Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsabgeltung bei jahresübergreifender Arbeitsunfähigkeit

 

Orientierungssatz

1. Ist ein Arbeitnehmer jahresübergreifend erkrankt, ohne Entgeltfortzahlungsanspruch zu haben, ergibt die Auslegung von § 10 Nr 6.9.3 MTV Metallindustrie in Schleswig-Holstein, daß der Urlaubsabgeltungsanspruch auf das jeweilige Urlaubsjahr bezogen ist, dh der Abgeltungsanspruch für jedes Urlaubsjahr neu entsteht.

2. Revision eingelegt unter dem Aktenzeichen 9 AZR 545/00.

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 27.02.2002; Aktenzeichen 9 AZR 545/00)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 19.01.2000 - 1 Ca 1570 c/98 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Frage, ob dem Kläger tarifvertragliche Urlaubsabgeltung für Krankheitstage zu gewähren ist.

Der Kläger ist am 22.11.1943 geboren. Bei der Beklagten ist er seit dem 01.06.1985 als Lagerfacharbeiter beschäftigt. Zuletzt erhielt er eine Vergütung von 3.653,00 DM brutto monatlich. Der Tariflohn beträgt jetzt 3.697,00 DM. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sind die Tarifverträge für die Metallindustrie in Schleswig-Holstein anzuwenden. Der Kläger ist seit dem 06.01.1997 arbeitsunfähig erkrankt und wurde ab 05.04.1998 ausgesteuert. § 10 des Manteltarifvertrages enthält folgende Regelungen:

§ 10 Erholungsurlaub

1. Urlaubsanspruch

1.1. Der Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr einen unabdingbaren Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub

1.2. Das Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr

6. Zeitpunkt, Übertragbarkeit und Abgeltung des Urlaubs

6.1. Der Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden.

6.2. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Falle der Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden.

6.3. 1. Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.

2. Wenn der Arbeitnehmer durch eigenes Verschulden aus einem Grunde entlassen worden ist, der eine fristlose Kündigung rechtfertigt, oder das Arbeitsverhältnis unberechtigt vorzeitig aufgelöst hat und in diesen Fällen eine grobe Verletzung der Treuepflicht aus dem Arbeitsverhältnis vorliegt, ist die Abgeltung insoweit ausgeschlossen, als der tarifliche Urlaubsanspruch über den gesetzlichen Urlaubsanspruch hinausgeht.

3. bei Krankheit, für die kein Entgeltfortzahlungsanspruch besteht, ist auf Wunsch des Arbeitnehmers für jeden Krankheitsmonat (22 Arbeitstage) ein Urlaubstag, jedoch nicht mehr als insgesamt 5 Urlaubstage, einschließlich der zusätzlichen Urlaubsvergütung abzugelten. Mehrere Zeiträume in einem Urlaubsjahr, in denen der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt, werden zusammengerechnet.

In Anbetracht dessen erbringt der Arbeitgeber für jeden in diesem Rahmen abgegoltenen Urlaubstag eine Härtefallzahlung von DM 80,00. Bei künftigen Änderungen des Tariflohnes ändert sich dieser Betrag um den gleichen Prozentsatz wie der Ecklohn.

Teilzeitbeschäftigte erhalten diesen Betrag anteilig. Die Härtefallzahlung geht nicht in die Durchschnittsberechnung ein.

Mit Schreiben vom 08.02.1998 (Bl. 5 d.A.) bat der Kläger um Abrechnung seiner Urlaubstage von Januar bis März 1998. Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 16.03.1998 (Bl. 6 d.A.) mit, sie werde zwei Urlaubstage zuzüglich Härtefallregelung zur Auszahlung bringen. Mit Schreiben vom 23.03.1998 (Bl. 7 d.A.) teilte sie mit, die Abgeltung werde doch nicht vorgenommen, da für jede Arbeitsunfähigkeit maximal 5 Tage Urlaub abzugelten seien.

Hierauf hat der Kläger am 05.10.1998 Klage erhoben, mit der er beantragt hat,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.004,90 DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, der Anspruch entstehe bei einer jahresübergreifenden Arbeitsunfähigkeit und Erkrankung nur einmal. Er richte sich in diesem Fall nicht nach dem Kalenderjahr.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 19.01.2000 (Bl. 46 d.A.) der Klage stattgegeben. Es hat ausgeführt, der tarifvertragliche Wortlaut sei nicht eindeutig. Jedoch sei zu berücksichtigen, dass die Tarifvertragsparteien die Regelung eingeführt hätten, um einen Ausgleich für die Kürzung des Krankengeldes zu schaffen. Diesem Zweck entspreche es, bei jahresübergreifenden längeren Erkrankungen jeweils neu die Möglichkeit der Urlaubsabgeltung zuzulassen. Damit sei der Arbeitgeber auch nicht unangemessen belastet, da es sich nur um eine Abgeltung des sonst fortbestehenden Urlaubsanspruches handele. Werde die Arbeit nach einer jahresübergreifenden Erkrankung wieder aufgenommen und Abgeltung nicht gewährt, stehe dem Arbeitnehmer für das neue Urlaubsjahr der volle Urlaubsanspruch zu.

Dieses, der Beklagten ...

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