Entscheidungsstichwort (Thema)

Familienunterhalt: Umfang und Höhe des Anspruchs gegen den in einem Pflegeheim untergebrachten Ehegatten bei beiderseitigem Bezug von Sozialleistungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die bloße Aufnahme eines Ehegatten in ein Pflegeheim führt allein noch nicht zu einer Trennung i.S.d. § 1567 BGB, so dass sich Unterhaltsansprüche - nach wie vor - aus § 1360 BGB ergeben und nicht nach § 1361 BGB richten; die Bedarfsgemeinschaft i.S.v. § 19 SGB XII besteht fort.

2. Zum Umfang und der Höhe des Unterhaltsanspruchs des in der Ehewohnung verbliebenen gegen den in einem Pflegeheim untergebrachten Ehegatten, wenn beide zusätzlich zu ihren Einkünften (Renten) auf Sozialleistungen angewiesen sind.

3. Die Frage, inwieweit zugunsten eines der Ehegatten ein Selbstbehalt bei der Aufteilung der Einkünfte auf beide Ehegatten zu berücksichtigen sein kann, ist nicht unumstritten; im Rahmen der Prüfung der Erfolgsaussicht für die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe kann diese Frage im Hinblick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung jedenfalls nicht zu Lasten des antragstellenden Beteiligten bejaht werden.

 

Normenkette

BGB §§ 1360, 1360a, 1567; SGB XII § 19

 

Verfahrensgang

AG Siegburg (Beschluss vom 25.01.2010; Aktenzeichen 315 F 94/09)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 3.2.2010 wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - der Beschluss des AG - Familiengericht - Siegburg vom 25.1.2010 teilweise geändert. Ihr wird ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin K. aus B. bewilligt, soweit mit der beabsichtigten Klage ein Unterhaltsanspruch i.H.v. 416 EUR monatlich ab Rechtshängigkeit geltend gemacht werden soll.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig und teilweise begründet.

Der beabsichtigten Klage kann in dem aus dem Tenor des Beschlusses ersichtlichen Umfang eine hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht abgesprochen werden. Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner einen Anspruch auf Familienunterhalt gem. §§ 1360, 1360a BGB. Denn der Umstand, dass ein Ehegatte in einem Pflegeheim aufgenommen wird, führt noch nicht zu einer Trennung i.S.d. § 1567 BGB, so dass ein Unterhaltsanspruch nach § 1361 BGB nicht in Betracht kommt (OLG Nürnberg, FamRZ 2008, 788 f. = juris Rz. 11; Staudinger/Voppel, Neubearbeitung 2007, § 1360 BGB Rz. 12; MünchKomm/BGB/Weber-Monecke, 5. Aufl. 2010, § 1360 BGB Rz. 2; Wendl/Staudigl/Scholz, Unterhaltsrecht, 7. Aufl., § 3 Rz. 5, 34). Auch nur ansatzweise nachvollziehbare Gründe, weshalb die Parteien gleichwohl getrennt leben sollen, lassen sich den vorgelegten Schreiben und Bescheiden des Sozialamts der Stadt Bochum nicht entnehmen. Die dort vorgenommene abweichende Beurteilung hat zudem für die von den Familiengerichten zu treffenden unterhaltsrechtlichen Entscheidungen keinerlei Bindungswirkung.

Nach der Rspr. des BVerfG (BVerfGE 66, 84 ff. = NJW 1984, 1523, 1525 = FamRZ 1984, 346, 350) und des BGH (NJW 2006, 2402, 2407 = FamRZ 2006, 1010, 1014) kann der Verpflichtete im Verhältnis zu seinem Partner seinen Beitrag zum Familienunterhalt nicht unter Hinweis darauf verweigern, er sei ohne Gefährdung seines Eigenbedarfs zur Unterhaltsleistung nicht in der Lage. Nach dieser Auffassung, die auch in der Literatur Zustimmung erfährt (Weber-Monecke, a.a.O., Rz. 5; Heiß/Born, Unterhaltsrecht, Kap. 11 Rz. 6; Eschenbruch in Unter-haltsprozess, 5. Aufl., Kap 1 Rz. 60; Massfeller/Böhmer/Coester, Familienrecht, § 1360 BGB Rz. 4: "... haben die Eheleute miteinander alles gemeinsam zu verbrauchen und evtl. gemeinsam Sozialhilfe zu beantragen"), kann der Antragsgegner sich nicht mit Erfolg darauf berufen, er benötige die von ihm bezogenen Renten, um seinen eigenen Bedarf zu decken und sei damit nicht in der Lage, der Antragstellerin Familienunterhalt zu gewähren. Im Hinblick auf diese höchstrichterliche Rechtsprechung kann der Antragstellerin nicht auf Grund der Erwägungen im angefochtenen Beschluss die Prozesskostenhilfe verweigert werden.

Aber auch wenn von dieser für die Antragstellerin günstigen Rechtsauffassung ausgegangen wird, hat die beabsichtigte Klage nur zum Teil Aussicht auf Erfolg. Die Antragstellerin kann nämlich keinesfalls von dem Gesamtrenteneinkommen der Parteien von knapp 982 EUR einen Anteil von 689 EUR für sich beanspruchen, wie sie es ausweislich der Berechnung im Schriftsatz vom 3.12.2009 (GA 40/1) tut, mit der Folge, dass sich der Antragsgegner mit einem Rest von nur knapp 293 EUR begnügen muss. Für eine derartige Bevorzugung der Antragstellerin ggü. dem Antragsgegner gibt es nicht die geringste Rechtfertigung, zumal der Bedarf des Antragsgegners im Hinblick auf die Kosten der Heimunterbringung höher zu veranschlagen ist als der der Antragstellerin. Bei der günstigsten für die Antragstellerin möglichen Betrachtungsweise kann ihr als Anspruch gegen den Antragsgegner nur die Hälfte des Gesamteinkommens unter Anrechnung des darin enthaltenen eigenen Einkommens zugeteilt werden (vgl. Weber-Monecke,...

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