Leitsatz (amtlich)

Gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 ZPO wird der allgemeine Gerichtsstand juristischer Personen und rechtsfähiger Personengesellschaften durch ihren (satzungsmäßigen) Sitz bestimmt. Ein Verweisungsbeschluss kann unverbindlich sein, wenn das verweisende Gericht einen insoweit bei sich selbst begründeten Gerichtsstand außer Acht lässt.

 

Normenkette

ZPO §§ 17, 36 Abs. 1 Nr. 6

 

Verfahrensgang

AG Essen (Aktenzeichen 12 C 75/18)

 

Tenor

Örtlich zuständig ist das Amtsgericht Essen.

 

Gründe

I. Der Rechtsstreit liegt dem Senat zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vor.

Dem Rechtsstreit liegt - soweit für das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren von Belang - im Kern folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin mit Sitz in der Tschechischen Republik macht gegen die Beklagte mit Sitz in C im Wege des Verfahrens für geringfügige Forderungen nach der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlamentes und des Rates Ansprüche aus abgetretenem Recht über den Restkaufpreis für die Werklieferung von Druckerzeugnissen i.H.v. 2.343,00 EUR geltend.

Die Klägerin hat das Verfahren am 22.07.2018 mit dem hierfür vorgesehenen Formblatt beim Amtsgericht Essen anhängig gemacht. Mit Verfügung vom 24.07.2018 hat das Amtsgericht Essen unter Verweis auf Art. 5 Abs. 1 VO (EG) Nr. 861/2007 das schriftliche Verfahren angeordnet und die Beklagte zur Klageerwiderung binnen 30 Tagen aufgefordert.

Nachdem die Klage unter der von der Klägerin angegebenen Anschrift B-Straße 176, C nicht zugestellt werden konnte ("Adressat unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln"), stellte das Amtsgericht Essen - ohne vorherige Beteiligung der Klägervertreter - die Klage unter der unter Ziff. 3.8 des Formblattes angegebenen Anschrift der Vertreterin der Beklagten, nämlich der G GmbH + Co Verwaltungsgesellschaft mbH als Komplementärin mit Sitz in P am Main zu. Der Handelsregisterauszug (AG Bonn, HRA 8240) weist als Sitz bzw. ladungsfähige Anschrift der Beklagten demgegenüber B-Straße 12 - 14 (anstatt 176), C aus. Unter dieser Anschrift konnte an die Beklagte in dem Verfahren vor dem Senat ausweislich der Postzustellungsurkunde vom 13.04.2019 auch zugestellt werden.

Mit Verfügung vom 07.09.2018 wies das Amtsgericht Essen daraufhin, dass die Zustellung des Klageformblattes in der B-Straße 176 in C zwar zunächst erfolglos verlaufen sei, die Klage aber "der Beklagten" (tatsächlich war die Zustellung - s.o. - nicht bei der Beklagten, sondern bei deren Komplementärin erfolgt) sodann unter der Anschrift L-Straße 39 in P habe zustellt werden können. Es werde vor diesem Hintergrund darauf hingewiesen, dass die internationale örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Essen nicht gegeben sei, da "die Niederlassung der Beklagten sich nicht im Bezirk des Amtsgerichts Essen, sondern in P" befinde. Es werde deshalb "angefragt, ob Verweisung beantragt oder die Klage zurückgenommen" werde.

Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 14.09.2018 hat die Klägerin daraufhin unter Hinweis auf § 51 Nr. 1 der Hessischen Justizzuständigkeitsverordnung die Verweisung des Rechtsstreits an das in Verfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 für P zuständige Amtsgericht Frankfurt am Main beantragt.

Ohne der Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Antrag zu gewähren, der der Beklagten ausweislich der richterlichen Verfügung vom 19.09.2018 erst mit Übersendung des Verweisungsbeschlusses übersandt worden ist, hat das Amtsgericht Essen sich daraufhin mit Beschluss vom 19.09.2018 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit "nach Anhörung der anderen Partei" an das Amtsgericht Frankfurt am Main verwiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht Essen ausgeführt, das "das angerufene Gericht aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zuständig sei, insbesondere da die Niederlassung der beklagten Partei nicht im Bezirk des hiesigen Amtsgerichts gelegen ist, sondern im Bezirk des Amtsgerichts Frankfurt am Main (...)".

Mit an das Amtsgericht Frankfurt am Main gerichtetem Schriftsatz vom 23.10.2018 hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass sie ihren Sitz in C habe. Sie beantrage deshalb, das Verfahren zuständigkeitshalber an das Amtsgericht Bonn zu verweisen.

Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 08.11.2018 hat die Klägerin die Auffassung vertreten, dass beim Amtsgericht Frankfurt am Main eine Zuständigkeit jedenfalls nach § 21 ZPO begründet sei, da die Beklagte dort eine Niederlassung unterhalte. Aus dem Handelsregisterauszug der Beklagten (AG Bonn, HRA 8240) ist demgegenüber ersichtlich, dass für die Beklagte keine Niederlassungen eingetragen sind. Auch die Beklagte selbst wies mit Schriftsatz vom 28.11.2018 darauf hin, dass der Sitz der Beklagten in C sei. Lediglich der Geschäftssitz der Komplementärin befinde sich in P, weshalb nochmals Verweisung an das zuständige Amtsgericht Bonn beantragt werde.

Daraufhin hat das Amtsgericht Frankfurt am Main mit Verfügung vom 30.11.2018 darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, den Rechtsstreit an das Amt...

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