Rz. 6

Die Einspruchsbefugnis nach § 350 AO erfordert, dass der Einspruchsführer die Beschwer durch den angefochtenen Verwaltungsakt bzw. dessen Unterlassung geltend macht. Dies ist die ausdrückliche oder konkludente Darlegung der die Beschwer begründenden Umstände.

Diese Darlegung der Beschwer nach § 350 AO ist nicht zu verwechseln mit der Begründung des Einspruchs nach § 357 Abs. 3 S. 3 AO. Zur Begründung des Einspruchs ist der Einspruchsführer nicht verpflichtet[1], da die Finanzbehörde allein aufgrund der zulässigen Einspruchseinlegung zur umfassenden Prüfung der Sach- und Rechtslage verpflichtet ist.[2] Die Darlegung der Beschwer eröffnet für den Einspruchsführer den Weg insofern, als erst der zulässige Einspruch die umfassende Prüfungspflicht auslöst und die Sachentscheidung ermöglicht.[3]

 

Rz. 6a

Für die Prüfung, ob die Beschwer vorliegt, ist ausschließlich die Erklärung oder der Vortrag des Einspruchsführers maßgeblich. Hieraus muss sich die mögliche Beeinträchtigung entnehmen lassen.[4]

Die Erklärung oder den Vortrag des Einspruchsführers hat die Finanzbehörde insofern auf Schlüssigkeit dahin zu überprüfen[5], ob die Verletzung seiner Rechtsstellung nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Ohne Bedeutung ist, ob die Ansicht des Einspruchsführers zutreffend ist oder nicht.[6] Die Erfolgsaussichten des Einspruchs sind für die Annahme der Beschwer unerheblich.[7] Der Einspruch ist nur dann unzulässig, wenn ihm offensichtlich und eindeutig nicht entnommen werden kann, dass der Einspruchsführer durch den angefochtenen Verwaltungsakt bzw. seine Unterlassung in seinen rechtlichen Interessen[8] berührt sein könnte.[9]

 

Rz. 7

Die Darlegungspflicht ist erfüllt, wenn der Einspruchsführer eine Einspruchsbegründung gibt.[10]

 

Rz. 7a

Erfolgt die Einspruchseinlegung ohne Begründung, so wird diese hierdurch nicht unwirksam, da die Finanzbehörde die Sach- und Rechtslage von Amts wegen auf den Einspruch hin vollen Umfangs zu prüfen hat. Diese Regelung entbindet aber nicht von der Pflicht, die Beschwer nach § 350 AO darzulegen. Allerdings ergibt sich durch die Einlegung des Einspruchs, mit dem darin auf Überprüfung des Verwaltungsakts enthaltenen Rechtsschutzgesuch, bereits deren konkludente Darlegung[11] bei der Anfechtung eines den Einspruchsführer belastenden Verwaltungsakts[12], insbesondere wenn dieser Einspruch mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 361 AO verbunden ist.[13] Eine weitergehende Darlegung der Beschwer ist in diesen Fällen entbehrlich.[14]

 

Rz. 8

Nur soweit das Vorliegen einer Beschwer nicht so eindeutig ist, ist die Finanzbehörde zunächst gehalten, einen substantiierten Vortrag des Einspruchsführers zu veranlassen.[15] Erst wenn ein solcher Vortrag auf Hinweis der Finanzbehörde ggf. nach Setzung einer Ausschlussfrist gem. § 364b Abs. 1 Nr. 1 AO unterblieben ist, kommt eine Zurückweisung des Einspruchs in Betracht.

[5] BFH v. 28.10.1987, I R 275/83, BStBl II 1988, 292 m. w. N.; Klein/Rätke, AO, 13. Aufl. 2016, § 350 AO Rz. 3.
[8] S. Rz. 5, 5a.
[9] BFH v. 21.10.1970, I R 81, 82, 92–94/68, BStBl II 1971, 30; BFH v. 18.10.1982, VII R 45/80, BStBl II 1983, 51; BFH v. 8.3.1995, X B 243, 244/94, BStBl II 1995, 417; BFH v. 19.10.2001, V B 54/01, BFH/NV 2002, 370.
[13] FG Nürnberg v. 26.1.1988, I 147/86, n. v.
[14] Hardtke, in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, 21. Aufl. 2015, § 350 AO Rz. 15; Szymczak, in Koch/Scholz, AO, 5. Aufl. 1996, § 350 Rz. 5; Seer, in Tipke/Kruse, AO, § 350 AO Rz. 26.
[15] Klein/Rätke, AO, 13. Aufl. 2016, § 350 Rz. 3.

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