Leitsatz

1. Ein Unternehmer, der ein Portfolio von zahlungsgestörten Forderungen erwirbt, erbringt an den Forderungsverkäufer grundsätzlich selbst dann keine entgeltliche Leistung, wenn er diesen von der weiteren Verwaltung und Vollstreckung der Forderungen entlastet (Anschluss an das EuGH-Urteil vom 27.10.2011, C-93/10, GFKL, UR 2011, 933, DStR 2011, 2093 und BFH, Urteil vom 26.1.2012, V R 18/08, BFH/NV 2012, 678).

2. Soweit wegen Rückbeziehung der übertragenen Forderungen auf einen zurückliegenden Stichtag der Forderungsverkäufer noch das Portfolio verwaltet, liegt hierin eine unselbstständige Nebenleistung zum steuerfreien Forderungsverkauf, die das rechtliche Schicksal der Hauptleistung teilt.

 

Normenkette

§ 1 Nr. 1, § 13b UStG 2005, Art. 2 Nr. 1 der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Die Klägerin, ein im Inland ansässiges Kreditinstitut, verkaufte mit Vertrag vom 18.2.2005 ein Portfolio zahlungsgestörter Darlehensforderungen an eine im Ausland ansässige Zweckgesellschaft für 14,34 % des Forderungsnennwerts. Nach dem Kaufvertrag gingen Vertragsparteien davon aus, dass der Käufer an den Forderungsverkäufer keine umsatzsteuerpflichtige Leistung erbringe. Für den Fall, dass die Finanzverwaltung anderer Auffassung sei, vereinbarten die Parteien, dass der voraussichtlich realisierbare Wert der übertragenen Forderungen mit 16,97 % des Forderungsnennwerts anzusetzen sei. Nach dem Kaufvertrag sollte der Verkauf mit wirtschaftlicher Wirkung zum 31.12.2004 erfolgen. Im Hinblick auf Wertänderungen des Forderungsportfolios im Zeitraum zwischen dem wirtschaftlichen Übertragungsstichtag und dem Tag des Vertragsschlusses wurde eine Preisanpassungsklausel vereinbart. FA und FG (Hessisches FG, Urteil vom 26.1.2010, 6 K 2933/07, Haufe-Index 2340371, EFG 2010, 907) gingen von einer steuerpflichtigen Leistung an die inländische Bank aus, für die diese nach § 13b UStG Steuerschuldner sei.

 

Entscheidung

Der BFH sah in Übereinstimmung mit seiner jüngeren Rechtsprechung im Erwerb eines zahlungsgestörten Forderungsportfolios keine steuerpflichtige Leistung des Forderungserwerbers an den Forderungsverkäufer. Eine steuerpflichtige Leistung ergebe sich auch nicht aus der Preisanpassungsklausel, die aufgrund der schuldrechtlichen Rückbeziehung erforderlich war.

 

Hinweis

1. Die Frage, ob der Erwerber zahlungsgestörter Darlehensforderungen mit dem Forderungskauf eine steuerpflichtige Leistung an den Forderungsverkäufer erbringt, war lange Zeit umstritten. Grundlage für die von der Finanzverwaltung angenommene Steuerpflicht war die Steuerpflicht beim Factoring. Nach Auffassung der Finanzverwaltung erbringt der Erwerber zahlungsgestörter Forderungen – wie der Forderungserwerber beim Factoring – eine steuerpflichtige Einziehungsleistung an den Forderungsverkäufer. Da im Hinblick auf das Ausfallrisiko nicht die volle Differenz zwischen dem Nennwert der verkauften (zahlungsgestörten) Forderung und dem Kaufpreis für die Forderung als Gegenleistung für die steuerpflichtige Einziehungsleistung zugrunde gelegt werden kann, geht die Finanzverwaltung zudem davon aus, dass Verkäufer und Käufer der Forderung für diese einen wirtschaftlichen Wert vereinbaren sollen, sodass nur die Differenz zwischen diesem wirtschaftlichen Wert und dem Kaufpreis als Gegenleistung für den steuerpflichtigen Forderungseinzug anzusehen ist. Wird z.B. ein zahlungsgestörtes Forderungsportfolio mit einem Nennwert von 1 Mio. EUR für 500.000 EUR verkauft und vereinbaren die Parteien einen wirtschaftlichen Wert von 619.000 EUR, liegt danach eine Gegenleistung von 119.000 EUR vor, sodass sich für eine als steuerpflichtig angesehene Einziehungsleistung eine Umsatzsteuer von 19.000 EUR ergibt.

2. Der BFH hatte Zweifel, ob beim Verkauf zahlungsgestörter Forderungen eine steuerpflichtige Leistung des Forderungserwerbers vorliegt, und leitete hierzu ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH ein. Im Anschluss an das EuGH-Urteil vom 27.10.2011, C-93/10, GFKL, UR 2011, 933, DStR 2011, 2093 entschied der BFH mit Urteil vom 26.1.2012, V R 18/08, BFH/NV 2012, 678, dass ein Unternehmer, der aufgrund der Vorgaben des BMF-Schreibens vom 3.6.2004 (BMF, Schreiben vom 3.6.2004 – IV B 7 – S 7104 – 18/04 , BStBl I 2004, 737) zahlungsgestörte Forderungen unter "Vereinbarung" eines vom Kaufpreis abweichenden "wirtschaftlichen Werts" erwirbt, keine entgeltliche Leistung an den Forderungsverkäufer erbringt. Mit dem nunmehr vorliegenden Urteil vom 4.7.2013 setzt der BFH diese Rechtsprechung fort.

3. Fraglich war bisher, ob zumindest eine steuerpflichtige Leistung des Forderungsverkäufers an den Erwerber vorliegt, wenn eine schuldrechtlich zulässige wirtschaftliche Rückbeziehung der Forderungsübertragung auf einen in der Vergangenheit liegenden Übertragungsstichtag eine Kaufpreisanpassung erforderlich macht. Nach dem BFH-Urteil vom 4.7.2013 rechtfertigt auch eine derartige Kaufpreisanpassungsklausel nicht die Annahme einer gesonderten Leistung.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 4.7.2013 – V R 8/10

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