Der EuGH hat in einer Entscheidung vom 12.1.2023 (RS C-395/21) Anforderungen an die Transparenz von Stundensatzvereinbarungen festgelegt, die auch für Steuerberater relevant sind. In dem Verfahren vor dem EuGH ging es um die Klage eines litauischen Rechtsanwalts, der mit einem Verbraucher eine Stundensatzvereinbarung über 100 EUR getroffen und im März 2019 für die in 2018 und 2019 erbrachten Rechtsdienstleistungen Rest-Honorar i. H. v. 9.900 EUR zzgl. 194,30 EUR Auslagen abgerechnet hatte.

Transparenzgebot bei Stundensatzvereinbarungen

Der EuGH kommt zu dem Ergebnis, dass eine Klausel über die Erbringung von Rechtsdienstleistungen, nach der sich die Vergütung nach dem Zeitaufwand richtet, dem unionsrechtlichen Erfordernis der Klarheit und Verständlichkeit nicht genügt, wenn dem Verbraucher vor Vertragsabschluss nicht die Informationen erteilt worden sind, die ihn in die Lage versetzt hätten, seine Entscheidung mit Bedacht und in voller Kenntnis der wirtschaftlichen Folgen des ­Vertragsabschlusses zu treffen.

Konkret bedeutet dies, dass der Verbraucher so informiert werden muss, dass er die Gesamtkosten der Rechtsdienstleistungen und damit die wirtschaftlichen Folgen des Vertragsschlusses auf der Grundlage von genauen und nachvollziehbaren Kriterien einschätzen kann. Eine solche Einschätzung kann dadurch gewährleistet werden, dass der Rechtsanwalt eine Schätzung der voraussichtlich oder mindestens anfallenden Stunden vornimmt oder dadurch, dass er in regelmäßigen Abständen Rechnungen oder zumindest Aufstellungen übermittelt, in denen die aufgewandten Arbeitsstunden ausgewiesen sind.

Transparenz durch frühzeitige Information über den Zeitaufwand

Die Aufklärung des Verbrauchers muss vor Vertragsschluss erfolgen. Sie sollte in die Vereinbarung aufgenommen werden. Neben einer Schätzung der Stunden, die voraussichtlich oder mindestens für die Dienstleistung anfallen werden, sollten dem Mandanten auch Informationen über unvorhergesehene Ereignisse während der Dauer und Erbringung der Dienstleistung erteilt werden, die zu einer Erhöhung der Stundenzahl führen können, z. B. zeitintensive Rückfragen des (beratungsintensiven) Mandanten.

Die Anforderungen des EuGH gelten zunächst nur im Verhältnis zu Verbraucher-Mandanten. Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können (§ 13 BGB).

Vergütungsvereinbarungen zwischen Steuerberatern und Verbraucher-Mandanten sind eher selten. Im Zuge der Anfertigung der "Grundsteuererklärungen" haben Steuerberater hingegen – abweichend von der StBVV – auch mit Verbraucher-Mandanten vielfach Stundensätze vereinbart. Nach der Entscheidung des EuGH empfiehlt es sich, Verbraucher-Mandanten künftig zu Beweiszwecken jedenfalls dann über die voraussichtlichen Gesamtkosten zu informieren, wenn nach vereinbarten Stundensätzen abgerechnet werden soll und wenn die wirtschaftlichen Auswirkungen für den Verbraucher – wie in dem vom EuGH entschiedenen Fall – nicht vorhersehbar sind. Davon wird man wohl nur in besonders zeitintensiven Mandaten ausgehen können. Ein Wechsel des Abrechnungsmodus von der gesetzlichen Wert- auf eine vereinbarte Zeitgebühr allein, löst m. E. in "Standardfällen" noch keine Aufklärungspflicht aus. Denn auch eine Abrechnung nach der gesetzlichen Wertgebühr ist für den Verbraucher im Vorfeld wenig transparent und die Höhe des Rechnungsbetrags – schon wegen der Rahmensätze vieler Gebührentatbestände – nicht vorhersehbar. Im Zweifel empfiehlt sich – auch zur Vermeidung von nachträglichen Diskussionen mit dem Mandanten – ein Hinweis in der Vergütungsvereinbarung.

 
Praxis-Beispiel

Formulierungsbeispiel

"Der Auftragnehmer wird beauftragt die elektronische Feststellungserklärung für die Hauptfeststellung der Grundstückswerte zu erstellen und an die Finanzverwaltung zu übermitteln. Die Arbeiten werden mit einem Stundensatz i. H. v. …. EUR berechnet. Der Auftragnehmer geht von einem Stundenaufwand von mindestens …. Stunden aus."

Bei einer sich abzeichnenden Überschreitung der prognostizierten Stundenzahl muss der Steuerberater im Einzelfall entscheiden, ob eine weitere Information des Mandanten geboten ist. Dies hängt u. a. von dem Inhalt der Vereinbarung ab "voraussichtlich" oder "mindestens" und ob die prognostizierte Zeit erheblich oder nur unerheblich überschritten wird. Ob der Steuerberater den Mandanten in dieser Situation informiert, hat auf die Wirksamkeit der Vereinbarung keinen Einfluss. Hier geht es "nur" um die Durchsetzung des Honorars und die Abrechenbarkeit aller angefallenen Zeiten.

Alternativ besteht die Möglichkeit, den Mandanten im Verlauf des Mandats regelmäßig über die Kosten zu informieren, etwa dadurch, dass eine Abrechnung nach angemessenen Zeitabständen, z. B. monatlich, erfolgt und der Abrechnung eine prüfbare Aufstellung über die geleisteten Stunden beigefügt wird, sodass der Mandant laufend über die angefallenen Kosten i...

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