Entscheidungsstichwort (Thema)

Frage der Steuerbefreiung von Umsätzen aus der Tätigkeit als Verkehrspsychologin

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Handelt es sich bei einer Therapie um eine Maßnahme zur Steigerung des allgemeinen Wohlbefindens bzw. Verbesserung der Lebenssituation, so fallen derartige Maßnahmen nicht in den Bereich der steuerbefreiten Heilbehandlungsleistungen. Leistungen sind dann Heilbehandlungen, wenn sie direkt an der Krankheit und deren Ursachen ansetzen und nicht nur darauf abzielen, die Auswirkungen der Erkrankung auf die Lebensgestaltung aufzufangen oder abzumildern.

2. Das Hauptziel einer Verkehrstherapie ist nicht die Behandlung von Krankheiten bzw. Gesundheitsstörungen.

 

Normenkette

UStG; UStG § 4 Nr. 14 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 12.12.2013; Aktenzeichen XI R 23/11)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Umsätze der Klägerin (Klin.) aus der Tätigkeit als Verkehrspsychologin umsatzsteuerfrei nach § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in der im Streitjahr 2005 geltenden Fassung sind.

Die Klin. ist Diplom-Psychologin. Seit … betreibt sie eine psychologische Praxis für Verkehrstherapie, in der sie mit der Individualpsychologischen Verkehrstherapie nach X arbeitet. Aus dieser Tätigkeit erklärte die Klin. seit … steuerfreie Umsätze.

Der Beklagte (Bekl.) führte im Jahr 2008 für die Besteuerungszeiträume 2003 bis 2007 und für die Voranmeldungszeiträume Januar bis Juni 2008 bei der Klin. eine Umsatzsteuer(USt)-Sonderprüfung (Sp) durch, wegen deren Einzelheiten auf den Bericht vom 05.01.2009 verwiesen wird. Der Prüfer war der Auffassung, dass die Einkünfte insgesamt als steuerpflichtig zu qualifizieren seien. Der Bekl. erließ darauf hin am 19.01.2009 erstmalig einen USt-Bescheid für das Streitjahr 2005.

Hiergegen wandte sich die Klin. mit Einspruch vom 6.02.2009. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen Folgendes aus: Nach entsprechender Fortbildung und Prüfung sei sie seit dem 00.00.0000 insbesondere als klinische Verkehrspsychologin/Verkehrstherapeutin tätig. Die von ihr durchgeführte Behandlung Suchtkranker sei aufgrund einer Akkreditierung durch das Landes-Verkehrsministerium NRW geeignete Grundlage für eine durch die Begutachterstellen in Führerscheinangelegenheiten durchgeführte medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU). Es sei sachlich falsch, dass sie – wie unter Tz. 14 des Berichts über die USt-Sp ausgeführt werde – sog. PUMA-Kurse (PUMA = Punkte-Macher) anbiete. Diese würden nur von der X in L angeboten. Unzutreffend sei auch, dass sie Gutachten erstelle. Es würden ausschließlich Mitarbeiter bei ihr arbeiten, die eine psychologische Hochschulausbildung oder eine ähnliche Qualifikation besitzen würden. Ihre Tätigkeit sei eine ähnliche heilberufliche Tätigkeit i.S.d. 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Nach der Therapie würden die meisten Klienten als geheilt gelten, weil sie ihren psycho-sozialen Lebensstil aufgrund der Therapie erkannt und therapiert hätten und so keine Auffälligkeiten in ihrem Verhalten mehr zeigen würden. Dies sei letztlich auch die Ursache für das außerordentlich erfolgreiche Abschneiden bei der nicht immer, aber regelmäßig angeschlossenen behördlich durchgeführten medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) bzw. den verschwindend geringen Rückfälligkeiten der von ihr therapierten Klienten. Ihre Tätigkeit diene somit der Linderung und Heilung von psychologischen Krankheiten. Der Einspruchsbegründung beigefügt war ein Gutachten von Prof. M O über den psychotherapeutischen Charakter der Verkehrstherapie, auf das Bezug genommen wird.

Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 04.02.2010 wies der Bekl. den Einspruch als unbegründet zurück. Er führte aus, dass es das Ziel der Verkehrstherapie nach den auf der Homepage der Klin. erläuterten Grundsätzen sei, Menschen zu unterstützen, die Probleme mit dem Führerschein bekommen hätten, bzw. denen die Fahrerlaubnis entzogen worden sei, weil sie mit Alkohol am Steuer eines Fahrzeugs angetroffen worden seien, unter dem Einfluss von Drogen ein Fahrzeug geführt hätten, oder wegen Verstößen im Straßenverkehr zu viele Punkte angesammelt hätten. Bei den Teilnehmern der von der Klin. angebotenen Seminare handele es sich um Menschen, die ihre Fahrerlaubnis zurückerlangen wollten. Aus diesem Grund würden von der Klin. verschiedene Seminare und Kurse als Einzel- oder Gruppentherapie angeboten. Laut Beschreibung im Internet könnten die Teilnehmer durch den Seminarbesuch einer erfolgreichen MPU „ein großes Stück näher kommen”. Heilbehandlungen i.S.d. § 4 Nr. 14 UStG seien Tätigkeiten, die zum Zwecke der Vorbeugung, Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen bei Menschen vorgenommen würden. Hilfen im Bereich der allgemeinen Lebensführung, wie z.B. Leistungen zur Prävention und Selbsthilfe ohne unmittelbaren Krankheitsbezug, die lediglich den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern würden, seien nicht von der USt befreit. Was Gegenstand einer bestimmten Leistung sei, müs...

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