Entscheidungsstichwort (Thema)

Räumlicher Geltungsbereich eines Tarifvertrages. langfristige vorübergehende Beschäftigung von Mitarbeitern eines durch Brand zerstörten Warenhauses in einem anderen Tarifgebiet. MTV Einzelhandel Brandenburg oder Berlin

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die tarifvertraglich geregelte räumliche Erfassung von Arbeitsverhältnissen ist in der Regel die Lage des Betriebes maßgebend, entsprechend dem Grundsatz, daß derjenige Tarifvertrag Anwendung findet, der am Erfüllungsort des Arbeitsverhältnisses gilt. Erfüllungsort ist regelmäßig der Sitz des Betriebes.

2. Wird ein tarifgebundener Arbeitnehmer für einen längeren Zeitraum (hier: mindestens 2 ¾ Jahre) ausschließlich in einem Betrieb eines anderen Tarifgebiets beschäftigt, so gilt wegen der sachlichen Nähe und der geographischen Zuordnung sowie der einheitlichen Handhabung im Tarifgebiet entsprechend dem Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses das für diesen Ort gültige Tarifrecht und nicht das des bisherigen Tarifgebiets.

3. Vereinbarungen der tarifgebundenen Arbeitsvertragsparteien über die Anwendung von Tarifverträgen aus einem anderen Tarifgebiet sind unwirksam, jedenfalls soweit die Bestimmungen des vereinbarungsgemäß anwendbaren Tarifvertrages des anderen Tarifgebiets für den Arbeitnehmer ungünstiger sind. Das ist bei den Regelungen der Tarifverträge für den Einzelhandel Brandenburgs gegenüber denen des Einzelhandels Berlin der Fall.

 

Normenkette

TVG §§ 3-4; BGB § 611; MTV Einzelhandel Berlin § 1 A

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 02.07.1997; Aktenzeichen 2 Ca 45.653/96)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 02. Juli 1997 – 2 Ca 45653/96 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Frage, ob auf ihr Arbeitsverhältnis für die Dauer der Beschäftigung des Klägers im Land Berlin der Manteltarifvertrag sowie der Tarifvertrag über Gehälter, Löhne, Ausbildungsvergütungen für den Einzelhandel des Landes Berlin in der jeweils geltenden Fassung Anwendung finden.

Der Kläger, der Mitglied der DAG ist, war bis zum 31. Juli 1996 im Warenhaus Kaufhof Potsdam als Substitut tätig. Mit Wirkung vom 01. August 1996 übernahm die Beklagte, die Mitglied im Gesamtverband des Einzelhandels Land Berlin e.V. ist, das Warenhaus im Wege eines Betriebsübergangs. Das Gebäude fiel einem Brand zum Opfer. Voraussichtlicher Fertigstellungstermin einer neuen Verkaufsstätte in Potsdam ist das Frühjahr 1999.

Unter dem 29. Juli 1996 schlossen die Beklagte und der Betriebsrat des Hauses Potsdam einen Interessenausgleich und Sozialplan (Bl. 6 bis 9 d. A.), nach dem die Mitarbeiter der Filiale Potsdam Arbeitsverträge für diese Filiale erhalten und sie bis zur Wiederaufnahme ihrer Arbeit in Potsdam in Berliner Filialen der Karstadt AG beschäftigt werden sollten. In 2.1. des Sozialplans heißt es:

„Die Mitarbeiter/-innen erhalten von der Karstadt AG Arbeitsverträge für die Filiale Potsdam entsprechend den Bedingungen beim Betriebsübergang von der Kaufhof AG. Bis zur Aufnahme der Arbeiten in der Filiale Potsdam übernimmt die Geschäftsleitung der Karstadt-Filiale Berlin, Schloßstraße die Funktionen des Disziplinarvorgesetzten.

Die Mitarbeiter/-innen der Filiale Potsdam werden vorübergehend in die Berliner Filialen entsandt und dort befristet bis zum 30.04.1999, spätestens jedoch bis 3 Monate vor Eröffnung der Filiale Potsdam, eingesetzt.

Nach Nr. 2.4 des Sozialplans sollten die Arbeitszeiten der aufnehmenden Filialen für die Mitarbeiter gelten.

Nach dem mit der Karstadt AG Potsdam geschlossenen Arbeitsvertrag vom 01. August 1996 (Bl. 24/R d. A.) vereinbarten die Parteien unter Nr. 13 die Anwendung der Tarifverträge für den Einzelhandel des Landes Brandenburg auf ihr Arbeitsverhältnis.

Seit dem 01. August 1996 arbeitet der Kläger in der Filiale der Beklagten in Berlin. Schloßstraße. Er erhält eine Vergütung nach K 4b nach dem fünften Tätigkeitsjahr des Gehaltstarifvertrages Einzelhandel Land Brandenburg in Höhe von 3.999,– DM brutto. Der für Berlin geltende Tarifvertrag sieht für diese Vergütungsgruppe ein Gehalt von 4.371,– DM brutto vor. Die Sonderzahlung nach § 12 BMTV Einzelhandel Land Brandenburg beläuft sich auf 1.999,50 DM brutto, nach § 12 B des MTV Einzelhandel Berlin auf 2.185,50 DM brutto.

Mit Schreiben vom 16. September 1996 machte der Kläger gegenüber der Beklagten die Gehaltsdifferenzen einschließlich Sonderzahlungen seit dem 01. August 1996 für die gesamte Dauer seiner Beschäftigungszeit im Tarifgebiet Berlin (westliche Stadtbezirke) geltend.

In dem vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger die Ansicht vertreten, daß für die Dauer seiner Beschäftigung in Berlin die Einzelhandels-Tarifverträge des Landes Berlin auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung fänden und ihm deshalb Gehalt sowie Sonderzuwendungen auf deren Grundlage zu zahlen seien. Erfüllungsort seiner Arbeitsleistungen sei die Berliner Filiale der Beklagten und liege damit im räumlichen Geltungsbereich der betreffenden Tarifverträge. Ihm stehe d...

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