Leitsatz

Ein in den USA ansässiger und in Deutschland nur beschränkt steuerpflichtiger amerikanischer Staatsbürger, der in Deutschland Einkünfte aus selbstständiger Arbeit bezieht, darf mit diesen Einkünften dem in § 50 Abs. 3 S. 2 EStG 2002 bestimmten Mindeststeuersatz unterworfen werden.

 

Normenkette

Art. 14 Abs. 1, Art. 24 Abs. 1 und 2 DBA-USA 1989 a.F., Art. XI Abs. 1, 3 und 5 Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika; § 49 Abs. 1 Nr. 3, § 50 Abs. 3 S. 2 EStG 2002

 

Sachverhalt

Der Kläger ist Staatsbürger der USA und selbstständig tätiger Rechtsanwalt. Er ist Partner einer Anwaltssozietät, die eine Niederlassung in Deutschland unterhielt. Einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte der Kläger nicht. Sein bei der deutschen Besteuerung zu berücksichtigendes Einkommen belief sich auf 1 424 EUR.

Das FA setzte auf dieser Basis gegenüber dem Kläger eine ESt i.H.v. 356 EUR fest. Diese Festsetzung beruht auf der Anwendung des Mindeststeuersatzes von 25 %, den § 50 Abs. 3 S. 2 EStG 2002 bestimmte. Die anschließende Klage wurde abgewiesen (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.05.2010, 13 K 6429/06 B, Haufe-Index 2381921, EFG 2011, 139).

 

Entscheidung

Auch die Revision blieb erfolglos. Der BFH wies sie zurück. Der Kläger erleide in der gebotenen Gesamtschau mit seiner Inlandsbetriebsstätte keinen steuerlichen Nachteil, weil er dem Mindeststeuersatz unterworfen werde. Insgesamt sei seine Steuerbelastung gegenüber einem "reinen" Steuerinländer nicht höher.

Unabhängig davon sei überaus zweifelhaft, ob ein Freiberufler mit seiner inländischen "festen Einrichtung" überhaupt den Diskriminierungsschutz des Art. 24 Abs. 3 DBA-USA 1989 a.F. beanspruchen könne. Denn dieser Schutz beziehe sich lediglich auf "Betriebsstätten" i.e.S. und erfasse "feste Einrichtungen" gerade nicht.

 

Hinweis

1. In dem Urteil geht es einmal mehr (s. zuletzt BFH, Urteil vom 09.02.2011, I R 54, 55/10, BFH/NV 2011, 920, BFH/PR 2011, 266) darum, ob eine innerstaatliche Vorschrift aus Gründen des abkommensrechtlichen Diskriminierungsverbots in Art. 24 OECD-MA unanwendbar ist. Diesmal richtet sich dieser Einwand gegen § 50 Abs. 3 S. 2 EStG 2002 und den darin bestimmten Mindeststeuersatz von 25 %, welchem beschränkt Steuerpflichtige unterworfen wurden.

2. Dieser Mindeststeuersatz kann – das gehört seit dem EuGH-Urteil vom 12.06.2003, C-234/01 (BFH/NV 2003, Beilage 4, 201, BFH/PR 2003, 342) in der Rechtssache "Gerritse" zum "Gemeinwissen" des international-steuerrechtlich Interessierten – gegen unionsrechtliche Grundfreiheiten verstoßen, nämlich immer dann, wenn der beschränkt Steuerpflichtige hierdurch einer höheren Steuerbelastung unterworfen wird als ein vergleichbarer Inländer.

3. Ist jener Verstoß gegen das unionsrechtliche Diskriminierungsverbot über Art. 24 OECD-MA nun aber meistbegünstigend auch auf solche Personen zu erstrecken, die in einem sog. Drittstaat (vgl. dazu § 2a Abs. 2a EStG n.F.) ansässig sind? Der BFH hat in der jüngeren Vergangenheit im Einzelfall zwar durchaus auch abkommensrechtlich eine Anleihe im Unionsrecht genommen, falls die Wertungszusammenhänge ihm zumindest ähnlich erschienen (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 08.09.2010, I R 6/09, BFH/NV 2011, 154, BFH/PR 2011, 72). Im Grundsatz hat er eine solche "Glattstellung" des Diskriminierungsschutzes aber verneint.

4. Auch in solchen Einzelfällen ist Voraussetzung für eine derartige Erstreckung auf Drittstaatenangehörige aber immer, dass die spezifischen tatbestandlichen Erfordernisse der abkommensrechtlichen Diskriminierungsverbote auch erfüllt sind. Und daran wird es im Zweifel eher fehlen, weil diese Voraussetzungen tendenziell enger sind als diejenigen des Unionsrechts:

a) So verlangt z.B. Art. 24 Abs. 1 OECD-MA eine Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit des anderen Vertragsstaats für eine unterschiedliche steuerliche Behandlung, was nur selten der Fall sein wird.
b) Art. 24 Abs. 3 OECD-MA will die Diskriminierung von Betriebsstätten vermeiden, die von Steuerausländern durch eine gegenüber Betriebsstätten von Steuerinländern andersartige steuerliche Behandlung vermeiden. "Bezugspunkt" der Andersbe­handlung ist dabei zwar die Betriebsstätte als solche; diese ist Anknüpfungsobjekt der beschränkten Steuerpflicht. Doch darf die maßgebende Vergleichsgröße nicht auf jene Betriebsstätte verengt werden. Denn die Betriebsstätte ist lediglich ein unselbstständiger Teil des Gesamtunternehmens. Das ist bei inländischen Betriebsstätten von Steuerinländern nicht anders als bei inländischen Betriebsstätten von Steuerausländern. Und deswegen ist der "Steuerabgleich" auch hier wie dort auf das Gesamtunternehmen zu beziehen.

Für die Frage nach der Andersbehandlung durch den (Mindest-)Steuersatz heißt das: Die Gesamtbelastung beider Gesamtunternehmen mit ihren inländischen Betriebsstätten ist miteinander abzugleichen. Das Resultat dieses Abgleichs zeigt dann, ob tatsächlich eine Andersbehandlung (i.S. einer Schlechte...

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