Rz. 9

Die Notwendigkeit zu einer Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung ergibt sich bereits aus dem Gebot einer Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.[1] Aus diesem Grund sind die einzelnen Staaten dazu übergegangen, zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf zwischenstaatlicher Ebene mit anderen Staaten bilaterale Verträge zu schließen oder die Doppelbesteuerung durch innerstaatliche Maßnahmen[2] unilateral zu mildern. Dabei wird von denjenigen Staaten, in denen – wie in Deutschland – die Übertragung von ausländischem Vermögen aufgrund der persönlichen Beziehung des Übertragenden der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt, üblicherweise ein primäres Besteuerungsrecht des ausländischen Belegenheitsstaates anerkannt.

 

Rz. 10

Als bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von erworbenem ausländischem Vermögen bei einer Kollision der Besteuerungsansprüche verschiedener Staaten hat Deutschland auf dem Gebiet der Erbschaft- und Schenkungsteuern mehrere Doppelbesteuerungsabkommen (nachfolgend auch "DBA") geschlossen.

 

Rz. 11

Von ihrem Rechtscharakter sind die von Deutschland geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen völkerrechtliche Verträge zwischen 2 Staaten. Ihre Hauptfunktion besteht in der Vermeidung der Doppelbesteuerung bei einer Übertragung von ausländischem Vermögen. Bei einer Kollision der Besteuerungsansprüche des Wohnsitzstaates der beteiligten Personen und des Belegenheitsstaates des übertragenen Vermögens soll eine doppelte Erfassung des gleichen Steuerguts vermieden werden. Die deutschen Erbschaftsteuer-DBA vermeiden nicht nur die effektive, sondern u. U. auch eine virtuelle Doppelbesteuerung.[3] Darüber hinaus werden mit den materiellen Regelungen der DBA aber teilweise auch weitergehende Ziele verfolgt. Als solche weitergehende Ziele haben z. B. das Verbot einer Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, die in den Abkommen vorgesehene Zusammenarbeit von Staaten durch das internationale Verständigungsverfahren und der zwischenstaatliche Informationsaustausch inzwischen ebenfalls eine eigenständige Bedeutung gewonnen.

 

Rz. 12

Insbesondere durch die Regelungen des Verständigungsverfahrens und des Informationsaustauschs werden in den DBA internationale Verfahrenswege begründet, die eine Erweiterung der operativen Möglichkeiten der FinVerw bewirken. Sogenannte "Schlußprotokolle" oder sonstige Dokumente, die den DBA zur Erläuterung und Ergänzung des Abkommenstextes beigefügt werden, sind ein integrierter Bestandteil des Abkommens und daher ebenfalls von gleichrangiger Bedeutung.

 

Rz. 13

Als bilaterale Verträge des speziellen Völkerrechts gehören sie nicht zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts i. S. d. Art. 25 GG, sondern haben dispositiven Charakter. Deshalb sind Staaten völkerrechtlich nicht dazu verpflichtet, Regelungen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung zu schaffen.[4] DBA kommen nach dem im "Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge"[5] vorgesehenen Verfahren in mehreren Schritten zustande, nämlich durch

  • Regierungsverhandlungen über den Inhalt des Abkommens unter Hinzuziehung von Fachdelegationen,
  • Paraphierung des ausgehandelten Vertragstextes als Abschluss der Verhandlungen durch die Leiter der Fachdelegationen bei erzielter Einigung,
  • Unterzeichnung des Vertragsentwurfs durch Bevollmächtigte als völkerrechtlicher Akt,
  • Vorlage vor die gesetzgebenden Körperschaften in beiden Staaten,
  • Ratifikation des Abkommens mit anschließendem Austausch besonderer Ratifikationsurkunden nach dem Abschluss der nationalen Gesetzgebungsverfahren,
  • Inkrafttreten des Abkommens.
 

Rz. 14

Die Rechtsgrundlage für die unmittelbare innerstaatliche Anwendbarkeit eines solchen Abkommens bildet das Zustimmungsgesetz gem. Art. 59 Abs. 2 GG nach dessen Verabschiedung durch den deutschen Bundestag als der gesetzgebenden Körperschaft in Deutschland.

 

Rz. 15

Sobald die DBA in Kraft getreten sind, stellen sie innerstaatlich vollziehbares Völkerrecht dar und müssen sowohl vom Stpfl. als auch von Amts wegen beachtet werden. Sie wirken insoweit wie jede andere innerstaatliche Norm, da Deutschland völkerrechtlichen Verträgen, soweit sie innerstaatliches Recht geworden sind, keinen Vorrang vor den nationalen Gesetzen einräumt. § 2 AO bestimmt zwar, dass DBA den allgemeinen Steuergesetzen vorgehen und i. d. S. leges speciales darstellen. Dies muss jedoch so interpretiert werden, dass die Regelungen der DBA nur dann als lex specialis den generellen Normen des innerstaatlichen Rechts vorgehen, wenn sie sich unmittelbar an Stpfl. wenden und in den innerstaatlichen Rechtsnormen nicht deutlich gegenteiliges bestimmt wird. Deshalb gilt dieses Verhältnis der Spezialität nur für die Rechtsfolgen, die im DBA normiert werden.

 

Rz. 16

DBA-Eingriffe sind immer auf den Vertragszweck begrenzt, sodass die Vorschriften des innerstaatlichen Rechts von der DBA-Anwendung unberührt bleiben. Dies gilt insbesondere für den Besteuerungsgegenstand und den Umfang der Steuerpflicht. Ein Besteuerungsanspruch entsteht...

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