Rz. 106

Befindet sich eine Handelsgesellschaft in Liquidation, so ist der Verwaltungsakt an den Liquidator unter Angabe der Vertretungsverhältnisse bekannt zu geben.[1] Bei mehreren Liquidatoren genügt die Bekanntgabe an einen von ihnen.

Bei GbR und Gemeinschaften richtet sich die Adressierung nach Rz. 64. Für die Bekanntgabe gilt § 34 Abs. 2 AO; da die GbR bzw. die Gemeinschaft keinen Geschäftsführer hat, kann die Bekanntgabe an einen der Gesellschafter erfolgen.[2]

 

Rz. 107

Ist die Liquidation der Gesellschaft bzw. Gemeinschaft beendet, tritt die Vollbeendigung erst ein, wenn alle gemeinsamen Rechtsbeziehungen der in der Gesellschaft bzw. Gemeinschaft Zusammengeschlossenen mit einem Dritten erloschen sind; hierzu gehören auch die Rechtsbeziehungen zwischen Gesellschaft bzw. Gemeinschaft einerseits und der Finanzbehörde andererseits.[3] Solche Beziehungen können auch in einem Rechtsbehelfs- oder Gerichtsverfahren bestehen[4], in der Absicht der Finanzverwaltung, eine Außenprüfung bei der Gesellschaft durchzuführen[5], oder in der Möglichkeit, dass noch Steuererstattungsansprüche bestehen können.[6]

 

Rz. 108

Solange die steuerlichen Beziehungen noch nicht vollständig abgewickelt sind, ist trotz Beendigung der Liquidation noch keine Vollbeendigung der Gesellschaft bzw. Gemeinschaft eingetreten, sodass noch Verwaltungsakte gegen die formal aufgelöste Gesellschaft bzw. Gemeinschaft gerichtet (adressiert) werden können. Die Bekanntgabe hat an jeden einzelnen Gesellschafter bzw. Gemeinschafter zu erfolgen; an die Gesellschaft bzw. Gemeinschaft kann nicht mehr rechtswirksam bekannt gegeben werden. Das gilt auch bei einer GmbH & Co. KG, bei der die Komplementär-GmbH bereits erloschen ist; hier hat die Bekanntgabe an die Kommanditisten zu erfolgen.[7]

Im Ergebnis ist die Liquidation daher (steuerlich) noch nicht beendet, solange die Notwendigkeit besteht, Verwaltungsakte bekannt zu geben; die Vollbeendigung tritt ein, wenn kein sinnvolles Bedürfnis hierfür mehr besteht.

 

Rz. 109

Allein das Bestehen von Schulden, also auch von Steuerschulden, hindert die Vollbeendigung einer Gesellschaft nicht, wenn kein weiteres Vermögen mehr vorhanden ist; sinnvolle Abwicklungshandlungen sind dann nicht mehr möglich.[8] Auch die Möglichkeit allein, dass noch ein Haftungsbescheid über Verbindlichkeiten der Personengesellschaft an einen Gesellschafter ergehen soll, hindert die Vollbeendigung der Personengesellschaft nicht; für die Inanspruchnahme von Haftenden ist der vorherige Erlass eines Steuerbescheids nicht erforderlich.[9] Dagegen ist noch keine Vollbeendigung eingetreten, wenn der Haftungsbescheid gegen die Personengesellschaft selbst ergehen soll.[10]

Besteht die Personengesellschaft danach nicht mehr, sind Ansprüche durch Haftungsbescheid gegen die haftenden Gesellschafter geltend zu machen.[11]

 

Rz. 110

Nach Vollbeendigung an die Gesellschaft bzw. Gemeinschaft adressierte Bescheide über Betriebssteuern sind unwirksam, da das Steuersubjekt nicht mehr besteht.[12] Entsprechendes gilt, wenn die Gesellschaft ohne Liquidation beendet wird, etwa wenn ein Gesellschafter das Unternehmen als Einzelunternehmen fortführt[13], oder die Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt wird.[14] Feststellungsbescheide sind dann an die Gesellschafter zu adressieren; dazu genügt es, wenn die Gesellschafter im Bescheid genau bezeichnet sind, auch wenn im Anschriftenfeld noch die erloschene Personengesellschaft aufgeführt ist.[15] Eine Prüfungsanordnung ist bei einer typischen oder atypischen Gesellschaft an den (früheren) Tätigen zu richten, da er auch während des Bestehens der stillen Gesellschaft "geprüfter Stpfl." war.[16]

Ist der Rechtsnachfolger der (erloschenen) Gesellschaft als Empfangsbevollmächtigter angegeben, kann dies nicht dahin umgedeutet bzw. in der Einspruchsentscheidung "klargestellt" werden, dass er der Adressat sein soll. Die Adressierung entzieht sich einer solchen "Klarstellung".[17]

Ist dagegen eine OHG in eine KG formwechselnd umgewandelt worden (oder umgekehrt), berührt dies die Identität der Gesellschaft nicht. Wird die Gesellschaft daher in einem Bescheid noch als OHG bezeichnet, schadet diese falsche Bezeichnung nicht, sie kann richtiggestellt werden.[18]

 

Rz. 111

Zur Bekanntgabe von Bescheiden, die sich nicht gegen die Gesellschaft richten, z. B. Gewinnfeststellungsbescheide, vgl. Rz. 113.

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