Rz. 32

Um nach § 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB verjährungsunterbrechende Wirkung zu entfalten, bedarf es einer ordnungsgemäßen Einleitung des Strafverfahrens. Sie erstreckt sich nur auf die Steuerart und den Besteuerungszeitraum, für die die Einleitung erfolgt ist. Die verjährungsunterbrechende Maßnahme bezieht sich aber bei der Einkommensteuerhinterziehung auf die Steuererklärung insgesamt und nicht auf einzelne Einkunftsarten.[1]

 

Rz. 33

Wenn die Finanzbehörde in einem Strafverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ermittelt, ist streitig, ob Maßnahmen der Finanzbehörde i. S. v. § 78c StGB, die Verfolgungsverjährung auch für ein Allgemeindelikt, das mit der Hinterziehung eine Tat im prozessualen Sinne bildet, unterbricht. Für eine umfassende verjährungsunterbrechende Wirkung spricht, dass § 386 AO nicht die Ermittlungsbefugnisse der Finanzbehörden regelt, sondern die Frage, ob die StA oder die Finanzbehörde das Verfahren durchzuführen hat.[2] Vorsorglich sollte in der Praxis ein solches Ermittlungsverfahren (z. B. wegen der Vorwürfe der Urkundenfälschung und der Steuerhinterziehung) frühzeitig der Staatsanwaltschaft vorgelegt werden, damit diese (unstreitig) verjährungsunterbrechende Maßnahmen anordnen kann (z. B. Anordnung des rechtlichen Gehörs).[3]

 

Rz. 34

Beauftragt die Staatsanwaltschaft die Finanzbehörde i. S. v. § 386 AO bzw. die Steuer- oder Zollfahndung[4] mit der Vernehmung des Beschuldigten, so unterbricht dies die Strafverfolgungsverjährung, egal, ob die Anordnung notwendig oder zweckmäßig war, sofern dies auch der Verfahrensförderung und nicht ausschließlich dem Zweck diente, die Verjährung zu unterbrechen.[5]

 

Rz. 35

Notwendig für die Anordnung der Bekanntgabe ist, dass das Ermittlungsorgan den Willen äußert, dem Betroffenen die Einleitung mitzuteilen. Dazu genügt die Verfügung des Sachbearbeiters in den Akten, dem Betroffenen den Anhörungsbogen zu übersenden[6], ebenso, wie es ausreicht, dass der Sachbearbeiter die Erstellung und Versendung des Anhörungsbogens durch individuellen elektronischen Befehl veranlasst, wenn sich Sachbearbeiter und Zeitpunkt des Vorgangs sicher feststellen lassen.[7]

 

Rz. 36

Bei mehreren Maßnahmen i. S. der Nr. 1 wird die Verjährung nur einmal unterbrochen, denn diese bilden eine Einheit.[8]

[2] Str., so: BGH v. 24.10.1989, 5 StR 238 - 239/89, BGHSt 36, 283; OLG Braunschweig v. 24.11.1997, Ss [S] 70/97, wistra 1998, 71, Rolletschke, Stbg 2006, 379, 381; krit. Bender, wistra 1998, 93 zur Konstellation der Tateinheit; OLG Braunschweig v. 24.11.1997, Ss [S] 70/97 zur Konstellation der einheitlichen prozessualen Tat nach § 264 Abs. 1 StPO; für eine Verjährungsunterbrechung bei Tateinheit Ebner, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 376 AO Rz. 68; für eine umfassende Verjährungsunterbrechung Randt, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 386 AO Rz. 27; gegen eine Verjährungsunterbrechung z. B. Bosch, in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 78c StGB Rz. 23; Fischer, StGB, 70. Aufl. 2023, § 78c StGB Rz. 6a; Reiche, wistra 1988, 329; Reiche, wistra 1990, 90; BGH v. 12.3.1968, 5 StR 115/68, NJW 1968, 901 zur umfassenden Verjährungsunterbrechung, wenn die Strafverfolgung gem. § 154a StPO beschränkt wurde; und Dallmeyer, in BeckOK-StGB, § 78c Rz. 7.
[3] So auch Hüttemann, in Adick/Bülte, Fiskalstrafrecht, 2. Aufl. 2019, Rz. 89 zur Einleitungsbefugnis beim Anfangsverdacht eines Steuerdelikts.
[5] BGH v. 14.8.1985, 5 StR 263/85, wistra 1986, 24; Wenzler, in Flore/Tsambikakis, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2016, § 78c StGB Rz. 3; Ebner, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 376 AO Rz. 72.
[6] BGH v. 24.8.1972, 4 StR 292/72, BGHSt 25, 6.
[7] BGH v. 22.5.2006, 5 StR 578/05, NJW 2006, 2338, 2339; Wenzler, in Flore/Tsambikakis, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2016, § 376 AO Rz. 14.
[8] BGH v. 7.8.2014, 1 StR 198/14, wistra 2015, 17; BGH v. 19.6.2008, 3 StR 545/07, NStZ 2009, 205; Wenzler, in Flore/Tsambikakis, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2016, § 78c StGB Rz. 12; Fischer, StGB, 70. Aufl. 2023, § 78c StGB Rz. 11.

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