Leitsatz (amtlich)

1. Der Trennungswille eines Ehegatten ist jedenfalls mit dem Zugang des Verfahrenskostenhilfeantrages für ein beabsichtigtes Scheidungsverfahren auch für den anderen Ehegatten erkennbar (hier: Trennung während der Inhaftierung eines Ehegatten).

2. Die vom Ehepartner mitgetragene Erwerbslosigkeit rechtfertigt regelmäßig weder die Beschränkung noch den Wegfall des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG.

 

Normenkette

BGB § 1565 Abs. 2; VersAusglG § 27

 

Verfahrensgang

AG Ludwigshafen (Aktenzeichen 5c F 416/19)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners und die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Ludwigshafen am Rhein vom 3. September 2020 werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

4. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 4.165,20 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten schlossen am 16. Mai 2002 die Ehe. Der Antragsgegner, der nach bereits mehrfacher Straffälligkeit mittlerweile u. A. wegen Diebstahls und Fahrens ohne Fahrerlaubnis seit Mai 2019 in der JVA ... inhaftiert ist, besaß bei Eheschließung keine abgeschlossene Ausbildung und hat während der Ehe nie einen festen Beruf ausgeübt, sondern lediglich über kurze Zeiträume (insgesamt 33 Monate) Hilfstätigkeiten ausgeführt. Er ist seit Jahren drogenabhängig und befand sich häufig über längere Zeiträume in Entzugskliniken und Therapien. Die Antragstellerin war bis zu einer nun vorliegenden Erkrankung durchgehend voll berufstätig. Sie zahlt für den Antragsgegner Geldstrafen ab und wurde wegen Benutzung ihres PKWs durch den Antragsgegner, der nicht über eine Fahrerlaubnis verfügt, selbst strafrechtlich belangt. Mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2019 hat die Antragstellerin die Scheidung beantragt. Der Scheidungsantrag wurde dem Antragsgegner am 14. Februar 2020 in der JVA zugestellt.

Die Antragstellerin geht von einer Trennung im Frühjahr 2018 und aus und behauptet, die Trennungsabsicht auch dem Antragsgegner mitgeteilt zu haben. Sie sei damals aus der Ehewohnung ausgezogen und habe bei ihrer Tochter gelebt. In die gemeinsame Wohnung sei sie danach nur während wiederholter stationärer Aufenthalte des Antragsgegners in verschiedenen Entzugseinrichtungen zurückgekehrt. Anlässlich eines Vorfalls am 5. Dezember 2018 habe sie dem Antragsgegner klar gemacht, dass sie sich endgültig trenne. Sie hält die Ehe für gescheitert.

Die Antragstellerin hat beantragt, die Ehe zu scheiden und den Versorgungsausgleich auszuschließen. Die Ehe sei gescheitert, die Durchführung des Versorgungsausgleichs sei grob unbillig. Der Antragsgegner sei während der Ehe inhaftiert worden und habe Straftaten verübt. Zudem sei sie aufgrund ihrer Erkrankung und dem Bezug von Erwerbsunfähigkeitsrente nicht mehr in der Lage, Verluste bei den Versorgungsanwartschaften zu kompensieren, während dies dem wesentlich jüngeren Antragsgegner noch möglich sei. Auch sei sie ständigen Einschüchterungen, Drohungen und Handgreiflichkeiten durch den Antragsgegner und strafrechtlicher Verfolgung wegen Handlungen des Antragsgegners ausgesetzt gewesen und habe für ihn Geldstrafen bezahlen müssen.

Der Antragsgegner ist dem Begehren entgegengetreten.

Die Ehe sei nicht gescheitert. Die Antragstellerin habe ihm niemals deutlich zu verstehen gegeben, dass sie nicht mehr mit ihm leben wolle. Sie habe ihn bereits zweimal in der Haft besucht und ihn finanziell unterstützt. Es habe kurz vor der Inhaftierung im Jahr 2019 auch noch intimen Kontakt gegeben. Er wünsche, dass die Ehe nach seiner Entlassung fortgesetzt werde.

Das Familiengericht, auf dessen Entscheidung zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstands erster Instanz sowie wegen der Gründe Bezug genommen wird, hat die Ehe geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt.

Die Lebensgemeinschaft bestehe seit mehr als einem Jahr nicht mehr; die Antragstellerin wolle an der Ehe erkennbar nicht mehr festhalten.

Der Versorgungsausgleich sei von Amts wegen durchzuführen, weil die Voraussetzungen des § 27 VersAusglG nicht gegeben seien. Die von den Beteiligten gelebte und von der Antragstellerin akzeptierte Aufgaben- und Lastenteilung habe die Verteilung der Versorgungsanwartschaften geprägt und begründe keine grobe Unbilligkeit. Die Haftstrafe habe sich nicht über einen längeren Zeitraum der Ehezeit erstreckt. Die vom Antragsgegner begangenen Straftaten seien ebenfalls nicht erheblich genug, um den Ausschluss des Versorgungsausgleichs zu rechtfertigen.

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsgegner gegen die Feststellungen zum Vorliegen der Voraussetzungen für die Scheidung, insbesondere zum Ablauf des Trennungsjahres.

Die Antragstellerin verfolgt mit ihrer Anschlussbeschwerde ihr Begehren auf Ausschluss des Versorgungsausgleichs weiter.

II. 1. Die verfahrensrechtlich unbedenkliche, insbesondere nach §§ 58 Abs. 1, 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 117 Abs. 1 FamFG form- und fris...

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