Entscheidungsstichwort (Thema)

Außergewöhnliche Belastungen behinderter Kinder

 

Leitsatz (redaktionell)

Bestimmte Mehraufwendungen für behinderte Kinder können neben dem Behindertenpauschbetrag und dem Pflegepauschbetrag geltend gemacht werden. Das trifft etwa auf Fahrtkosten und bestimmte Betreuungsleistungen zu, nicht aber auf Aufwand, der wie etwa Hygieneaufwendungen im Pauschbetrag typischerweise bereits enthalten ist.

 

Normenkette

EStG §§ 33, 33b

 

Tenor

1. Die ESt 2005 wird herabgesetzt, indem bei der Berechnung eine außergewöhnliche Belastung von 6.315 EUR (vor Abzug der zumutbaren Belastung) angesetzt wird, sowie darüber hinaus ein übertragener Behindertenpauschbetrag von 3.700 EUR und ein Pflegepauschbetrag von 924 EUR. Die Berechnung der Steuer wird dem Finanzamt übertragen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 3/4, der Beklagte zu 1/4.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, welche Beträge der Kläger als außergewöhnliche Belastung – insbesondere im Zusammenhang mit der Behinderung bzw. Pflege der Tochter – geltend machen kann.

Der Kläger wird vom Beklagten – dem Finanzamt (FA) – für das Streitjahr 2005 zur Einkommensteuer (ESt) mit seiner Ehefrau zusammenveranlagt.

Der Kläger machte in seiner Steuererklärung die Übertragung des Behinderten-Pauschbetrags sowie mehrere Posten als außergewöhnliche Belastung geltend, die das FA wie erklärt mit den tatsächlichen Kosten berücksichtigte, darüber hinaus mit dem Behindertenpauschbetrag für einen Behinderungsgrad von 100 (ESt-Bescheid vom 27. April 2006):

vom Kläger begehrt

vom FA angesetzt

Eigene Krankheitsaufwendungen

721,07

721,07

Eigenanteil Betreuerin

3.977,33

3.977,33

Fahrtkosten

3.234,00

3.234,00

Hygieneaufwand

1.296,66

1.296,66

9.229,06

9.229,06

gerundet

9.229,00

abzüglich zumutb. Eigenbelastung

-2.387,00

ergibt Überbelastungsbetrag

6.842,00

Behindertenpauschbetrag

beantragt

1.420,00

ergibt Minderung des Einkommens

8.262,00

Die Tochter ist zu 100% schwerbehindert. Der dem FA vorliegende Behindertenausweis weist die Kennzeichen „H” (hilfslos) und „G” (gehbehindert) aus.

Mit seinem Einspruch begehrte der Kläger die Erhöhung des Behindertenpauschbetrags auf 3.700 EUR sowie einen Pflegepauschbetrag von 924 EUR. Darüber hinaus begehrte er den Abzug von Krankenversicherungsbeiträgen für die Tochter in Höhe von 2.256,96 EUR als außergewöhnliche Belastungen.

Das FA sah im Schreiben vom 16. Mai 2006 im bisher erfolgten Ansatz der tatsächlichen Aufwendungen nebst – aus seiner Sicht irrtümlich gewährten – Behindertenpauschbetrag eine Besserstellung des Klägers gegenüber einem Ansatz der Pauschalen und wies den Kläger auf die aus seiner Sicht notwendige Verböserung durch Streichung des Behindertenpauschbetrages hin, sollte der Einspruch aufrecht erhalten bleiben.

Mit Schreiben vom 7. Januar 2008 beanspruchte der Kläger den Behindertenpauschbetrag neben den Kosten für den Schulbesuch seiner Tochter (in obiger Aufstellung der Posten „Eigenanteil Betreuerin”).

Mit verböserndem Bescheid vom 15. Oktober 2008 änderte das FA die Steuerfestsetzung insoweit, als es den bislang gewährten Behindertenpauschbetrag strich und eine Mitteilung über einen geänderten Grundlagenbescheid auswertete, wodurch sich auch der Betrag der zumutbaren Belastung leicht verringerte.

Daraufhin erhob der Kläger mit Schreiben vom 24. August 2008 Untätigkeitsklage, die er wie folgt begründete:

Die geltend gemachten Kosten für die Betreuerin beträfen den Anteil an dem entstandenen Aufwand, der nach Abzug eines Zuschusses des Stadtjugendamtes von ihm selbst getragen werden musste. Die Betreuerin sei für den Schulbesuch in einer Behinderteneinrichtung notwendig gewesen. Diese Kosten seien neben dem Behindertenpauschbetrag – diesem in Höhe von 3.700 EUR – absetzungsfähig. Zusätzlich zu den anerkannten Kosten fordere er die Pflegepauschale, die Fahrt- und Versicherungskosten. Insgesamt begehrt er folgende Beträge (gegenübergestellt mit den zu diesem Zeitpunkt vom FA angesetzten Beträgen):

vom Kläger begehrt

lt. Bescheid v. 15.10.2008

Eigene Krankheitsaufwendungen

721,07

721,07

Eigenanteil Betreuerin

3.977,33

3.977,33

Fahrtkosten

3.234,00

3.234,00

Hygieneaufwand

1.296,66

1.296,66

9.229,06

9.229,06

gerundet

9.229,00

9.229,00

abzüglich zumutb. Eigenbelastung

-2.368,00

-2.368,00

ergibt Überbelastungsbetrag

6.861,00

6.861,00

Behindertenpauschbetrag

3.700,00

0,00

Pflegepauschale

924,00

0,00

Versicherungskosten Kind

2.256,96

0,00

ergibt Minderung des Einkommens

13.741,96

6.861,00

Das FA sah sich zu einer Änderung nicht in der Lage, da es aus dem Wortlaut des § 33b Einkommensteuergesetz (EStG) „an Stelle einer Steuerermäßigung nach § 33” entnahm, dass der Kläger ein Wahlrecht zwischen Pauschbetrag und Einzelansatz habe. Allerdings habe er das Wahlrech...

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