Rz. 9

Nach § 251 S. 1 BewG darf der für ein bebautes Grundstück anzusetzende Wert nicht geringer als 75 % des Werts sein, mit dem der Grund und Boden gem. § 247 BewG allein als unbebautes Grundstück zu bewerten wäre.

Mit dieser Mindestwertregelung wollte der Gesetzgeber in Anlehnung an § 77 BewG zur Einheitsbewertung auch bei der Grundsteuerbewertung gewährleisten, dass der im typisierten Ertragswertverfahren nach den §§ 252ff. BewG oder im typisierten Sachwertverfahren nach den §§ 258ff. BewG für ein bebautes Grundstück ermittelte Wert einen bestimmten Wertekorridor, mit dem der Grund und Boden allein als unbebautes Grundstück zu bewerten wäre, nicht unterschreitet. Es entspricht den Gepflogenheiten des Grundstücksverkehrs, dass der Käufer eines bebauten Grundstücks zumindest denjenigen Preis zahlen wird, der dem gemeinen Wert des unbebauten Grund und Bodens abzüglich etwaiger Freilegungskosten entspricht.[1]

Im Ergebnis soll der Mindestwert nach § 251 BewG sicherstellen, dass die in den Verfahren zur Bewertung von bebauten Grundstücken aus Vereinfachungs- und Automationsgründen vorgenommenen Typisierungen nicht zu einem zu niedrigen Grundsteuerwert führen.

Im typisierten Ertragswertverfahren nach den §§ 252ff. kann sich insbesondere infolge der jeweils über die Restnutzungsdauer der Gebäude erfolgenden Kapitalisierung der durchschnittlichen Nettokaltmieten und Abzinsung des Bodenwerts ein Wert ergeben, der deutlich unter dem Wert des – fiktiv – unbebauten Grund und Bodens liegt. Vor allem in sehr teuren Innenstadtlagen der Großstädte können die für Wohngrundstücke im typisierten Ertragswertverfahren herangezogenen durchschnittlichen Nettokaltmieten aus statistischen Grundlagen erheblich unter der marktüblichen Bodenwertverzinsung liegen. Da der Bodenwertanteil in hochpreisigen Innenstadtlagen von Großstädten häufig über 80 % des Verkehrswerts des bebauten Grundstücks beträgt, trägt die Mindestwertregelung gerade in diesen Fällen maßgeblich zu einer relations- und realitätsgerechten Bewertung bei.[2] Die klassischen Wertermittlungsverfahren stoßen in den Grundstücksteilmärkten mit sehr hohen Bodenpreisen und einer starken Bodenpreisdynamik nahezu an ihre Grenzen.

Im typisierten Sachwertverfahren nach den §§ 258ff. BewG kann sich insbesondere bei hohen Bodenwerten und geringen Gebäudesachwerten infolge der Wertzahl (< 1,0) nach § 260 BewG i. V. m. der Anlage 43 zum BewG ein Unterschreiten des Mindestwerts ergeben.

 

Rz. 10

Mit dem pauschalen Abschlag von 25 % vom Wert des – fiktiv – unbebauten Grundstücks sollen insbesondere die üblichen Freilegungskosten in sog. Liquidationsfällen berücksichtigt werden.[3]

Liquidationsobjekte sind gem. § 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 ImmoWertV bauliche Anlagen, die wirtschaftlich nicht mehr nutzbar sind.[4] Bei Anwendung des – vereinfachten – Ertragswertverfahrens kann sich ein Hinweis auf ein Liquidationsobjekt ergeben, wenn der nicht abgezinste Bodenwert ohne Berücksichtigung der Freilegungskosten den – vorläufigen – Ertragswert erreicht oder übersteigt.[5]

Unter die Freilegungskosten bzw. die Kosten der Freimachung[6] sind insbesondere die Abbruch- bzw. Abrisskosten einschließlich der damit einhergehenden Nebenkosten (u. a. Genehmigungskosten, Kosten für die Bauleitung und Baustrom, Kosten zur Umverlegung von Leitungen und Kabeln, zur Entsorgung von Sperr- und Sondermüll, zur Entleerung und Entgasung von Öltanks) zu subsumieren.[7] Eventuell anfallende Verwertungserlöse für abgängige Baumaterialien sind gegenzurechnen.[8]

Die Berücksichtigung der Kosten für eine anstehende Freilegung/Liquidation (Abriss von baulichen Anlagen) hängt im Bereich der Verkehrswertermittlung, insbesondere vom Zeitpunkt der zu erwartenden Freilegung ab. Ist mit einer alsbaldigen Freilegung zu rechnen, werden die Freilegungskosten i. S. d. § 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 ImmoWertV als besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale bei der Ermittlung des Verfahrenswerts in marktkonformer Höhe berücksichtigt. Bei aufgeschobener Freilegung ist bereits bei der Bodenwertermittlung von einem nutzungsabhängigen Bodenwert auszugehen (§§ 40 Abs. 5 Nr. 3, 43 ImmoWertV).

Ob und inwieweit die Freilegungskosten im Rahmen der Verkehrswertermittlung auf der Grundlage des Baugesetzbuchs als besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale nach dem vorläufigen Verfahrenswert oder innerhalb der Bodenwertermittlung vor dem vorläufigen Verfahrenswert berücksichtigt werden, ist für die Grundsteuerbewertung nicht relevant. Bei der Grundsteuerbewertung werden mit dem pauschalen Abschlag von 25 % vom Wert des – fiktiv – unbebauten Grundstücks die üblichen Freilegungskosten in typisierender Art und Weise berücksichtigt. Eine Berücksichtigung von tatsächlich angefallenen Freilegungskosten kommt nicht in Betracht.[9]

 

Rz. 11

Ist der im Ertragswertverfahren (§§ 252257 BewG) oder Sachwertverfahren (§§ 258260 BewG) für das bebaute Grundstück ermittelte Wert geringer als 75 % des Werts des – fiktiv – unbebauten Grundstücks nach § 247 BewG ist der Mindestwe...

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