Rn. 2951

Stand: EL 165 – ET: 06/2023

Die Erbengemeinschaft wird bis zu ihrer Auseinandersetzung (§ 2042 BGB) steuerlich bei den Überschusseinkünften wie eine Bruchteilsgemeinschaft (§ 39 Abs 2 Nr 2 AO) und bei den Gewinneinkünften wie eine Mitunternehmerschaft behandelt (BMF vom 14.03.2006, IV B 2 – S 2242–7/06, BStBl I 2006, 253 Tz 1). Gehört ein gewerbliches, freiberufliches oder luf Unternehmen zum Nachlass, geht es mit dem Erbfall auf die Erbengemeinschaft über (§ 1922 BGB). Sämtliche Miterben werden Mitunternehmer im Sinne von § 15 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG (Urbach, KÖSDI 2019, 21 190). Als solche beziehen die Erben ihre Einkünfte kraft eigener Verwirklichung des Einkünftetatbestandes (BMF vom 14.03.2006, IV B 2 – S 2242–7/06, BStBl I 2006, 253 Tz 3).

Auch wenn die Erben ein Unternehmen zeitnah nach dem Erbfall abwickeln und einstellen oder es auf eine andere Person übertragen, haben sie zunächst die Eigenschaft von Mitunternehmern erlangt und behalten diese bis zur Betriebsbeendigung oder Auseinandersetzung über den Betrieb. Zur rückwirkenden Beendigung der Erbengemeinschaft s Rn 3011f.

 

Rn. 2952

Stand: EL 165 – ET: 06/2023

Auch wenn die Erben von BV als Mitunternehmer anzusehen sind und die Erbengemeinschaft Mitunternehmerschaft im Sinne des § 15 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG ist (Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz 171, 41. Aufl), wird sie einkommensteuerrechtlich nicht in jeder Hinsicht wie eine normale Mitunternehmerschaft behandelt. Bei einer Erbengemeinschaft beschränkt sich die gewerbliche Betätigung der Miterben vielmehr auf den zum Nachlass gehörenden Betrieb (BFH vom 23.10.1986, IV R 214/84, BStBl II 1987, 120). Gehört zu einem Nachlass neben einem Gewerbebetrieb ein der selbstständigen Arbeit dienendes BV, luf Betrieb oder PV, findet § 15 Abs 3 Nr 1 EStG (Abfärberegelung) keine Anwendung (Urbach, KÖSDI 2019, 21 190; BMF vom 14.03.2006, IV B 2 – S 2242–7/06, BStBl I 2006, 253 Tz 4). Vielmehr behalten diese Einkünfte ihre jeweilige Qualifikation, die sie bereits beim Erblasser hatten.

Hat eine Erbengemeinschaft sowohl Überschuss- als auch Gewinneinkünfte, werden die Überschusseinkünfte also nicht in Gewinneinkünfte umqualifiziert und das der Überschusserzielung dienende Vermögen bleibt PV. Eine Erbengemeinschaft wird somit anders als eine PersGes behandelt (Reich, MittBayNot 2007, 182).

a) Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit

 

Rn. 2953

Stand: EL 165 – ET: 06/2023

Hat der Erblasser Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit iSd § 18 Abs 1 Nr 1 EStG bezogen, dann kann die Erbengemeinschaft solche Einkünfte nur dann erzielen, wenn keine berufsfremden Erben an der Erbengemeinschaft beteiligt sind (FG Köln vom 24.06.2015, 14 K 1130/13, EFG 2015, 1923; BMF vom 14.03.2006, IV B 2 – S 2242–7/06, BStBl I 2006, 253 Tz 5). Berufsfremd ist, wer nicht die erforderliche freiberufliche Qualifikation besitzt oder, zB als Minderjähriger, nicht persönlich selbstständig tätig wird (BMF vom 14.03.2006, IV B 2 – S 2242–7/06, BStBl I 2006, 253 Tz 5). Dabei müssen die Erben nicht zwingend eine mit der des Erblassers identische Qualifikation haben.

 

Beispiel: Nicht identische Qualifikation der Erben

Steuerberaterin S verstirbt und wird von ihren beiden Söhnen, die als Rechtsanwälte arbeiten, beerbt.

Da die beiden Söhne zu unbeschränkter Hilfeleistung in Steuersachen berechtigt sind (§ 3 Nr 1 StBerG), können sie den Betrieb fortführen und weiterhin Einkünfte iSd § 18 EStG erzielen.

 

Rn. 2954

Stand: EL 165 – ET: 06/2023

Ob dies auch gilt, wenn die Tätigkeit de jure nur teilweise fortgeführt werden kann, ist fraglich.

 

Beispiel: Teilweise überschneidende Qualifikation der Erben

  • Rechtsanwalt R verstirbt und wird von seinen beiden Töchtern beerbt, die als Steuerberaterinnen tätig sind.

    Da beide Töchter nicht umfassend zur Erbringung entgeltlicher Rechtsdienstleistungen befugt sind, erzielen Sie Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit.

  • War R ausschließlich auf dem Gebiet des Steuerrechts tätig und hat nur Leistungen iSd § 1 StBerG erbracht, können die Töchter mE auch weiterhin Einkünfte iSd § 18 EStG erzielen, dürfen jedoch berufsrechtlich nicht als Rechtsanwältinnen auftreten.
  • Ist eine Erbin Rechtsanwältin, die andere Steuerberaterin, steht einer Fortsetzung (in Erbengemeinschaft) und der Erzielung selbstständiger Einkünfte nichts entgegen, da auch außerhalb der Erbengemeinschaft Sozietäten aus Steuerberatern und Rechtsanwälten zulässig und die erzielten Einkünfte solche aus § 18 EStG sind (§ 50 Abs 1 StBerG, § 59c Abs 1 BRAO).
 

Rn. 2955

Stand: EL 165 – ET: 06/2023

Ist zumindest ein Miterbe berufsfremd, erzielt die Erbengemeinschaft aus der bisher freiberuflichen Praxis Einkünfte aus Gewerbebetrieb (BFH vom 05.07.1990, GrS 2/89, BStBl II 1990, 837; Urbach, KÖSDI 2019, 21 190). Das betrifft alle Erben, auch die, die über erforderliche berufliche Qualifikation verfügen.

 

Rn. 2956

Stand: EL 165 – ET: 06/2023

Zu einer Betriebsaufgabe kommt es nicht, wenn mit dem Übergang eine Umqualifizierung des bisher freiberuflichen BV in gewerbliches BV und eine entsprechende Umqualifizierung der aus dem Betrieb erzielten Ei...

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