Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 17.02.1997; Aktenzeichen 16 Ca 39837/96)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17.02.1997 – 16 Ca 39837/96 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die 1956 geborene Klägerin trat am 01. April 1993 als Sozialarbeiterin für den Aufgabenbereich Sozialdienst und Betreuung in den Übergangseinrichtungen des Beklagten in dessen Dienste, der in der Regel mehr als fünf Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt. Die verheiratete Klägerin, die zwei Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtet ist, und nach ihren Angaben schon vorher ab 03. September 1991 als Sozialarbeiterin beim Beklagten beschäftigt gewesen sein will, arbeitet als Teilzeitkraft mit 28,5 Wochenstunden. Sie erhielt im September 1996 ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 4.136,37 DM, und zwar in analoger Anwendung der Vergütungsgruppe IV b der Anlage 1 a zum BAT. In § 3 des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 01. April 1993 heißt es u.a.:

„Der Tarifvertrag über eine Zuwendung und der Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Angestellte finden Anwendung.”

Der Beklagte betreibt vier verschiedene Projektbereiche: Kriseneinrichtungen für junge Menschen, Straßensozialarbeit, Wohnprojekte und Kontakt- und Beratungsstellen sowie eine Geschäftsstelle. Die Klägerin wurde zuletzt im Bereich Kriseneinrichtungen beschäftigt. Dieser Bereich umfaßt zwei Treberläden, zwei Treberhäuser und das Projekt Villa C. (Inobhutnahme bzw. ein Übergangsheim). Der Bereich Kriseneinrichtungen unterscheidet sich von den anderen drei Bereichen durch die Art der Finanzierung. Während die anderen drei Bereiche zuwendungsfinanziert, d.h. insbesondere unabhängig von der konkreten Auslastung drittfinanziert werden, erfolgt die Finanzierung der Kriseneinrichtungen nach einem Tagessatzsystem. Die Auslastung des Bereiches Krisendienste war im Geschäftsjahr 1996 rückläufig. Sie betrug im Januar 1996 89 %, im Juni 1996 65 % und im September 1996 55 %, obwohl der Treberladen im Wedding am 30.06.1996 geschlossen worden war.

Der Beklagte befand sich – aus seiner Sicht – im September 1996 in einer Liquiditätskrise. Er verfügte über ein Eigenvermögen von etwa 710.00,00 DM, das nicht aus Zuwendungen finanziert wurde. Das Eigenkapital betrug etwa 125.000,00 DM. Die durch die Bilanz ausgewiesenen Vorschüsse durch die Bezirksämter betrugen ca. 181.000,00 DM. Dem standen per 30. September 1996 offene Forderungen in Höhe von 543.000,00 DM gegenüber, so daß ungedeckte Forderungen in Höhe von 362.544,00 DM existierten. Die Zahlung des Weihnachtsgeldes für die Mitarbeiter des Bereiches Krisendienste hätte zu einer zusätzlichen Belastung des Beklagten geführt.

Mit Schreiben vom 23. September 1996, der Klägerin zugegangen am 24. September 1996 sprach der Beklagte nach Anhörung des bei ihm bestehenden Betriebsrates gegenüber der Klägerin und allen übrigen Mitarbeitern des Bereichs Kriseneinrichtungen entsprechende Änderungskündigungen aus. Im Schreiben des Beklagten vom 23. September 1996 heißt es:

„Änderungskündigung

Sehr geehrte Frau Sch.,

hiermit kündige ich den mit Ihnen bestehenden Arbeitsvertrag in Bezug auf den Tarifvertrag über eine Zuwendung aus betriebsbedingten Gründen zum 30.10.1996.

Leider läßt die Auslastung der Treberläden in den letzten Monaten (Juli: 46,0 %, August: 48,8 %) und die Auslastung der Villa C. im August (Krise: 8,6 %, Übergang: 10,5 %) keine andere Möglichkeit offen, die darausfolgenden Mindereinnahmen in Ihrem Arbeitsbereich bis zur bisher geplanten Zahlung dieser Zuwendung auszugleichen. Ein Liquiditätskonkurs des gesamten Vereins wäre die Folge.

Der § 3 Absatz Ihres Arbeitsvertrages lautet nunmehr:

Der Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Angestellte findet Anwendung.

Wir bitten Sie, eine eventuelle Ablehnung dieser Änderungskündigung Ihrerseits uns innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Allerdings weise ich Sie daraufhin, daß in diesem Falle diese Änderungskündigung eine betriebsbedingte Kündigung ist.”

Später stellte der Beklagte klar, daß die Änderungskündigung zum 31. Oktober 1996 rechtswirksam werden solle. Die Klägerin nahm mit Schreiben vom 25. September 1996 das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt an, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist.

Mit der beim Arbeitsgericht Berlin am 10. Oktober 1996 eingegangenen und dem Beklagten am 22. Oktober 1996 zugestellten Klage hat sich die Klägerin gegen die Rechtmäßigkeit der Änderungskündigung gewandt. Sie hat gemeint, die Änderungskündigung sei schon deshalb rechtsunwirksam, weil der Betriebsrat vor dem Ausspruch der Änderungskündigung nicht ordnungsgemäß angehört worden sei.

Überdies sei die Änderungskündigung auch sozial ungerechtfertigt. Sie hat die rückläufige Auslastung der Treberläden im Jahre 1996 mit Nichtwissen bestritten, zumal die vom Beklagten überreichte Übersicht der Auslastung für das Jahr 1996 die Villa C. nicht erfasse. Die behaupteten Angaben über das Eigenvermögen und das Eigen...

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