Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. Vermögenseinsatz. Rückforderungsanspruch des verarmten Schenkers

 

Leitsatz (amtlich)

Vermögen im Sinne des § 90 Abs 1 SGB XII können auch Schenkungsrückforderungsansprüche nach § 528 Abs 1 BGB sein. Unternimmt der Schenker keine Rückforderungsbemühungen, kann er sich nicht darauf berufen, es würde sich bei dem Schenkungsrückforderungsanspruch nicht um bereite Mittel handeln.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 08.02.2018; Aktenzeichen B 8 SO 109/17 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 27. März 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Hilfe zur Pflege nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).

Die Klägerin ist 1933 geboren. Sie lebt seit Ende des Jahres 2012 im Haus S., einer vollstationären Pflegeeinrichtung. Sie bezieht Renten der Deutschen Rentenversicherung, Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, eine Zusatzrente sowie Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung. Die ungedeckten Pflegekosten belaufen sich auf monatlich ca. 160,00 €. Einen ersten Antrag der Klägerin vom 15. November 2012 auf Hilfe zur Pflege nahm sie wegen vorhandenen Vermögens am 14. Januar 2013 zurück.

Die Klägerin hat unter anderem zwei Töchter. Zugunsten der Tochter C. besteht eine von dieser als Versicherungsnehmerin abgeschlossene Lebensversicherung bei der Sparkassenversicherung, auf die (ausschließlich) die Klägerin seit dem 1. August 1997 einen monatlichen Beitrag von 87,64 € einzahlt. Der Rückkaufswert betrug zum 31. Dezember 2015 15.017,78 €. Zugunsten der Tochter P. besteht eine von dieser als Versicherungsnehmerin abgeschlossene Lebensversicherung bei der Sparkassenversicherung, auf die (ausschließlich) die Klägerin seit dem 1. August 1997 einen monatlichen Beitrag von 56,13 € einzahlt. Der Rückkaufswert betrug zum 31. Dezember 2015 8.754,69 €. Ein Verwertungsausschluss besteht bei beiden Lebensversicherung nicht.

Die Klägerin beantragte am 23. März 2016 erneut Hilfe zur Pflege. Sie legte unter anderem einen Depotauszug ihres Depots 266253 bei der Sparkasse F.-N. B. vom 31. Dezember 2015 vor, ausweislich dessen sie über Aktien der ...AG mit einem Wert von 9.309,60 € verfügt, vor.

Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 29. April 2016 ab. Die Klägerin habe bei Antragstellung über Vermögen in Höhe von insgesamt 27.379,39 € verfügt. Hierzu zählten Rückforderungen aufgrund Schenkung an ihre Töchter. Bei der Übernahme der Beiträge für die Lebensversicherungen handele es sich um Schenkungen. Diese seien gemäß § 528 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zurückzufordern, wenn der Schenker außerstande sei, seinen angemessenen Unterhalt selbst zu bestreiten. Bei der Rückforderung der Schenkungen würden die letzten zehn Jahre berücksichtigt. Es ergäben sich somit Rückforderungsansprüche in Höhe von 10.516,80 € (zehn Jahre à monatlichen Beitrag von 87,64 €) sowie 6.735,60 € (zehn Jahre à monatlichen Beitrag von 56,13 €). Da beide Lebensversicherungen über genügende Rückkaufswerte verfügten, stehe einer Rückzahlung der geleisteten Schenkung nichts entgegen. Die Vermögensfreigrenze von 2.600,00 € werde insgesamt um 24.779,39 € überschritten. Es seien keine Gründe bekannt, die einer Verwertung des Vermögens der Klägerin entgegenstünden.

Hiergegen erhob die Klägerin am 30. Mai 2016 Widerspruch, der trotz anwaltlicher Vertretung nicht begründet wurde.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 2016 zurück. Mangels Widerspruchsbegründung werde auf die Ausführungen im Bescheid vom 29. April 2016 verwiesen, um Wiederholungen zu vermeiden.

Hiergegen hat die Klägerin am 24. Oktober 2016 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben, ohne auch diese zunächst zu begründen.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 27. März 2017 abgewiesen und zur Begründung auf die Begründung des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2016 verwiesen. Die einzelnen Vermögensgegenstände ergäben sich aus der Begründung des Bescheides vom 29. April 2016. Dass diese von der Beklagten fehlerhaft ermittelt oder beziffert worden seien, sei nicht ersichtlich. Auch ergäben sich aus der Verwaltungsakte der Beklagten keine Anhaltspunkte für eine fehlende Verfügungsmacht der Klägerin oder für eine fehlende Verwertbarkeit dieses Vermögens.

Nach Hinausgabe des Gerichtsbescheides zum Zwecke der Zustellung hat die Klägerin am 27. März 2017 eine Klagebegründung beim SG vorgelegt. Ein Vermögen von insgesamt 24.779,39 € könne ihr nicht zugeordnet werden. Zu berücksichtigen sei nur tatsächlich vorhandenes Vermögen. Eine Berücksichtigung fiktiven Vermögens sehe das SGB XII nicht vor. Verschenkte Vermögensgegenstände schieden aus dem Vermögen der nachfragenden Person aus. Dies gelte jedoch nicht im Falle der Sittenwidrigkeit der Schenkung. Diese könne vorliegen, wenn Vermögensgegenstände verschenkt oder in a...

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