Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigungsschutzverfahren. Unterbrechung. Aufnahme des Verfahrens gegen den Insolvenzverwalter

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Kündigungsschutzverfahren kann vom klagenden Arbeitnehmer gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 3 InsO gegen den Insolvenzverwalter aufgenommen werden, wenn der Bestand des Arbeitsverhältnisses über den Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinaus geltend gemacht wird. Dies gilt auch dann, wenn der Insolvenzschuldner die Kündigung vor Insolvenzeröffnung ausgesprochen hat (im Anschluss an BAG vom 18.10.2006 – 2 AZR 563/05, ZIP 2007, 745 = NZI 2007, 300).

 

Normenkette

ZPO § 240 S. 1, § 250; InsO § 86 Abs. 1 Nr. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Bielefeld (Urteil vom 26.04.2006; Aktenzeichen 3 Ca 418/05)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 26.04.2006 – 3 Ca 418/05 – wie folgt abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 31.01.2005 nicht fristlos aufgelöst worden ist, sondern bis zum 30.09.2005 fortbestanden hat.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.261,04 EUR festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Bestand des Arbeitsverhältnisses.

Der am 15.08.1949 geborene Kläger war seit dem 16.04.1971 bei der Baufirma W1 B4 & S2 GmbH bzw. deren Rechtsvorgängerinnen als Einschaler gegen eine monatliche Vergütung von zuletzt 3.130,52 EUR tätig.

Über das Vermögen der Firma W1 B4 & S2, die zuletzt 14 Arbeitnehmer beschäftigte, wurde am 12.05.2005 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.

Bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens kündigte die Insolvenzschuldnerin mit Zustimmung des Beklagten als damaligen vorläufigen Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 17.01.2005 außerordentlich zum 31.01.2005 mit der Begründung, es sei beim Amtsgericht Bielefeld eine vorläufiges Insolvenzverfahren anhängig. Die Bemühungen zur Gründung einer Auffanggesellschaft hätten sich nicht verwirklichen lassen, so dass der Geschäftsbetrieb zum 31.01.2005 eingestellt werde. Hilfsweise wurde die Kündigung zum nächst möglichen Zeitpunkt ausgesprochen.

Gegen diese und die weitere Kündigung der Insolvenzschuldnerin vom 31.01.2005, die ebenfalls fristlos, hilfsweise fristgerecht ausgesprochen worden ist, wendet sich der Kläger mit der vorliegenden am 07.02.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage. Er will den Bestand seines Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 30.09.2005 feststellen lassen. Streitig ist, ob der Kläger den Rechtsstreit gegen den Beklagten aufnehmen konnte.

Der Beklagte räumt die Nichteinhaltung der einschlägigen Kündigungsfristen ein und macht geltend, der Geschäftsbetrieb des Bauunternehmens sei zum 31.01.2005 vollständig eingestellt worden.

Der Rechtsstreit war gemäß § 240 ZPO mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen. Mit Schriftsatz vom 20.12.2005 hat der Kläger die Aufnahme des Verfahrens gegen den Beklagten beantragt. Der Beklagte hat sich mit der Fortsetzung des Verfahrens nicht einverstanden erklärt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der im ersten Rechtszug gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 26.04.2006 als unzulässig abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Zulässigkeit der Klage stünde gemäß §§ 86 InsO, 240 ZPO die Eröffnung des Insolvenzverfahrens entgegen. Die gemäß § 240 ZPO eingetretene Unterbrechung sei nicht beendet. Eine Aufnahme des Rechtsstreits komme nicht in Betracht, denn das Kündigungsschutzverfahren betreffe keine Massenverbindlichkeit i.S.v. § 86 Abs. 1 Ziffer 3 InsO. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts Bezug genommen.

Mit seiner Berufung will der Kläger eine Entscheidung über den Bestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist erreichen. Zur Begründung seines Rechtsmittels trägt er vor, das Arbeitsgericht lasse unberücksichtigt, dass der Beklagte aus den unwirksamen Kündigungen Rechte herleite, indem er das Entstehen von Massenverbindlichkeiten unter Hinweis auf die angebliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestreite. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts betreffe das Verfahren Masseverbindlichkeiten i.S.v. § 55 InsO. Der anderslautenden Auffassung des Arbeitsgerichts könne nicht gefolgt werden.

In der Berufungsverhandlung hat der Kläger erklärt, die Kündigung vom 17.01.2005 werde nicht mehr angegriffen, weil sie von der Insolvenzschuldnerin mit Zustimmung des Beklagten am 25.01.2005 zurückgenommen worden sei.

Der Kläger beantragt,

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 31.01.2005 nicht fristlos beendet worden ist, sondern bis zum 30.09.2005 fortbestanden hat.

Der Beklagte be...

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