vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [II R 17/09)]

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang und Reichweite der Grundsteuerbefreiung in § 3 Abs. 1 Nr. 4 GrStG sind verfassungsgemäß

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Zu den Voraussetzungen der Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO.
  2. Ein Musterverfahren vor dem BFH ist kein vorgreifliches Rechtsverhältnis i. S. des § 74 FGO.
  3. Umfang und Reichweite der Grundsteuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 GrStG sind verfassungsrechtlich unbedenklich; insbesondere ist kein Verstoß gegen Art. 3 GG bzw. Art. 4 GG gegeben.
 

Normenkette

GrStG § 3 Abs. 1 Nr. 4; GG Art. 3-4

 

Streitjahr(e)

2003

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 30.06.2010; Aktenzeichen II R 17/09 und II R 18/09)

BFH (Urteil vom 30.06.2010; Aktenzeichen II R 17/09)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Reichweite der Grundsteuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 Grundsteuergesetz (GrStG).

Der Kläger ist ein bundesweit tätiger islamischer Dachverband. Nach § 3 seiner Satzung bietet er den in Europa lebenden Menschen islamischen Glaubens die Möglichkeit an, ihre Religion auszuüben. Zu diesem Zweck unterstützt er u. a. Gemeinden durch religiöse und kulturelle Aktivitäten, unterweist im islamischen Glauben und Lehre und in der Wahrung islamischer kultureller Werte, fördert muslimische Jugendliche und widmet sich dem moralischen Schutz der Menschen islamischen Glaubens. Eigenen Bekundungen zufolge hat er etwa 10.000 Mitglieder und ist damit der zweitgrößte islamische Dachverband in Deutschland.

Der Kläger war zunächst durch Bescheid des Finanzamts Köln-Nord vom … unter Widerruf als gemeinnützig anerkannt. Der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen schätzt ihn als Religionsgemeinschaft nach den Art. 140 Grundgesetz (GG), 137 Weimarer Reichsverfassung (WRV) ein.

Im Jahre 1990 erwarb der Kläger das bebaute Grundstück S-Str. 3 in Delmenhorst. Zu der Zeit belief sich der für den Rechtsvorgänger bestandskräftig festgestellte Einheitswert auf 76.400 DM. Nach dem Übergang des Grundstücks auf den Kläger führte das Finanzamt zunächst nur eine Art- und eine Zurechnungsfortschreibung jeweils auf den 1. Januar 1991 durch. Wertfortschreibungen nahm es erstmals mit Bescheid vom … auf den 1. Januar 2003 (Wert: 95.900 DM) vor. Bei der Wertberechnung sind die Räume, die religiösen Zwecken dienen, nicht berücksichtigt worden. Der Bescheid wurde zunächst bestandskräftig.

Im Anschluss an eine Betriebsprüfung erkannte das Finanzamt Köln-Nord die Gemeinnützigkeit rückwirkend ab 1997 ab. Als der Beklagte davon erfuhr, änderte er die Wertfortschreibung auf den 1. Januar 2003 unter Hinweis auf § 173 AO ab und erhöhte den Einheitswert auf 133.100 DM. Mit dieser Fortschreibung erfasste er auch die Räume, die zu religiösen Zwecken genutzt wurden und die im bisherigen Bescheid wegen der Gemeinnützigkeit nicht berücksichtigt worden waren.

Gegen diese Änderung hat der Kläger nach erfolglosem Vorverfahren Klage erhoben, mit der er deren Aufhebung beantragt. Er ist der Auffassung, dass er weiterhin von der Grundsteuer befreit sei. Nachdem ihm der gemeinnützige Status aberkannt worden sei, liege der Befreiungsgrund des § 3 Abs. 1 Nr. 4 GrStG vor. Nach dieser Norm sei Grundbesitz einer Religionsgesellschaft, die eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes sei, von der Grundsteuer befreit. Nach Satz 2 der Norm stünden diesen Religionsgesellschaften jüdische Kultusgemeinden gleich, auch wenn sie nicht Körperschaften des öffentlichen Rechtes seien. Die Erweiterung der Steuerbefreiung auf jüdische Kultusgemeinden sei verfassungskonform in der Weise auszulegen, dass sie auch auf ihn, den Kläger, anzuwenden sei. Eine Beschränkung der Steuerbefreiung lediglich auf jüdische Kultusgemeinden verstoße gegen das Gleichheitsgrundrecht aus Art. 3 GG. Erst unlängst habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Beschluss zur Erbschaft und Schenkungsteuer erkannt, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung eines Steuertatbestandes die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne dieser Belastungsgleichheit umzusetzen habe. Daran fehle es, wenn nur jüdische Kultusgemeinden von der Grundsteuer verschont blieben, vergleichbare Einrichtungen islamischer Gläubiger jedoch nicht. Außerdem sei der Staat zu weltanschaulich-religiöser Neutralität verpflichtet. Es sei ihm untersagt, bestimmte Bekenntnisse zu privilegieren und andere auszugrenzen. Die benachteiligende Ungleichbehandlung einer Glaubensgemeinschaft im Vergleich zu einer anderen verletzte zudem sein Grundrecht aus Art. 4 GG.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hingewiesen, dass unter dem 14. November 2008 diverse Urteile des Finanzgerichts Düsseldorf zu vergleichbaren Sachverhalten ergangen seien. Er – der Prozessbevollmächtigte – habe die Absicht, gegen jene Urteile Revisionen einzulegen und beantrage deshalb, das Verfahren auszusetzen, ferner die Anordnung der Verfahrensruhe.

Der Kläger beantrag...

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