Leitsatz

1. Eine Lieferung von Gegenständen eines im Inland ansässigen Unternehmers an einen in einem Drittland ansässigen Unternehmer, der keine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet, die Gegenstände im Inland abholen lässt und direkt an den letzten Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat weiterliefert, kann als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei sein, wenn der Lieferer redlicherweise, und nachdem er alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, diese Identifikationsnummer nicht mitteilen kann und er außerdem Angaben macht, die hinreichend belegen können, dass der Erwerber ein Steuerpflichtiger ist, der bei dem betreffenden Vorgang als solcher gehandelt hat.

2. Bei einem Reihengeschäft mit zwei Lieferungen und drei Beteiligten setzt die erforderliche Zuordnung der (einen) innergemeinschaftlichen Versendung zu einer der beiden Lieferungen eine umfassende Würdigung aller besonderen Umstände des Einzelfalls und insbesondere die Feststellung voraus, ob zwischen dem Erstabnehmer und dem Zweitabnehmer die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, stattgefunden hat, bevor die innergemeinschaftliche Versendung erfolgte.

3. Eine Divergenzanfrage gem. § 11 Abs. 3 FGO des erkennenden Senats an den Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, scheidet aus, wenn die Rechtsfrage zwischenzeitlich durch ein Urteil des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren abweichend von der Divergenzentscheidung für die nationalen Gerichte unionsrechtlich bindend entschieden worden ist.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 1 Abs. 2 Satz 1, § 1 Abs. 2a Sätze 1 und 3, § 3 Abs. 1, Abs. 6, Abs. 7, § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a, § 18a UStG, § 17c UStDV Art. 8 Abs. 1, Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 6. EG-RL, Art. 31, Art. 32 MwStSystRL, § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, § 11 Abs. 3 FGO, Abschn. 3.14. Abs. 7 Sätze 1, 4, 5 und Abs. 9 Satz 2 UStAE, Art. 267 AEUV

 

Sachverhalt

Eine deutsche GmbH verkaufte zwei Maschinen an ein US-amerikanisches Unternehmen (A). Dieses teilte der GmbH auf Anfrage lediglich die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer einer finnischen Ltd. mit, an die es die Maschinen weiterverkauft habe. Die Maschinen wurden von einer von A beauftragten Spedition bei der GmbH abgeholt und nach Finnland verschifft. Ob A in Finnland einen innergemeinschaftlichen Erwerb erklärt hat, ist nicht festgestellt.

Das Finanzamt behandelte die Lieferung der GmbH nicht als steuerfrei, weil A als Erwerber keine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer eines Mitgliedstaats verwendet habe.

Das FG hat die Klage abgewiesen (Sächsisches FG, Urteil vom 25.2.2009, 2 K 484/07, Haufe-Index 2141108, EFG 2009, 1418).

 

Entscheidung

Der BFH hat das Urteil des FG aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen.

Der Streitfall ist dadurch gekennzeichnet, dass zwei Verkäufe, aber nur eine Versendung stattgefunden haben. Da die Versendung Tatbestandsmerkmal der innergemeinschaftlichen Lieferung ist, kommt es zunächst darauf an, ob die Versendung dem ersten Verkauf zugerechnet werden kann. Nur dann hätte die GmbH eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei erbracht. Dafür besteht im nationalen Recht eine Vermutung. Das Gegenteil wäre allerdings der Fall, wenn der US-amerikanische Zwischenhändler der finnischen Endabnehmerin die Verfügungsmacht an den verkauften Gegenständen schon vor deren Versendung verschafft hätte. Das muss das Finanzgericht noch aufklären.

 

Hinweis

Eine nach § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a UStG steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung setzt u.a. voraus, dass der Gegenstand der Lieferung in einen anderen Mitgliedstaat befördert oder versendet wird. Der Abnehmer muss außerdem Unternehmer sein und mit dem Erwerb in seinem Land der Umsatzsteuer unterliegen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 28.5.2013 – XI R 11/09STR (Nachfolgeentscheidung zum EuGH-Urteil vom 27.9.2012, C-587/10, V, HFR 2012, 1212; UR 2012, 832)

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