Leitsatz (amtlich)

Für ein Insolvenzverfahren über das Vermögen einer GmbH ist gem. § 3 Abs. 1 S. 1, 4 InsO i.V.m. § 17 Abs. 1 ZPO das Amtsgericht zuständig, an die GmbH beim Eingang des Insolvenzantrages ihren satzungsmäßigen Sitz hat. Eine spätere - satzungsmäßige - Sitzverlegung ändert an der bereits begründeten Zuständigkeit nichts (§ 4 InsO i.V.m. § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO). Der Anwendungsbereich der Vorschrift des § 3 Abs. 1 S. 2 InsO ist nicht eröffnet, wenn nicht feststellbar ist, dass die GmbH beim Eingang des Insolvenzantrages überhaupt noch wirtschaftlich aktiv ist. Wird dies von einem das Insolvenzverfahren verweisenden Amtsgericht ohne tragfähige Grundlage angenommen, kann der Verweisungsbeschluss unverbindlich sein.

 

Normenkette

InsO § 3 Abs. 1, § 4; ZPO § 17 Abs. 1, § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 261 Abs. 3 Nr. 2

 

Verfahrensgang

AG Essen (Aktenzeichen 166 IN 95/18)

 

Tenor

Örtlich zuständig ist das Amtsgericht Essen.

 

Gründe

I. Das Verfahren liegt dem Senat zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vor.

Dem Verfahren liegt - soweit für das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren von Belang - im Kern folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit Schriftsatz vom 02.07.2018, eingegangen am 10.07.2018 beantragte die Antragstellerin bei dem Amtsgericht Essen - Insolvenzgericht - die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragsgegnerin. Der Handelsregisterauszug vom 11.07.2018 (HRB X AG Essen, Bl. 24 d.A.) wies als Sitz Essen, als Geschäftsanschrift "...", und als Geschäftsführer "T, K, F, *", aus. Die Anhörungsverfügung des Amtsgerichts Essen vom 12.07.2018 konnte der Antragsgegnerin unter der Anschrift ihres Geschäftsführers () am 18.07.2018 zugestellt werden (Bl. 34 d.A.).

Mit Beschluss des Amtsgerichts Essen vom 22.08.2018 (Bl. 35 d.A.) ist in dem Insolvenzeröffnungsverfahren zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 5 InsO) die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens angeordnet und mit der Erstattung des Gutachtens Rechtsanwalt I C aus F beauftragt worden. Nachdem mehrere Besprechungstermine des Sachverständigen mit dem Geschäftsführer der Antragsgegnerin unter Verweis auf dessen krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit gescheitert waren, beantragte der Sachverständige mit Schriftsatz vom 19.11.2018 (Bl. 56 ff. d.A.), den Geschäftsführer der Antragsgegnerin gemäß §§ 20, 97, 98, 101 InsO zum Zwecke der Auskunftserteilung vorzuladen. Hierzu hat das Amtsgericht Essen die Antragsgegnerin mit Verfügung vom 22.11.2018 angehört.

Mit Zwischenbericht vom 03.12.2018 (Bl. 65 f. d.A.) teilte der Sachverständige daraufhin mit, dass sich bei ihm am selben Tage Rechtsanwalt D. H., F, gemeldet und mitgeteilt habe, dass er Herr K T in anderen Angelegenheiten, nicht jedoch in Insolvenzangelegenheiten vertrete. Dieser habe ihn gebeten mitzuteilen, dass er als Geschäftsführer abberufen und der Sitz der Gesellschaft nach C verlegt worden sei. Neuer Geschäftsführer sei Herr C, der über sämtliche Geschäftsunterlagen verfüge und allein in der Lage sei, über die schuldnerischen Vermögensverhältnisse Auskunft zu erteilen. Seine Ermittlungen, so der Sachverständige, hätten ergeben, dass die Gesellschafterversammlung am 09.10.2018 die Sitzverlegung nach C beschlossen habe. Die neue Anschrift der Schuldnerin, die mit einer früheren Anschrift identisch sei, sei L Straße, C. Die Schuldnerin sei (wieder) eingetragen beim Amtsgericht Stendal unter HRB Y. Er, der Sachverständige, rege daher an, das Verfahren an das Amtsgericht Stendal zu verweisen.

Mit Verfügung vom 10.12.2018 und Erinnerung vom 08.01.2019 fragte das Amtsgericht Essen bei der Antragstellerin an, ob Verweisung an das Amtsgericht Stendal beantragt werde. Diese teilte mit Schriftsatz vom 17.01.2019 (Bl. 68 d.A.) mit, dass nichts gegen den Antrag des Sachverständigen spreche und das Verfahren an das Amtsgericht Stendal verwiesen werden könne.

Ohne vorherige Anhörung der Antragsgegnerin und ohne weitere eigene Sachverhaltsermittlung hat sich das Amtsgericht Essen sodann mit Beschluss vom 23.01.2019 (Bl. 69 f. d.A.) für örtlich unzuständig erklärt und das Insolvenzeröffnungsverfahren gemäß §§ 2, 3, 4 InsO, 281 ZPO an das Amtsgericht Stendal verwiesen, "weil sich der Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit der Schuldnerin in C befindet".

Ausweislich des Handelsregisterauszuges HRB Y, AG Stendal vom 01.03.2019 (Bl. 75 d.A.) war der vorherige Geschäftsführer K T mit notariell beglaubigtem Beschluss vom 09.10.2018 als Geschäftsführer abberufen, zum neuen Geschäftsführer Herrn I c, *, L, bestellt und der Sitz der Antragsgegnerin nach C verlegt worden. Die entsprechende Eintragung im Handelsregister erfolgte am 18.10.2018.

Einer Abschrift der notariellen Verhandlung vom 09.10.2018 vor dem Notar Dr. G in M (Bl. 76 ff. d.A.) sind der beurkundete Verkauf der Geschäftsanteile der Antragsgegnerin vom bisherigen an den neuen Geschäftsführer und eine Gesellschafterversammlung mit den den späteren Handelsregistereintragungen entsprechenden Beschlüssen ...

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