1 Allgemeines

 

Rz. 1

Die Regelungen des II. Abschnitts[1] enthalten unter der Überschrift "Wertermittlung" die für die Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs und seine Bewertung maßgebenden Bestimmungen. Durch diese Vorschriften wird der Steuergegenstand bezüglich seiner Bemessungsgrundlage so präzisiert, dass sich die Steuerschuld nach Maßgabe der §§ 14 ff. ErbStG berechnen lässt.

Zur "Wertermittlung" gehört zunächst die Feststellung der durch § 10 ErbStG festgelegten steuerlichen Bemessungsgrundlage, d. h. des Gegenstands der Bewertung. Dies ist der sich in der Bereicherung des Erwerbers ausdrückende steuerpflichtige Erwerb. § 10 ErbStG enthält des Weiteren Regelungen zur Ermittlung der Bereicherung; dem steuerpflichtigen Erwerb sind ggf. Vorerwerbe gem. § 14 ErbStG hinzuzurechnen. § 11 ErbStG bestimmt den für die Bewertung maßgeblichen Zeitpunkt. § 12 ErbStG trifft nähere Bestimmungen zur Bewertung und schlägt die Brücke in das BewG. Die so ermittelte Bemessungsgrundlage ist ggf. noch um Steuerbefreiungen der §§ 5, 13, 13a, 13d, 18 ErbStG sowie der Freibeträge der §§ 16, 17 ErbStG zu kürzen.

2 Steuerpflichtiger Erwerb (§ 10 Abs. 1 ErbStG)

 

Rz. 2

Bemessungsgrundlage der Erbschaft- und Schenkungsteuer ist der in § 10 ErbStG näher umrissene steuerpflichtige Erwerb. § 10 ErbStG selbst ist zweigeteilt. Während § 10 Abs. 1–4 und Abs. 10 ErbStG den aus dem steuerpflichtigen Vorgang erwachsenden Vermögensvorteil erfasst, regelt § 10 Abs. 5–9 ErbStG, welche Vermögensminderungen gegen den Erwerb zum Abzug gebracht werden können. Das Erbschaftsteuerrecht folgt somit einem objektiven Nettoprinzip, wobei jedoch der Erkenntniswert dieses Begriffs nicht überschätzt werden sollte, weil er deskriptiv, nicht normativ zu verstehen ist.[1] Größere Bedeutung kommt der Diskussion um die Qualität des objektiven Nettoprinzips jedoch nicht zu, da der Gesetzgeber von Verfassungs wegen gehalten ist, seine Belastungsentscheidung – wie sie im Erbschaftsteuerrecht maßgeblich durch § 10 ErbStG geprägt ist – folgerichtig umzusetzen.[2]

[1] In Bezug auf das Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht ließ das BVerfG stets offen, ob dem objektiven Nettoprinzip Verfassungsrang zukomme, vgl. aus der neueren Rspr. BVerfG v. 9.12.2008, 2 BvL 1/07 u. a., Pendlerpauschale, BVerfGE 122, 210, 234; BVerfG v. 12.5.2009, 2 BvL 1/00, Jubiläumsrückstellung, BVerfGE 123, 111, 121; BVerfG v. 6.7.2010, 2 BvL 13/09, häusliches Arbeitszimmer, BVerfGE 126, 268, 279 f.; BVerfG v. 12.10.2010, 1 BvL 12/07, § 8b KStG, BVerfGE 127, 224, 248; überzeugend BVerfG v. 15.2.2016, 1 BvL 8/12, BStBl II 2016, 557, Gewerbesteuer.
[2] Wobei der Grundsatz der Folgerichtigkeit seinerseits konturenarm ist und in BVerfG v. 17.12.2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136, zu Recht nur beiläufige Erwähnung fand.

2.1 Allgemeines zum steuerpflichtigen Erwerb

 

Rz. 3

§ 10 ErbStG regelt den Umfang des steuerpflichtigen Erwerbs. Grundlage der Regelung ist das mit dem ErbStG verfolgte Ziel, den durch den Erbfall anfallenden Vermögenszuwachs jeweils gem. seinem realitätsgerechten Wert zu belasten.[1]

 

Rz. 4

Aus § 10 ErbStG folgt der Grundsatz, dass nur der Nettobetrag der Bereicherung der Erbschaftsteuer unterliegt.[2]

 

Rz. 5

Der steuerpflichtige Erwerb wird ermittelt, indem aus dem gesamten (nach § 12 ErbStG bewerteten) Vermögensanfall – wobei in den in § 10 Abs. 10 ErbStG genannten Fällen nur der Abfindungsanspruch und nicht der Anteilswert zu berücksichtigen ist – die in § 10 Abs. 5–9 ErbStG aufgeführten Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden. Dieser Wert ist sodann um die nach §§ 5, 13, 13a, 13d, 16, 17 und 18 ErbStG steuerfreien Teile des Erwerbs zu kürzen; der Ansatz einer Steuerbefreiung nach den vorgenannten Vorschriften ist gegenüber einem nach § 10 Abs. 5–9 ErbStG abzugsfähigen Posten systematisch nachrangig.[3]

 

Rz. 6

Ein steuerpflichtiger Erwerb liegt nur vor, wenn sich als Saldo der nach § 10 ErbStG vorgesehenen Ermittlung ein positiver Steuerwert ergibt. Bei einem negativen Steuerwert fehlt es an einer Bereicherung des Erwerbers.

 

Rz. 7

Im Zusammenhang mit der Zusammenrechnungsvorschrift des § 14 ErbStG können wegen der Regelung des § 14 Abs. 1 S. 5 ErbStG sachlich selbstständige steuerpflichtige Erwerbe mit negativem und positivem Steuerwert nicht saldiert werden. Möglich ist die Saldierung nur bei einem einheitlichen Erwerb mit teils positivem und teils negativem Teilerwerben. Grundsätzlich stellt jedoch jeder steuerpflichtige Vorgang einen eigenständigen Erwerb dar. Ein einheitlicher Erwerb liegt vor, wenn der Erwerber aufgrund derselben letztwilligen Verfügung sowohl zum Erben als auch zum Vermächtnisnehmer berufen wird. Demgegenüber sind gesonderte Erwerbe anzunehmen, wenn der Erwerber zeitgleich von derselben Person Gegenstände von Todes wegen und aufgrund freigebiger Zuwendung unter Lebenden bzw. wenn er zeitgleich Gegenstände von mehreren Erblassern bzw. Schenkern erlangt. Der Zusammenfassung mehrerer Erwerbe in einem zusammengefassten Bescheid kommt insoweit keine eigenständige Bedeutung zu.[4]

 
Hinweis

Es kann sich daher u. U. empfehlen, durch eine entsprechende Gestal...

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