Rz. 260

Gem. § 20 Abs. 2 S. 2 EStG gelten als Veräußerung auch die Einlösung, Rückzahlung, Abtretung und verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft. Auch die Vereinnahmung eines Auseinandersetzungsguthabens im Fall der Auflösung einer stillen Gesellschaft gilt als Veräußerung. Mit dieser Regelung soll die vollständige steuerliche Erfassung aller Wertsteigerungen privater Kapitalanlagen erreicht werden. Dieses gesetzgeberische Ziel ist bei der Auslegung der von der Regelung verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe zu berücksichtigen.[1]

 

Rz. 261

Der Begriff "Veräußerung" beschreibt die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts vom Veräußerer auf den Erwerber. Eine Veräußerung hat folglich zwei Voraussetzungen. Zum einen ist die Übertragung eines Wirtschaftsguts erforderlich. Unter der Übertragung eines Wirtschaftsguts ist dabei die Verschaffung des wirtschaftlichen Eigentums zu verstehen. Das rechtliche Eigentum muss nicht übertragen werden. Verwirklicht ist der Tatbestand der Veräußerung erst nach der Durchführung des Erfüllungsgeschäfts. Der Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts stellt noch keine Veräußerung dar und ist für das Vorliegen einer Veräußerung auch nicht zwingend erforderlich. Zweite Voraussetzung für eine Veräußerung ist die Entgeltlichkeit der Übertragung. Eine entgeltliche Übertragung liegt vor, wenn der Leistung des Veräußerers eine nach kaufmännischen Gesichtspunkten ausgewogene Gegenleistung des Erwerbers gegenübersteht. Steht der Leistung des Veräußerers überhaupt keine Gegenleistung gegenüber, liegt eine unentgeltliche Übertragung vor. Im Fall einer teilentgeltlichen Übertragung ist der Vorgang im Sinn der Trennungstheorie nach dem Verhältnis des Veräußerungspreises zum Verkehrswert des übertragenen Wirtschaftsguts in eine voll entgeltliche Übertragung und eine voll unentgeltliche Übertragung aufzuteilen. Die Einheitstheorie, nach der die Übertragung entweder als voll entgeltlich oder als voll unentgeltlich zu behandeln ist, in Abhängigkeit davon, ob der Veräußerungspreis höher oder niedriger als die Anschaffungskosten ist, findet im Privatvermögen keine Anwendung.[2]

 

Rz. 262

Unter einer Abtretung ist die entgeltliche Übertragung einer Forderung vom Zedenten auf den Zessionar zu verstehen.[3] Ebenso wie die Veräußerung setzt auch die Abtretung die Übertragung eines Wirtschaftsguts und die Entgeltlichkeit dieser Übertragung voraus. Im Gegensatz zur Veräußerung ist die Abtretung aber auf die Übertragung von Forderungen beschränkt und hat damit einen engeren Anwendungsbereich. Da aber auch eine Forderung ein Wirtschaftsgut darstellt, geht die Abtretung vollständig in der Veräußerung auf, sodass ihre Erwähnung letztlich überflüssig ist.[4]

 

Rz. 263

Der Begriff "Einlösung" beschreibt die Erfüllung der in einer Schuldverschreibung versprochenen Leistung bei gleichzeitiger Rückübertragung der Schuldverschreibung.[5] Erfasst ist nicht nur die Einlösung im Zeitpunkt der Endfälligkeit. Vielmehr löst die Einlösung zu jedem gesetzlich oder vertraglich bestimmten Zeitpunkt eine Besteuerung aus. Die Gleichstellung der Einlösung mit der Veräußerung führt dazu, dass sich die bisher strittige Frage, ob die Einziehung einer Forderung eine Veräußerung darstellt, erledigt haben dürfte.[6]

 

Rz. 264

Unter einer Rückzahlung ist die Erfüllung einer Kapitalforderung durch die vollständige oder teilweise Rückzahlung des überlassenen Kapitals zu verstehen.[7] Hierunter fällt nicht nur die Rückzahlung des Kapitals bei Endfälligkeit der Forderung. Vielmehr erfüllt jede Rückzahlung von überlassenem Kapital den Tatbestand. Auch die Gleichbehandlung von Rückzahlung und Veräußerung hat zur Folge, dass die bisher strittige Frage, ob die Einziehung einer Forderung eine Veräußerung darstellt, künftig keine Bedeutung mehr haben dürfte.[8]

 

Rz. 265

Eine verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft liegt vor, wenn ein Gesellschafter oder eine ihm nahe stehende Person einer Kapitalgesellschaft, ohne dass der Gesellschafter hierfür neue Gesellschaftsanteile erhält, einen einlagefähigen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat.[9] Die Gleichstellung der verdeckten Einlage in eine Kapitalgesellschaft mit einer Veräußerung war erforderlich, da die Rechtsprechung die verdeckte Einlage nicht als Veräußerung beurteilt.[10]

 

Rz. 266

Im Rahmen der Auseinandersetzung einer stillen Gesellschaft erhält der stille Gesellschafter unter Berücksichtigung der bis dahin erzielten Gewinne und Verluste seine Einlage zurückerstattet.[11] Der Auseinandersetzung einer stillen Gesellschaft geht die Auflösung der stillen Gesellschaft voraus, zu der es kommt, sobald ein gesetzlicher Auflösungstatbestand erfüllt ist. Die Gleichstellung der Auseinandersetzung einer stillen Gesellschaft mit einer Veräußerung war notwendig, da die Rechtsprechung auch in diesem Vorgang keine Veräußerung erblickt.[12]

 

Rz. 267

Ungeklärt ist derzeit, wie nach neuem Recht der Untergang und Verlust privater Kapitalanlagen zu behandeln...

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