1 Allgemeines

1.1 Inhalt und Bedeutung

 

Rz. 1

§ 277 AO bestimmt, dass bis zur unanfechtbaren Entscheidung über die Beschränkung der Vollstreckung Vollstreckungsmaßnahmen nur soweit durchgeführt werden dürfen, als dies zur Sicherung des Anspruchs erforderlich ist. Damit soll vermieden werden, dass vollstreckungsrechtlich vollendete Tatsachen geschaffen werden, bevor endgültig feststeht, in welchem Umfang die einzelnen Gesamtschuldner für die rückständige Steuer in Anspruch genommen werden können.[1]

[1] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 277 AO Rz. 3.

1.2 Anwendungsbereich

 

Rz. 2

§ 277 AO gilt sowohl für die Aufteilung der veranlagten Steuer als auch für die Aufteilung von Vorauszahlungen und Steuernachforderungen.

Auf Streitigkeiten über die Anwendung des § 278 Abs. 2 AO findet die Vorschrift keine Anwendung. Ist der Aufteilungsbescheid selbst unanfechtbar, gebietet die Vorschrift keine Vollstreckungsbeschränkung für den Zeitraum bis zur unanfechtbaren Entscheidung über die Erweiterung der Haftung nach § 278 Abs. 2 AO.[1]

1.3 Verhältnis zu anderen Vorschriften

 

Rz. 3

§ 277 AO regelt die Vollstreckungsbeschränkung bis zur unanfechtbaren Entscheidung über den Aufteilungsantrag. Danach richtet sich die Vollstreckungsbeschränkung nach § 278 AO.

§ 277 AO stellt eine abschließende Regelung des vorläufigen Rechtsschutzes im Aufteilungsverfahren dar; für eine Anwendung der §§ 361 AO, 69 und 114 FGO ist insoweit kein Raum. Nur wenn sich das FA nicht an die in § 277 AO vorgesehene Vollstreckungsbeschränkung hält, also z. B. irreparable Vollstreckungsmaßnahmen ergreift, ist insoweit – Anfechtung vorausgesetzt – Aussetzung der Vollziehung gegeben.[1]

2 Beschränkung der Vollstreckung auf die zur Sicherung des Steueranspruchs erforderlichen Maßnahmen

2.1 Voraussetzungen und zeitliche Dauer der Beschränkung

 

Rz. 4

§ 277 AO gilt, solange über einen Antrag auf Beschränkung der Vollstreckung nicht unanfechtbar entschieden ist. Unter einem Antrag auf Beschränkung ist ein Aufteilungsantrag i. S. d. § 268 AO zu verstehen.[1]

Dieser entfaltet seine Wirkung, sobald er in der nach § 269 Abs. 1 AO vorgeschriebenen Form bei dem nach dieser Vorschrift zuständigen FA eingegangen ist. Je nachdem, ob der Aufteilungsantrag vor oder nach Einleitung der Vollstreckung gestellt wurde, treten die Wirkungen entweder mit Wirkung für die Zukunft oder rückwirkend auf den Zeitpunkt der Ausfertigung der Rückstandsanzeige ein.[2]

Soweit die Vollstreckungsbeschränkung zurückwirkt, sind bereits ergriffene Vollstreckungsmaßnahmen, die über den Sicherungszweck hinausgehen, auszusetzen bzw. aufzuheben, soweit dies noch möglich ist.[3]

Die Vollstreckungsbeschränkung endet, wenn über den Aufteilungsantrag unanfechtbar entschieden ist. Dies ist der Fall, wenn der Aufteilungsbescheid bekannt gegeben[4] und die Einspruchsfrist ohne Einlegung eines Rechtsbehelfs verstrichen ist oder der Einspruch und ggf. die Klage gegen den Aufteilungsbescheid endgültig erfolglos geblieben sind. Ist der Aufteilungsbescheid nicht mit der in § 279 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 AO vorgeschriebenen Rechtsbehelfsbelehrung versehen worden, endet die Einspruchsfrist erst mit Ablauf eines Jahrs nach Bekanntgabe des Bescheids.[5]

[1] BFH v. 11.3.2004, VII R 15/03, BStBl II 2004, 566; Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 277 AO Rz. 2.
[2] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 277 AO Rz. 7; Zeller-Müller, in Gosch, AO/FGO, § 277 AO Rz. 2.
[3] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 277 AO Rz. 7; Zeller-Müller, in Gosch, AO/FGO, § 277 AO Rz. 3; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 277 AO Rz. 1; Klein/Werth, AO, 17. Aufl. 2023, § 277 Rz. 2; Niedersächsisches FG v. 5.11.2013, 15 K 14/13, EFG 2014, 106, Rz. 39.

2.2 Wirkungen der Beschränkung

 

Rz. 5

Die Beschränkung auf die zur Sicherung des Steueranspruchs erforderlichen Maßnahmen gilt unabhängig von dem voraussichtlichen Aufteilungsergebnis für alle Gesamtschuldner und nicht nur für denjenigen, der den Aufteilungsantrag gestellt hat.[1]

Darüber hinaus gehende Wirkungen hat der Aufteilungsantrag nicht. Insbesondere lässt er die Fälligkeit der Steuer unberührt, sodass jeder Gesamtschuldner zu deren Entrichtung verpflichtet bleibt und bei Nichtzahlung weiter Säumniszuschläge entstehen.[2] Auch bleibt die rückständige Steuer unter Beachtung der Beschränkung auf den Sicherungszweck gegenüber allen Gesamtschuldnern in voller Höhe vollstreckbar, ohne dass das FA ein besonderes Sicherungsbedürfnis nachweisen müsste.[3]

 

Rz. 6

Die vorläufige Vollstreckungsbeschränkung nach § 277 AO bezieht sich allein auf die Art der Vollstreckungsmaßnahmen, nicht hingegen auf deren Umfang. Der zu sichernde Anspruch ist nicht der durch den Aufteilungsbescheid erst noch festzustellende Anteil des jeweiligen Gesamtschuldners, sondern die Gesamtschuld als solche.[4] Damit können grds. gegen jeden der Gesamtschuldner Sicherungsmaßnahmen wegen des Gesamtanspruchs ergriffen werden.[5] Einschränkungen für Vollstreckungsmaßnahmen gegenüber einzelnen Gesamtschuldnern können sich daher allein aus allgemeinen Vollstreckungsgrundsätzen, z. B. unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Übersicherung, ergeben.[6]

 

Rz. 7

Entsprechend der Rechtslage beim dinglichen Arrest[7]...

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