Rz. 39

Realgemeinden i. S. d. § 3 Abs. 2 sind Vereinigungen (von meist natürlichen Personen) des älteren agrarwirtschaftlichen Genossenschaftsrechts, bei denen mit der Mitgliedschaft das Recht zur gemeinsamen land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung des Grund und Bodens (im Wege der Selbstbewirtschaftung) verbunden ist.[1]

Ihre rechtliche Gestalt hat sich aus den Allmend- und den Markgenossenschaften entwickelt. Sie bestehen kraft Art. 164 EG BGB unter Aufrechterhaltung der landesgesetzlichen Vorschriften fort.[2]  Im RFH v. 28.2.1932, I A 459/31, RStBl 1932, 828) werden sie „als ins Privatrecht verlaufende Nebenerscheinungen der politischen Gemeinden” bezeichnet.

Typische Realgemeinden i. S. d. § 3 Abs. 2 sind Hauberg-, Wald-, Forst- und Laubgenossenschaften.

Im Zuge der politischen Nachhaltigkeitsziele könnte der Gesetzgeber neue Formen eines ökologisch ausgerichteten Genossenschaftsrechts einführen, die den bisherigen Vergangenheitsbezug der Norm überwinden.

 

Rz. 40

Wohl zu den Realgemeinden, die unter Art. 164 EGBGB — nicht aber unter § 3 Abs. 2 — fallen, gehören Verbände, deren Mitglieder als solche zu Nutzungen an Mühlen, Brauhäusern und ähnlichen Anlagen berechtigt sind.[3]

Keine Realgemeinde i. S. d. § 3 Abs. 2 liegt vor, wenn eine Gemeinschaft schon in der bei ihrer Gründung aufgestellten Satzung ihre Aufgabe nicht in der Überlassung der unmittelbaren agrarwirtschaftlichen Nutzung an die Mitglieder sieht, sondern vorschreibt, dass die Feldgrundstücke zu verpachten und der Ertrag der Wiesen auf dem Stock zu versteigern sei.[4] Maßgeblich sind nicht die historischen Verhältnisse, sondern die aktuellen im VZ.[5]

 Wenn sich eine Realgemeinde von ihrer ursprünglichen agrarwirtschaftlichen Tätigkeit zu weit löst, kann sie § 3 Abs. 2 nicht mehr beanspruchen. Die Nutzungen können z. B. dann nicht mehr als land- oder forstwirtschaftlich angesehen werden, wenn die große Mehrheit der Mitglieder keine agrarwirtschaftliche Tätigkeit mehr ausübt und deshalb die Vermietung der Mietwohngrundstücke und die Verpachtung des Bauernhofs einer Realgemeinde notwendig werden.[6]

Ebenso kann eine Realgemeinde i. S. d. § 3 Abs. 2 nicht mehr angenommen werden, wenn die Nutzung des Grundbesitzes den agrarwirtschaftlichen Charakter, nämlich die natürliche Ausbeutung des Bodens im weitesten Sinne, dadurch verliert, dass der Grundbesitz so umgestaltet wird, dass eine Dampferanlegestelle und ein Badeplatz mit Wirtschaftsbetrieb verpachtet werden können.[7]

[1] Vgl. RFH v. 31.5.1938, I 383/37, RStBl 1938, 736; RFH v. 18.6.1940, I 440/39, RStBl 1940, 811; BFH v. 8.2.1995, I R 73/94, BStBl II 1995, 552.
[4] Vgl. RFH v. 31.5.1938, I 383/37, RStBl 1938, 736.
[5] Pfirrmann, in Gosch, KStG, 4. Aufl. 2020, § 3 KStG Rz. 32; Mückl, in Streck, KStG, 10. Aufl. 2022, § 3 KStG Rz. 10.
[6] Vgl. RFH v. 19.6.1940, I 440/39, RStBl 1940, 811; weiteres Bsp. FG Bremen v. 16.3.2004, 1 K 413/02 (1), EFG 2004, 1551, rkr..
[7] Vgl. RFH v. 29.5.1934, I A 408/32, RStBl 1934, 1060.

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