Entscheidungsstichwort (Thema)

Milcherzeugereigenschaft bei Verpachtung der Produktionseinheit. Zuständigkeit des HZA für die Erhebung einer Abgabe bei Überlieferung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Verpachtet ein Milcherzeuger 180 Kühe an einen rd. 500 km entfernt ansässigen Pächter, ohne dass der Pächter die Dispositionsbefugnis über die gepachtete Produktionseinheit innehat und die fachliche Verantwortung für die Bewirtschaftung sowie das unternehmerische Risiko trägt, verbleibt die Milcherzeugereinschaft i.S. des Art. 9 Buchst. c VO (EWG) Nr. 3950/92 beim Verpächter, so dass die im Namen des Pächters gelieferte Milchmenge dem Verpächter zuzurechnen ist.

2. Die Eigenschaft als Milcherzeuger kann nicht vertraglich aufgegeben werden, sondern richtet sich nach der Erfüllung der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen.

3. Für den Fall, dass die Molkerei die Abgabenpflicht des Milcherzeugers nicht erkennt und diese sich erst im Rahmen einer Marktordnungsprüfung lange nach Ablauf des Zwölfmonatszeitraumes und des Zeitpunktes nach § 19 Abs. 3 ZAV herausstellt, ist die Erhebung der Abgabe durch das HZA nicht zu beanstanden, da dann unmittelbar die Erkenntnisse aus der Marktordnungsprüfung –ohne Umweg über die Molkerei– bei der Festsetzung berücksichtigt werden können, so dass hierdurch die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechtes hergestellt werden kann.

4. Ein Milcherzeuger hat keinen eigenen Anspruch auf Saldierung mit nicht genutzten Milchreferenzmengen.

 

Normenkette

EWGV 3950/92 Art. 9 Buchst. c, Art. 2 Abs. 2; Verordnung zur Durchführung der Zusatzabgabenregelung (ZAV) § 4; Verordnung zur Durchführung der Zusatzabgabenregelung (ZAV) § 3; Verordnung zur Durchführung der Zusatzabgabenregelung (ZAV) § 19

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 21.04.2009; Aktenzeichen VII B 74/08)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreites.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung eines Abgabenbetrages in Höhe von 89.483,32 EUR nach § 4 i. V. m. § 19 der Verordnung zur Durchführung der Zusatzabgabenregelung (ZAV). Streitig ist insbesondere, ob die Klägerin trotz der Verpachtung von Milchkühen Milcherzeugerin im Sinne des Art. 9 Buchstabe c) der VO (EWG) Nr. 3950/92 für eine im Pachtzeitraum gelieferte Milchmenge von 252.892 kg mit einem Durchschnittsfettgehalt von 4,19 % gewesen ist.

Im Rahmen der bei der Klägerin ab 14.09.2004 durchgeführten Marktordnungsprüfung wurde festgestellt, dass die Klägerin im Zwölfmonatszeitraum (ZMZ) 2003/2004 (= 01.04.2003 bis 31.03.2004) als – nach ihrem Vorbringen – „Verpächterin” von Milchkühen insgesamt drei Verträge mit der Fa. S. mbH, …, als Pächter abgeschlossen hatte. Die Entfernung zwischen Klägerin und Pächterin beträgt rd. 500 Kilometer.

Im einzelnen wurden folgende drei Verträge zwischen der Klägerin und der S. … mbH geschlossen:

Mit dem „Pachtvertrag über Milchkühe” vom 15.12.2003 (Blatt 84 f. der Behördenakte) hatte die Klägerin für die Zeit vom 15.12.2003 bis 15.02.2004 ihre näher bezeichneten 180 Milchkühe („monatlich pro Kuh netto 50 Euro”) an die S. mbH verpachtet. Der Pachtpreis für die Pachtzeit betrug incl. Umsatzsteuer insgesamt 19.260 EUR.

Mit dem „Nutzungsvertrag für Rindviehgebäude einschl. Güllebehälter” vom 15.12.2003 (Blatt 86 f. der Behördenakte) wurde ein „Milchviehstall mit 180 Plätzen” ohne Angabe eines Pachtzeitraumes zu 2000 EUR „für die vereinbarte Pachtzeit” überlassen.

Mit dem weiteren – dritten – Vertrag vom 15.12.2003 (Blatt 88 f. der Behördenakte) beauftragte die S. mbH die Klägerin „mit der Betreuung der Milchkühe”. Als „Betreuungsentgelt” sollte die Klägerin „einen Stundenlohn von 8,– Euro” erhalten. Die Klägerin sicherte der S. mbH unter Ziffer 6. dieses Vertrags zu, „Rechnungen für Produktionsmittel (Silagen u. a.) maximal in der Höhe auszustellen, dass am Ende der Geschäftsbeziehung ein Guthaben in Höhe von 3 Cent/kg gelieferte Milch verbleibt”. Auf die vorbezeichneten drei Verträge wird Bezug genommen.

Insgesamt erfolgten aus dem Stall der Klägerin im Pachtzeitraum folgende Milchlieferungen an die Molkerei M.:

Monat

Auf Rechnung der Klägerin („Verpächterin”)

Auf Rechnung der S mbH

Summe (kg Milch)

November 2003

114.659

0

114.659

Dezember 2003

55.073

68.361

123.434

Januar 2004

0

124.412

124.412

Februar 2004

55.157

60.119

115.276

März 2004

121.787

0

121.787

Die Klägerin lieferte bis zum 15.12.2003 auf eigene Rechnung Milch bei der Molkerei an, danach erfolgten die Lieferungen bis einschließlich 15.02.2004 auf Rechnung der Pächterin. Ab dem 16.02.2004 lieferte die Klägerin wieder auf eigene Rechnung. Die Kühe verblieben im Stall der Klägerin und wurden durch Arbeitskräfte der Klägerin betreut. Die erzeugte Milch wurde im Pachtzeitraum an den bisherigen Abnehmer der Klägerin – die Molkerei M. – geliefert. Die Milchmengen wurden im Pachtzeitraum auf Rechnung der Pächterin erfasst. Die Milchleistung der Klägerin war im ZMZ 2003/2004 so hoch, dass die „Auslastung” ihrer Anlieferungs-Referenzmenge auch ohne die streitbehaftet...

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