Entscheidungsstichwort (Thema)

Behaltefrist und Veräußerungsverlust i.S. von § 17 EStG

 

Leitsatz (amtlich)

Die Anerkennung eines Veräußerungsverlusts setzt gemäß § 17 Abs. 2 Satz 6 lit. b) EStG voraus, dass noch im Veräußerungszeitpunkt eine Beteiligung i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG (relevante Beteiligung) vorliegt. Der in § 17 Abs. 2 Satz 6 lit. b) Satz 2 Alt. 1 EStG geregelte Dispens bezieht sich ausschließlich auf die fünfjährige Behaltefrist; diese darf bis zum Veräußerungszeitpunkt unterschritten werden.

 

Normenkette

EStG § 17

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 01.04.2009; Aktenzeichen IX R 31/08)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über eine Verlustberücksichtigung nach § 17 EStG.

Der Kläger erwarb am 10.12.1999 einen Geschäftsanteil von 900 DM an der "A Gesellschaft mbH" (GmbH) zu einem Preis von 145.396,44 DM. Das Stammkapital der GmbH betrug zum damaligen Zeitpunkt 86.300 DM, sodass der Kläger mit dem erworbenen Geschäftsanteil zu 1,043 % an der GmbH beteiligt war. Nach Erwerb der Beteiligung wurde das Stammkapital der GmbH insgesamt dreimal erhöht; die neuen Geschäftsanteile wurden jeweils durch neue Gesellschafter übernommen. Infolge der Kapitalerhöhungen entwickelte sich die relative Beteiligung des Klägers an der GmbH wie folgt:

Geschäftsanteil

Stammkapital

Beteiligung (v. H.)

DM

DM

10.12.1999

900

86.300

1,043

22.11.1999

900

87.800

1,025

02.03.2001

900

104.600

0,860

30.06.2001

900

109.900

0,819

Über das Vermögen der GmbH ist am 01.01.2002 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Bereits am 02.01.2002 teilte der Insolvenzverwalter Masseunzulänglichkeit --§ 208 InsO-- mit.

In der Folge beantragte der Kläger im Rahmen eines Lohnsteuerermäßigungs-verfahrens die Eintragung eines Freibetrags wegen eines Verlusts aus der GmbH-Beteiligung auf der Lohnsteuerkarte für 2002. In dem diesbezüglichen finanzgerichtlichen Verfahren (FG Hamburg Az. VI 103/02) erzielten die Beteiligten eine tatsächliche Verständigung hinsichtlich der Höhe des geltend gemachten Verlusts sowie hinsichtlich der Verlustentstehung in 2002 und einigten sich auf die Eintragung des beantragten Freibetrags von 74.341 € (Euro-Umrechnungswert des Anteils-Anschaffungspreises von 145.396,44 DM) auf der Lohnsteuerkarte. Streitig blieb dagegen, ob dieser Verlust dem Grunde nach zu berücksichtigen war.

Den dann mit der Einkommensteuererklärung für 2002 erklärten Verlust aus der GmbH-Beteiligung in Höhe von 78.009 € erkannte der Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 04.02.2004 nicht an. Die Beteiligung an der GmbH sei nicht "wesentlich" i. S. von § 17 EStG gewesen. Der Gesamtbetrag der Einkünfte betrug danach 24.936 €, das zu versteuernde Einkommen 19.161 € und die festzusetzende Einkommensteuer 2.422 €.

Den Einspruch der Kläger vom 11./12.02.2004 wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 19.05.2006 zurück. Die Anerkennung eines Beteiligungsverlusts setze nach § 17 Abs. 2 Satz 4 lit. b) (heute Satz 6 lit. b) EStG voraus, dass die Beteiligung innerhalb der gesamten letzten fünf Jahre zu einer Beteiligung im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gehört habe. Dies sei vorliegend nicht der Fall.

Die Kläger haben am 21.06.2006 Klage erhoben und tragen vor:

Der Beklagte erkenne den erklärten Verlust zu Unrecht nicht an. Die Regelung des § 17 Abs. 2 Satz 4 lit. b) EStG stehe dem Verlustabzug nicht entgegen. Die Vorschrift sei zur Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen in das Gesetz aufgenommen worden. Der klassische Missbrauchsfall bei einer Verlustbeteiligung im Rahmen des § 17 EStG liege nach Auffassung der Finanzverwaltung und des Gesetzgebers darin, dass ein Steuerpflichtiger in Ansehung eines drohenden Beteiligungsverlusts seine bisher unwesentliche Beteiligung zunächst auf eine wesentliche Beteiligung aufstocke und mehr oder weniger zeitnah danach den Verlust aus der Gesamtbeteiligung realisiere und steuermindernd geltend mache. In Fällen, in denen der Steuerpflichtige von vornherein eine wesentliche Beteiligung erwerbe, sei eine solche Missbrauchsvermutung denklogisch ausgeschlossen. Dementsprechend stelle die Rückausnahme in § 17 Abs. 2 Satz 4 lit. b Satz 2 EStG allein darauf ab, ob ein Steuerpflichtiger innerhalb der letzten fünf Jahre vor Verlusteintritt eine wesentliche Beteiligung entgeltlich erworben habe. Dazu, dass diese Beteiligung auch im gesamten Zeitraum zwischen Erwerb und Verlusteintritt wesentlich geblieben sein müsse, finde sich in der aktuellen Gesetzesfassung kein Wort.

Die Kläger beantragen,

die Einspruchsentscheidung vom 19.05.2006 und den Bescheid für 2002 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag dahingehend zu ändern, dass ein Verlust des Klägers aus § 17 EStG in Höhe von 39.005 € anerkannt und dass die festzusetzende Einkommensteuer auf 0 € herabgesetzt werde.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor:

Die Verlustabzugsregelung des § 17 Abs. 2 Satz 4 verlange, dass der Veräußerer innerhalb der gesamten letzten fünf Jahre vor der Veräußerung - und damit auch noch am Tag der Veräußerung - wesent...

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