Entscheidungsstichwort (Thema)

Willkürliche Schätzung von Kapitaleinnahmen mit der Folge der Nichtigkeit des Einkommensteuerbescheids

 

Leitsatz (redaktionell)

Verelffacht das Finanzamt die Einnahmen aus Kapitalvermögen durch Schätzung ohne sachliche Grundlage, sondern allein durch Hochrechnung angeblicher Erträge mit 5% der Summe Gesamtbeträge der Einkünfte des Steuerpflichtigen aus sechs Jahren, so führt dies zur Nichtigkeit des Einkommensteuerbescheids gem. § 125 Abs. 1 AO 1977.

 

Normenkette

AO 1977 § 125 Abs. 1

 

Tatbestand

I.

Streitig ist im Wesentlichen, ob eine willkürliche Schätzung der Kapitaleinnahmen vorliegt und diese zur Nichtigkeit der für 2001 ergangenen Einkommensteuerbescheide führt.

Die Kläger sind gemeinsam zur Einkommensteuer (ESt) veranlagte Eheleute. Der Kläger erzielt Einkünfte aus Vermietung aus Verpachtung sowie gewerbliche Einkünfte aus der Beteiligung an diversen Gesellschaften.

Mangels Abgabe der ESt-Erklärung 2001 schätzte der Beklagte die Einkommensteuer 2001 mit unter Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Bescheid vom 08.10.2003 auf … DM. Hierbei setzte er Einnahmen aus Kapitalvermögen i.H.v. 150.000 DM an. Eine Erläuterung, wie dieser Betrag ermittelt wurde, findet sich in dem Bescheid nicht.

Auch bei den Steuerfestsetzungen der Vorjahre 1999 und 2000 handelt es sich um Schätzungen, bei denen der Beklagte die Einnahmen aus Kapitalvermögen seinerzeit auf 45.000 DM (1999) bzw. 15.000 DM (2000) geschätzt hatte. In der Steuererklärung für das Jahr 1998 hatten die Kläger Kapitaleinnahmen i.H.v. 14.857 DM angegeben und für die Jahre 1995 bis 1997 hatten sie erklärt, keine bzw. unter dem Freibetrag von 12.200 DM liegende Einnahmen gehabt zu haben. Laut Vermögensteuererklärung auf den 01.01.1995 hatten die Kläger zum Stichtag keine Sparguthaben o.ä., jedoch Schulden bei der Sparkasse/… i.H.v. 841.535 DM.

Den gegen den ESt-Bescheid 2001 erhobenen und nicht näher begründeten Einspruch nahmen die Kläger am 11.12.2003 wieder zurück. Zwischenzeitlich war unter dem 02.12.2003 ein Änderungsbescheid ergangen, mit dem die Einkünfte aus Gewerbebetrieb den Grundlagenbescheiden angepasst worden waren.

Eine weitere Anpassung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb erfolgte mit Bescheid vom 06.01.2004, mit welchem der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wurde. Zudem wurden die geschätzten Einnahmen aus Kapitalvermögen ohne Angaben von Gründen um weitere 10.000 DM auf 160.000 DM erhöht. Dieser Wert wurde auch in dem Änderungsbescheid vom 30.01.2004 übernommen, mit welchem die Einkünfte aus Gewerbebetrieb erneut angepasst wurden.

Am 23.06.2004 reichten die Kläger eine ESt-Erklärung für das Jahr 2001 ein, welche zu einer niedrigeren Einkommensteuerfestsetzung führen würde. Der Beklagte lehnte die Durchführung der Veranlagung unter Verweis auf die Bestandskraft der ESt-Festsetzung mit Bescheid vom 18.11.2004 ab.

Der hiergegen eingelegte Einspruch, mit dem die Kläger erstmals rügten, die ESt-Festsetzung 2001 sei wegen einer willkürlichen Schätzung der Kapitaleinkünfte nichtig (Schreiben vom 07.01.2005), blieb ohne Erfolg. Der Beklagte setzte die ESt 2001 mit Einspruchsentscheidung vom 18.02.2005 zwar neu fest, soweit es neuere Erkenntnisse zu den Beteiligungseinkünften gab, versagte jedoch die Anpassung der übrigen Besteuerungsgrundlagen. Des Weiteren führte der Beklagte in der Einspruchsentscheidung erstmals aus, wie die Einnahmen aus Kapitalvermögen geschätzt worden seien. Und zwar habe man die Gesamtbeträge der Einkünfte 1995 bis 2000 aufaddiert (… DM), hierauf einen Zinssatz von 5 % angewendet (… DM) und den so ermittelten Betrag auf 150.000 DM abgerundet.

Die Kläger reichten im Klageverfahren eine berichtigte Anlage KAP ein, ausweislich derer sie im Jahr 2001 keine Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt haben. Sie sind der Ansicht, dass eine Veranlagung entsprechend der Angaben in der Steuererklärung durchzuführen sei. Die bisher ergangenen ESt-Bescheide 2001 ständen dem nicht entgegen, da diese wegen einer völlig irrealen Schätzung der Kapitaleinkünfte nichtig seien und daher keine Bestandskraft entfalten würden.

So sei es schon unverständlich, warum der Beklagte für das Jahr 1999 die Kapitaleinnahmen noch auf 45.000 DM geschätzt habe, für das Jahr 2000 dann von niedrigeren Einnahmen i.H.v. nur 15.000 DM ausgegangen sei, nur um im Jahr 2001 plötzlich einen Ansatz von 150.000 DM für richtig zu halten. Die Schwankungen würden dafür sprechen, dass sich der Bearbeiter keine Gedanken gemacht, also willkürlich gehandelt habe.

Zudem verlöre die Schätzung jeglichen Bezug zur Realität. Gehe man von einer Verzinsung von 6 % aus, dann sei ein Kapitalvermögen von rd. 2,5 Millionen DM erforderlich, um die vom Finanzamt geschätzten 150.000 DM zu erwirtschaften. Auch sei dem Beklagten bekannt gewesen, dass sie – die Kläger – in den Jahren 1996 bis 1998 so gut wie keine Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt hätten.

Außerdem ließen Gewinneinkünfte aus Beteiligungen nicht ohne weiteres den Schluss zu, dass diese Einkünfte auch zu Anlagen im p...

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