgt ist.

[1] § 387 AO Rz. 1 zur sachlichen Zuständigkeit; § 388 AO Rz. 1 zur örtlichen Zuständigkeit.
[2] Seipl, in Gosch, AO/FGO, § 399 AO Rz. 8; innerhalb der Finanzbehörde erfolgt i. d. R. eine fachliche Spezialisierung in der sog. Bußgeld- und Strafsachenstelle als unselbstständiger Organisationseinheit; Kemper, in Rolletschke/Kemper, Steuerverfehlungen, § 399 AO Rz. 5.
[3] BVerfG v. 5.5.1994, 2 BvL 52/92, wistra 1994, 263; BVerfG v. 14.3.1996, 2 BvL 19/94, ­wistra 1996, 225.
[4] Tormöhlen, in HHSp, AO/FGO, § 400 AO Rz. 7.

2.2 Einleitung des Ermittlungsverfahrens

 

Rz. 4

Wenn der Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 S. 2 AO im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren die selbstständige Ermittlungskompetenz in Steuerstrafsachen nach § 386 Abs. 24 AO eingeräumt ist, dann nimmt sie nach § 399 Abs. 1 AO die Rechte und Pflichten der Staatsanwaltschaft wahr. Sie bleibt organisatorisch zwar Finanzbehörde, nimmt aber die Aufgaben der Staatsanwaltschaft kraft eigenen Rechts wahr und handelt nicht in Vertretung der Staatsanwaltschaft.[1] Die Staatsanwaltschaft hat gegenüber der Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 S. 2 AO keine Weisungsbefugnisse im Einzelfall.[2] Die Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 S. 2 AO kann unter diesem Gesichtspunkt als Steuerstaatsanwaltschaft bezeichnet werden.[3] Sie ist in diesem Fall Justizbehörde im funkti...

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