Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestimmung des Begriffs "Betriebsstätte" in § 9 Nr. 3 GewStG

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Begriff "Betriebsstätte" in § 9 Nr. 3 GewStG bestimmt sich nach innerstaatlichem Recht und nicht nach der Bestimmung des anwendbaren DBA.

 

Normenkette

GewStG § 9 Nr. 3

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin in den Streitjahren 2009 ff. unbeschränkt körperschaftpflichtig i.S. des § 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) war und ob sie im Inland einen stehenden Gewerbebetrieb i.S. des § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) betrieb, hilfsweise, ob der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen zutreffend geschätzt hat.

Die Klägerin, eine polnische Kapitalgesellschaft, wurde im Jahr 1995 gegründet (Amtsgericht in A, Landesgerichtsregister, KRS-Nummer …, Stand 08.11.2010, gekürzte Arbeitsübersetzung des Dolmetschers B vom 10.11.2010, nachfolgend bezeichnet als PL-HR) und nahm am 11.11.2009 ihre gewerbliche Tätigkeit auf (Protokoll über die Steuerprüfung in Polen betreffend u.a. die Einkommensteuer von juristischen Personen für den Zeitraum vom 11.11.2009 bis 31.12.2010 und die Mehrwertsteuer für April 2011 vom 04.10.2012 – PL-Bp-Bericht – i.d.F. der Übersetzung durch die Dolmetscherin C – PL-Bp-Bericht-Ü –). Der satzungsmäßig sehr weitgefasste Gegenstand der Tätigkeit umfasste u.a. die Suche von Arbeitsplätzen und die Anwerbung (Gewinnung) von Arbeitskräften, die Tätigkeit als Agentur der vorübergehenden Arbeit und sonstige Tätigkeiten, die mit der zur Verfügungstellung von Arbeitskräften verbunden sind (PL-HR). Tatsächlicher Gegenstand der Gewerbetätigkeit war nach der polnischen Gewerbeklassifikation die Sozialhilfe ohne Unterbringung für Alte und Behinderte (PL-Bp-Bericht-Ü, Tz. B.11.). Zumindest seit dem 11.11.2009 waren Anteilseigner Frau D E mit einer Beteiligung i.H.v. 4.200 Zloty des Stammkapitals i.H.v. insgesamt 5.000 Zloty und F mit einer Beteiligung i.H.v. 800 Zloty des Stammkapitals (PL-Bp-Bericht-Ü i.V.m. PL-Bp-Bericht, Tz. B.10; s.a. PL-HR). Die Klägerin hatte ihren Gewerbesitz vom 28.12.2009 bis 22.07.2011 in A, … (mit Telefon- und Faxanschluss) und ab dem 23.07.2011 in A, … (PL-HR; PL-Bp-Bericht-Ü, A.5, B.7; Online-PL-HR-Auszug vom 09.02.2011). Alleiniger Vorstand/Vorstandsvorsitzender war zumindest seit dem 11.11.2009 H E – E – (PL-Bp-Bericht-Ü, B.5; PL-HR). Seine Tochter D E hielt ihre Beteiligung an der Klägerin (nach den sinngemäßen Angaben des E in der mündlichen Verhandlung) treuhänderisch für E.

Bereits vor der Geschäftsaufnahme durch die Klägerin war E mit seinem Einzelunternehmen I gewerblich tätig geworden: Im Jahr 1982 übernahm er die J GmbH, deren Geschäftsführer er war. Die Firma produzierte Sanitärprodukte und Sportboote in Polen. Etwa zeitgleich heiratete er seine Ehefrau, K E (KE). Die Familie wohnt zumindest seit dem Jahr 2007 in einem Haus in L, [Inland], welches im Alleineigentum der KE steht.

Ob und für welchen Zeitraum E seinen Wohnsitz zeitweise nach Frankreich verlegt hatte, ist zwischen den Beteiligten streitig.

Im Jahr 2004 meldete E eine neue Einzelfirma mit dem Namen I in Polen an, mit der er zunächst in Polen Kunststoffprodukte herstellen wollte. Ab dem Jahr 2005 entschloss er sich, mit dieser Firma in Deutschland Pflegeleistungen zu erbringen. Mit Hilfe einer Cousine warb er in Polen dafür Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ganz überwiegend Frauen an, die ausschließlich in Deutschland Dienstleistungen erbrachten. In Deutschland akquirierte er mit Hilfe seiner Ehefrau KE die Kunden, nahm Aufträge entgegen, führte die Verwaltung aus und veranlasste die Bezahlung der Mitarbeiter. Erst ab Januar 2007 teilte er dem deutschen Sozialversicherungsträger mit, dass er Mitarbeiter beschäftigte, die in Deutschland sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten ausübten. Er gab das monatliche Gehalt mit einem Mindestbetrag i.H.v. 401 € pro Mitarbeiter an und zahlte die Abgaben auf dieser Gehaltsgrundlage. Dabei war ihm bekannt, dass er höhere Beiträge auf der Grundlage eines höheren Lohns zu zahlen gehabt hätte. Denn er zahlte tatsächlich neben den 401 €, die er den Mitarbeitern auf Konten in Polen überwies, weitere Beträge i.H.v. monatlich bis zu 549 € in bar, wovon nur bis zu 150 € monatlich auf Spesen entfielen. Lohnsteuer führte er für die Beschäftigten nicht ab. Auch gab er in Deutschland keine Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2005 bis 2007 und keine Umsatzsteuervoranmeldungen für Januar 2008 bis November 2009 ab, obwohl die Geschäfte von L aus geleitet wurden. E wohnte dort und hatte dort ein Büro für die Firma I angemietet. In den Jahren 2008/2009 beschäftigte die Firma I zumindest 40 Mitarbeiter, die jeweils pro Monat ein Gehalt (incl. Spesen) von mindestens 950 € bezogen. Die Umsätze je Arbeitnehmer und Monat beliefen sich in den Jahren 2008/2009 auf mindestens 1.200 €/Monat. Aus dem Verhalten des E ergab sich damit ein Gesamtschaden i.H.v. 808.365,02 € (Lohnsteuer Januar 2007 bis November 2009 i.H.v. insgesamt 149.085,78 €, Sozialversicherung Januar 2007 bis...

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