Rz. 47

Generell ist für die steuerliche Bewertung von Rückstellungen die allgemeine Bewertungsvorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG zu beachten. Bei Anwendung von § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. a EStG gilt einschränkend, dass auf die Erfahrungen des einzelnen Versicherungszweigs abzustellen ist (§ 20 Abs. 2 Satz 1 KStG). Der einzelne Versicherungszweig bestimmt sich danach, ob für ihn eine gesonderte GuV aufzustellen ist, was von den §§ 3ff. BerVersV geregelt wird. Die Vorschrift steht in Zusammenhang mit § 20 Abs. 2 Satz 2 KStG[1], wonach die Summe der einzelbewerteten Schäden des Versicherungszweige um den Betrag zu mindern ist, der wahrscheinlich insgesamt nicht zur Befriedigung der Ansprüche für die Schäden benötigt wird.

 

Rz. 48

Hintergrund ist, dass nach dem sowohl im Handelsrecht als auch im Steuerrecht geltenden Grundsatz der Einzelbewertung zunächst jedes einzelne Wirtschaftsgut und jede einzelne Verbindlichkeit für sich bewertet werden muss, d. h. für die Schadenrückstellung: Es muss das objektive Risiko des einzelnen Schadenfalls mit Blick auf die voraussichtliche tatsächliche Inanspruchnahme möglichst zutreffend geschätzt werden. Mit anderen Worten ist für die Bewertung von Rückstellungen auch auf die Erfahrungen der Vergangenheit zurückzugreifen. Dies gilt insbesondere für Schadenrückstellungen, da sich insoweit aus bereits erfolgten Schadenabwicklungen Erkenntnisse für die wahrscheinliche Inanspruchnahme aus noch nicht abgewickelten Schadenfällen gewinnen lassen. Die diesem Grundsatz entsprechende Bewertungsvorschrift in § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. a EStG hat daher nach allgemeinem Verständnis nur klarstellenden Charakter.

 

Rz. 49

Dieses Erfordernis zwingt jedoch dazu, in einem zweiten Schritt die Erfahrung aus der Vergangenheit in der Summe der Fälle eines bestimmten Versicherungszweigs in die Bewertung mit einzubeziehen, da nur in der Gesamtbetrachtung die Folgen, z. B. der Abwehrbemühungen der Versicherungsunternehmen oder des Auftauchens gestohlener Gegenstände usw., auf ihre Auswirkung für die zukünftige Inanspruchnahme aus Schadenfällen beurteilt werden können. Dabei stützt sich die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit grds. auf die betriebsindividuellen oder branchenüblichen Erfahrungen, mithin der gesamten Schadensregulierungsaufwendungen.[2] § 20 Abs. 2 Satz 1 KStG ordnet hiervon abweichend an, dass auf die Erfahrungen des einzelnen Versicherungszweigs abzustellen ist. Eine zusammengefasste Bewertung auf der Grundlage eines Gesamtbestandes wird nach der Rechtsprechung des BFH verlangt[3], wenn aus einem Gesamtbestand gleichartiger Verbindlichkeiten ein bestimmter Anteil nicht erfüllt werden muss, diese Verbindlichkeiten aber individuell nicht bestimmt werden können. Gleiches muss gelten, wenn die Verbindlichkeiten zwar individuell erfasst, aber hinsichtlich ihres Risikos nur in ihrer Summe aufgrund einer Gesamtbetrachtung zutreffend bestimmt werden können. Dieser Umstand erfordert dann keine Gruppenbewertung, sondern lediglich einen pauschalen Abschlag auf den im Übrigen einzelbewerteten Gesamtbestand der Verbindlichkeiten eines Versicherungszweigs.

[1] Dazu Goverts, in Ernst & Young, KStG, § 20 KStG Rz. 97.
[2] Roser, in Gosch, KStG, 3 Aufl. 2015, § 20 KStG Rz. 47.

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