Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermäßigter Umsatzsteuersatz für von einem Metallbildhauer erstellte Feuerschalen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Von einem freischaffenden Metallbildhauer, der ein Studium der Bildhauerei an einer Hochschule für Kunst mit dem Diplom abgeschlossen hat, erstellte dreidimensionale Feuerschalen (zur Verwendung im Innen- und Außenbereich bestimmte, aus Stahl gefertigte, etwa 50 cm hohe „Feuerskulpturen”, jeweils in der Form eines schalenartigen Gefäßes, Durchmesser bis zu 80 cm, mit einem stilisierten Flammenrand, einem mittig eingesetzten Fackeleinsatz und einem Standfuß) können ungeachtet dessen, dass es sich um Gebrauchsgegenstände handelt und jährlich Feuerschalen in größerer Stückzahl erstellt werden, als Originalerzeugnisse der Bildhauerkunst im Sinne der Position 9703 des gemeinsamen Zolltarifs (GZT) dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegen, wenn es sich um nie gleiche Unikate und nicht um Handelsware handelt und die Feuerschalen einen über die schlichte Reproduktion hinausreichenden individuellen schöpferischen Charakter haben, der Ausdruck des ästhetischen Empfindens des Bildhauers ist.

2. Für die umsatzsteuerliche Auslegung der Formulierung „Originalerzeugnisse der Bildhauerkunst” kommt es allein auf die zolltariflichen Begriffe und Vorschriften an.

3. Die Abgrenzung von Handelswaren zu begünstigten Originalerzeugnissen der Bildhauerkunst kann nicht (allein) nach dem Vorliegen eines künstlerischen Eindrucks, sondern durch Gegenüberstellung mit vergleichbaren industriellen oder handwerklichen Produkten erfolgen. Sie hat ausschließlich anhand objektiv erkennbarer Kriterien und äußerer Merkmale und unabhängig von einem etwaigen „Wert” oder der „Qualität” der Kunst zu erfolgen.

 

Normenkette

UStG § 12 Abs. 1, 2 Nr. 1; UStG Anl. 2 Nr. 53 Buchst. c; GZT Pos. 9703

 

Tenor

1. Die Umsatzsteuerbescheide für 2009 vom 24. Mai 2012 und für 2010 vom 16. Januar 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung werden dahingehend geändert, dass die Umsätze aus der Lieferung von Feuerschalen (Bruttobetrag in 2009: xx.xxx,xx EUR, Bruttobetrag in 2010: xx.xxx,xx EUR) nicht dem Regelsteuersatz, sondern dem ermäßigten Steuersatz (7%) unterworfen werden.

2. Die Neuberechnung der Umsatzsteuer 2009 und 2010 wird dem Beklagten übertragen.

3. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigen zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

5. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der zu erlassende Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500,– EUR, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit zu leisten. Liegt der vollstreckbare Kostenerstattungsanspruch im Wert bei 1.500,– EUR oder darunter, ist das Urteil hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar. In diesem Fall kann der Beklagte der Vollstreckung widersprechen, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit geleistet hat.

 

Tatbestand

Der Kläger ist freischaffender Metallbildhauer. Sein Studium der Bildhauerei hat er erfolgreich an der X Hochschule für Kunst mit dem Diplom abgeschlossen.

Der Kläger stellt sowohl Feuerschalen als auch Bronzeskulpturen her. Dazu hat er eine eigene Werkstatt mit Atelier in Y, die sich in einem umgebauten Stall befindet und in 2009 fertiggestellt worden war. Bei den Feuerschalen handelt es sich um aus Stahl gefertigte, etwa 50 cm hohe Objekte, jeweils in der Form eines schalenartigen Gefäßes (Durchmesser bis zu 80 cm). Sie haben einen stilisierten Flammenrand, einen mittig eingesetzten Fackeleinsatz und einen Standfuß. Die Objekte können wahlweise mit Festbrennstoffen (Holz) oder dem noch mit flüssigen Brennstoffen (Bioethanol, Spiritus) zu befüllenden Fackeleinsatz benutzt werden. Sie sind zur Verwendung im Innen- und Außenbereich bestimmt. Grundlage für die Feuerschalen sind ausgediente Expansionsgefäße aus Stahl, die der Kläger von Schrottplätzen erwirbt. In einem ersten Arbeitsschritt werden die Expansionsgefäße durch Abbrennen von ihrer Lackschicht befreit. Dann wird der Flammenrand ausgebrannt und zum Schluss der Stahlfuß angeschweißt. Jede Feuerschale ist ein Unikat. Die Flammenränder werden freihändig mit einem Schweißgerät ausgebrannt. Die einzelnen Ausfertigungen werden in Bezug auf Höhe, Flammenrand und Form, in Abhängigkeit vom verwendeten Ausgangsobjekt, jedes Mal neu, manuell und ohne schablonenhafte Vorlage gefertigt. Je nach verfügbarer Zeit werden mehrere Feuerschalen pro Woche hergestellt.

Der Kläger bezeichnet die Feuerschalen auch als Feuerskulpturen. Bereits während seines Bildhauereistudiums habe das Element Feuer eine große Rolle gespielt. Die Objekte seien in erster Linie als stilisiertes „kaltes Feuer” und insofern als Feuerskulptur zu verstehen. Durch den individuell gestalteten Flammenrand werde auch ohne Befeuerung das Element Feuer optisch in Erscheinung gebracht. Während seines Studiums sei er zu de...

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