Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld für ausländische Staatsangehörige

 

Leitsatz (amtlich)

Ausländische Staatsangehörige, die nicht über einen Aufenthaltstitel verfügen, können einen Anspruch auf Kindergeld haben, wenn sie kraft gesetzlicher Regelung für ihren rechtmäßigen Aufenthalt vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit sind. Voraussetzung ist, dass sie voraussichtlich auf Dauer in der Bundesrepublik Deutschland einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen, in das Sozialversicherungssystem eingegliedert und einkommensteuerpflichtig sind.

 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 1, 2 Nrn. 1-2; NATO-Truppenstatut Art. X Abs. 1; NATO-Truppenstatut Art. X Abs. 2; NATO-Truppenstatut-Zusatzabkommen Art. 13 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 08.08.2013; Aktenzeichen III R 22/12)

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung von Kindergeld.

Der Kläger ist ein am 5.3.1971 in Deutschland geborener amerikanischer Staatsangehöriger. Er lebt seit 1974 ununterbrochen in Deutschland. Seit der 6. Klasse besuchte er eine deutsche Schule, die er mit dem Realschulabschluss beendete. Anschließend absolvierte er eine Lehre als technischer Zeichner. Seit dem Jahr 1990 ist er bei der Firma D in W sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

Er ist im Besitz eines im Jahre 1990 ausgestellten amerikanischen Reisepasses. Dem Kläger wurden von der Ausländerbehörde jeweils befristete Aufenthaltserlaubnisse für die Bundesrepublik Deutschland erteilt. Die ihm zuletzt am 04.12.1997 bis zum 14.12.1999 erteilte Aufenthaltserlaubnis enthielt den Zusatz: "... Arbeitserlaubnispflichtige Erwerbstätigkeit nur mit gültiger Arbeitserlaubnis gestattet". Bereits zuvor, nämlich am 1.12.1995 hatte er eine unbefristete und unbeschränkte Arbeitserlaubnis erhalten. Am 13.12.1998 heiratete er eine amerikanische Staatsangehörige, die zum zivilen Gefolge der US-Streitkräfte gehört und seit 1997 bei einer amerikanischen Bank, der S in K beschäftigt ist. Seither ist der Kläger im Besitz eines "Status- of-forces-Agreement (SoFA)-Identification". Die Aufenthaltserlaubnis vom 04.12.1997 wurde "ungültig" gestempelt.

Einen ersten Antrag des Klägers auf Gewährung von Kindergeld für seine am 26.11.2007 geborene Tochter L lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7.2.2008 mit der Begründung ab, der Kläger sei nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Am 4.2.2010 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Kindergeld. Er legte eine Meldebescheinigung der Verbandsgemeindeverwaltung E, eine Haushaltsbescheinigung, eine Bescheinigung seines Arbeitgebers, eine Ablichtung seines Reisepasses mit dem sogen. SoFA-Stempel sowie eine Bescheinigung des Finanzamts K über die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 3 EStG) vor.

Mit Bescheid vom 1.6.2010 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kindergeld ab. Sie führte hierzu aus, nach § 62 EStG stehe einem ausländischen Staatsangehörigen nur dann Kindergeld zu, wenn er im Besitz einer Niederlassungserlaubnis oder im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sei, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtige oder berechtigt habe. Der Kläger habe einen SoFA-Status, der nicht den genannten Anforderungen entspreche.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 9.7.2010 Einspruch ein und machte zur Begründung geltend: Gemäß Artikel III Abs. 1 Satz 2 des Nato-Truppenstatuts seien Mitglieder der Truppe eines zivilen Gefolges und deren Angehörige von den Bestimmungen des Aufnahmestaates zur Registrierung und Kontrolle von Ausländern befreit. Zwar werde aus dem Wortlaut und der Zielsetzung der überstaatlichen Vereinbarung deutlich, dass der SoFA-Status nur eine auf den militärischen Aufgabenkreis beschränkte Berechtigung zum Aufenthalt auf dem Hoheitsgebiet des Aufnahmestaates beinhalte. Diese Personen sollten nach dem Willen der Vertragsparteien grundsätzlich in sozialen Regeln des Entsendestaates unterliegen. Ausnahmsweise würden für diese Personen die Bestimmungen über soziale Sicherheit und Fürsorge gelten. Ein solcher Ausnahmetatbestand werde nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts angenommen, wenn ein Angehöriger vollständig im Netz der Sozialversicherung des Aufnahmestaates eingebunden sei. Der Kläger sei seit 1990 bei einem deutschen Arbeitgeber beschäftigt. Für ihn würden Beiträge zur Sozialversicherung, wie Krankenversicherung, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Pflegeversicherung abgeführt. Auch sei er unbeschränkt steuerpflichtig.

Mit Einspruchsentscheidung vom 31.8.2010 wies die Beklagte den Einspruch mit der Begründung des Ausgangsbescheides als unbegründet zurück.

Zur Begründung seiner Klage macht der Kläger geltend: Zwar begründeten nicht deutsche Mitglieder der Truppen oder des zivilen Gefolges in der Zeit, in der sie sich in dieser Eigenschaft im Inland aufhielten, keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland nach Artikel 10 Abs. 1 und 4 des Nato-Truppenstatuts (NTS). Entsprechendes gelte gemäß Artikel 68 Abs. 4 des Zusatzabkommens zum Nato-Truppenstatut für deren nichtdeutsche Eh...

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