Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Rückforderung seitens der Unterhaltsvorschusskasse nach der Abgabenordnung aufgerechneter bzw. nach dem Sozialgesetzbuch abgezweigter Beträge durch den Unterhaltspflichtigen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Unterhaltspflichtige kann im Wege der Eingriffskondiktion von der Unterhaltsvorschusskasse Rückzahlung der Beträge verlangen, die diese im Wege der Aufrechnung nach § 226 AO oder der Abzweigung nach § 48 SGB I erlangt hat, wenn sie den bestehenden Unterhaltsanspruch des Unterhaltsberechtigten gegen den Unterhaltspflichtigen übersteigen.

2. Das Familiengericht darf den Unterhaltspflichtigen nicht auf die Geltendmachung seiner Rechte vor dem Finanz- oder Sozialgericht verweisen.

3. Dem Verweis auf einen Übergang in das streitige Verfahren nach § 255 FamFG dürfte das Titulierungsinteresse des Unterhaltspflichtigen entgegenstehen.

 

Normenkette

BGB § 812 Abs. 1 S. 1 Hs. 2; FamFG §§ 254-255; UVG § 7 Abs. 1 S. 1; AO § 226 Abs. 1; SGB 1 § 48 Abs. 1; ZPO § 114

 

Verfahrensgang

AG Lüneburg (Beschluss vom 23.01.2013; Aktenzeichen 37 F 303/12)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Lüneburg vom 23.1.2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das AG - Familiengericht - Lüneburg zurückverwiesen.

 

Gründe

I.1. Der Antragsteller dieses Verfahrens ist der Vater der am 28.1.2001 geborenen M. S.. M. lebt im Haushalt der Mutter, der Antragsteller ist ihr dem Grunde nach barunterhaltspflichtig.

2. Mit Bescheid vom 3.6.2010 bewilligte der Landkreis L. der Kindesmutter Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz, und zwar für April 2010 i.H.v. 10 EUR und von Mai 2010 bis September 2011 i.H.v. monatlich 180 EUR. Eine entsprechende Anzeige an den Kindesvater erfolgte mit Schreiben vom gleichen Tage.

Bis einschließlich September 2011 erwirkte die Unterhaltsvorschusskasse, dass an sie Leistungen der Arbeitsagentur und des Finanzamtes i.H.v. insgesamt 3.070 EUR, die an sich dem Antragsteller zustanden, an sie abgezweigt worden sind (Bescheid über Einkommenssteuer für 2008 vom 12.9.2011: 622,23 EUR; Bescheid über Einkommenssteuer für 2010 vom 12.9.2011: 1.184,84 EUR, Aufstellung der Agentur für Arbeit: 1.142,41 EUR))

3. Mit einem am 22.6.2012 bei dem AG -Familiengericht- Lüneburg eingegangenem Schriftsatz (AG Lüneburg 49 FH 17/11) beantragte die Unterhaltsvorschusskasse zunächst,

gegen den Kindesvater im Wege des vereinfachten Verfahrens über den Unterhalt Minderjähriger (§§ 249 ff. FamFG) beginnend ab dem 1.4.2010 den Mindestunterhalt festzusetzen.

Der Antragsteller trat dem zunächst mit dem Antrag entgegen, das streitige Verfahren durchzuführen und berief sich auf Verwirkung hinsichtlich länger als ein Jahr zurückliegender Unterhaltsrückstände sowie auf mangelnde Leistungsfähigkeit. Hierzu überreichte er auch den Einwendungsbogen gegen den Antrag auf Festsetzung von Unterhalt und ließ durch seinen Verfahrensbevollmächtigten ergänzend vortragen. Er erklärte sich bereit, ab September 2011 den Mindestunterhalt zu zahlen.

Die Unterhaltsvorschusskasse beantragte daraufhin, den Unterhalt festzusetzen, soweit sich der Antragsgegner verpflichtet hat, den Unterhaltsanspruch zu erfüllen.

Das AG hat daraufhin in seinem Beschluss vom 23.4.2012 den Unterhalt zur Zahlung an die Unterhaltsvorschusskasse festgesetzt, und zwar nach dem zuletzt gestellten Antrag unter Abzug des vollen Kindergeldes und unter der Bedingung, dass tatsächlich Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz erbracht werden. Zugleich hat es festgestellt, dass rückständiger Unterhalt nicht mehr geltend gemacht werde.

4. Im vorliegenden Verfahren sucht der Antragsteller um Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für ein gegen die Unterhaltsvorschusskasse gerichtetes Verfahren nach, in dem er die Anträge ankündigt, den Antragsgegner zu verpflichten, ihm 622 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz beginnend ab dem 7.7.2012 zu zahlen, die Zwangsvollstreckung aus dem Unterhaltsfestsetzungsbeschluss des Familiengerichts Lüneburg vom 23.4.2012 -49 FH 17/11 - für unzulässig zu erklären.

Mit diesen Anträgen verfolgt er im Ergebnis einen Anspruch auf Rückzahlung der von der Unterhaltsvorschusskasse bis September 2011 abgezweigten Beträge von insgesamt 3.070 EUR, und zwar von September 2011 bis Mai 2012 im Wege der Verrechnung gegen die titulierte Forderung (9 Monate × 272 EUR = 2.448 EUR) und hinsichtlich verbleibender 622 EUR (3.070 EUR - 2.448 EUR) im Wege der Zahlung. Zur Begründung führt es aus, dass er ab Juni 2012 den titulierten Betrag monatlich per Dauerauftrag überweise. Mit Schreiben vom 10.11.2012 habe ihm der Gerichtsvollzieher mitgeteilt, dass die Unterhaltsvorschusskasse Vollstreckungsauftrag erteilt habe. Unterhaltsansprüche aus der Zeit vor September 2011 seien jedoch verwirkt.

5. Das Land Niedersachsen verteidigt sich wie folgt:

Der Zwangsvollstreckungsauftrag sei mit Blick auf das laufende Verfahren zurückgenommen, um von weiteren Maßnahmen bis zum Schlu...

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