Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuer: Zwei Bahnhofskioske als einheitlicher Gewerbebetrieb

 

Leitsatz (amtlich)

1. Behandelt das Finanzamt zwei Kioskbetriebe als einheitlichen Gewerbebetrieb und erlässt nur einen Gewerbesteuermessbescheid, kann der Inhaber der Kioske hiergegen nur einmal Einspruch einlegen und Klage erheben mit der Begründung, der Steuergegenstand sei unrichtig bestimmt.

2. Zwei Kioske, die auf S-Bahnhöfen betrieben werden, die an derselben S-Bahnlinie unmittelbar hintereinander liegen, bilden einen einheitlichen Gewerbebetrieb, wenn in finanzieller, organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht keine vollständige Trennung besteht.

3. Werden Arbeitnehmer in beiden Kiosken eingesetzt und Waren einheitlich beschafft, liegt eine organisatorische Verflechtung vor. Eine finanzielle Verflechtung besteht, sofern Kosten für Arbeitnehmer oder Betriebsmittel, die in beiden Geschäften eingesetzt werden, nur von einem "Betrieb" getragen werden.

 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 1, § 5 Abs. 1; FGO § 65 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2, § 96 Abs. 1 S. 1 2. Halbsatz; HGB § 1 Abs. 1, § 238 Abs. 1 S. 1, § 241a

 

Tatbestand

A.

Der Kläger betreibt auf den an der S-Bahnlinie ... unmittelbar hintereinander liegenden S-Bahnhöfen A und B jeweils einen Kiosk (Kiosk B im Folgenden als Kiosk 1 bezeichnet und Kiosk A als Kiosk 2).

I.

1. Für den Veranlagungszeitraum 2010 erklärte der Kläger Umsätze in Höhe von 756.957,00 Euro netto. Der Beklagte wies den Kläger in dem Bericht vom ... 2010 über eine beim Kläger durchgeführte Außenprüfung für das Jahr 2008 darauf hin, dass er ab dem 01.01.2011 gemäß § 238 Abs. 1 i. V. m. § 1 Handelsgesetzbuch (HGB) Bücher zu führen habe (Betriebsprüfungsakten -BpA-1 Bl. 25). Der Kläger ermittelte seine Gewinne jedoch weiterhin durch Einnahmen-Überschussrechnung.

2. Der Kläger erklärte in seiner am 20.03.2013 beim Beklagten eingegangenen Einkommensteuererklärung und den Einnahmen-Überschussrechnungen für das Streitjahr 2011 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ./. 4.604,00 für den Kiosk 1 und von 37.452,00 Euro für den Kiosk 2. Gleichzeitig reichte er für jeden Kiosk eine eigene Gewerbesteuererklärung ein. Der Kiosk 1 wurde unter der St.-Nr.-1 geführt und der Kiosk 2 unter der St.-Nr.-2. In der Umsatzsteuererklärung für 2011 erklärte der Kläger Nettoumsätze von 845.721,00 Euro.

3. Der Beklagte setzte - jeweils erklärungsgemäß - die Einkommensteuer für 2011 mit Bescheid vom 05.06.2011 auf 4.219,00 Euro fest und den Gewerbesteuermessbetrag mit Bescheid vom selben Tag auf 451,00 Euro. Aus der nicht zustimmungsbedürftigen Umsatzsteuererklärung des Klägers für 2011 ergab sich laut Abrechnung vom ... 2013 eine Umsatzsteuerschuld von 6.054,08 Euro.

II.

1. Ab ... 2013 führte der Beklagte beim Kläger für beide Kioske abgekürzte Außenprüfungen bzgl. der Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer für 2011 durch und kam zu folgenden Ergebnissen:

a) Nach Auffassung des Betriebsprüfers bildeten die beiden Kioske wegen des Grades ihrer finanziellen, organisatorischen und wirtschaftlichen Verflechtung einen einheitlichen Gewerbebetrieb. Die Personalkosten für die Mitarbeiter würden jeweils vollständig von einem der beiden "Betriebe" getragen, auch wenn der Arbeitnehmer in beiden Kiosken eingesetzt werde. Waren würden einheitlich beschafft, um bessere Einkaufsbedingungen zu erzielen, und zwischen beiden Kiosken verschoben, um eine möglichst geringe Lagerhaltung zu erreichen. Schließlich nutze der Kläger das betriebliche Kraftfahrzeug für beide Kioske, obwohl die Aufwendungen nur von einem "Betrieb" getragen würden.

b) Der Prüfer kam des Weiteren zu dem Ergebnis, dass der von ihm ermittelte Rohgewinnaufschlagsatz für beide Kioske von 15 bis 16 % zu niedrig sei, weil er deutlich unter dem in der Richtsatzsammlung verzeichneten Durchschnittswert von 23 % abweiche. Eine Nachkalkulation mehrerer Artikel aus den Warengruppen Tabakwaren, Süßigkeiten, Getränke und Zeitschriften bzgl. des Kiosks 1 ergebe einen Rohgewinnaufschlagsatz von 36,61 % (vgl. Übersicht gemäß Betriebsprüfungsbericht vom ... 2013, Tz. 14.02, Betriebsprüfungsakten -BpA-2 Bl. 5; wegen den Nachkalkulationen im Einzelnen wird auf die Übersicht gemäß Betriebsprüfungsarbeitsakten -BpAA-1 Bl. 20 ff. Bezug genommen). Nach Abzug eventueller Abgabeverluste und sonstiger Erlösschmälerungen sei von einem Rohgewinnaufschlagsatz von 23 % auszugehen.

Dementsprechend ergebe sich für den Kiosk 1 ein Mehrgewinn von 18.000,00 Euro sowie ein Mehrumsatz in derselben Höhe, der in Höhe von 3.800,00 Euro auf Umsätze zum Steuersatz von 7 % entfalle und in Höhe von 14.200,00 Euro auf Umsätze zum Steuersatz von 19 % (Bericht Tz. 14.02, BpA-1 Bl. 36).

Für den Kiosk 2 belaufe sich der Mehrgewinn auf 58.000,00 Euro. Der entsprechende Mehrumsatz entfalle in Höhe von 12.200,00 Euro auf Umsätze zum Steuersatz von 7 % und in Höhe von 45.800,00 Euro auf Umsätze zum Steuersatz von 19 % (Bericht Tz. 14.02, BpA-2 Bl. 5).

c) Für den Kläger bestehe eine Buchführungspflicht, weil er Umsätze von mehr als 50...

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