Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschränkung der Erbenhaftung auf den Nachlass. Dürftigkeitseinrede

 

Leitsatz (redaktionell)

Ist der Nachlass erst durch das Gebaren der Erben dürftig geworden (etwa durch die Befriedigung von Gläubigern, unsachgemäße Verwaltung, verspätete Stellung des Konkursantrags), ist der gegen den Erben bestehende Erstattungsanspruch nach §§ 1991, 1978, 1979 BGB dem Nachlass hinzuzurechnen, so dass die Dürftigkeit des Nachlasses und folglich die Beschränkung der Erbenhaftung entfällt.

 

Normenkette

AO §§ 45, 71, 265; BGB §§ 1922, 1978-1979, 1990-1991; ZPO § 781

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger als Alleinerbe seines Vaters für dessen Haftungsschulden unbeschränkt, d. h. sowohl mit dem Nachlassvermögen als auch mit seinem übrigen Vermögen haftet.

1. Der Kläger ist Alleinerbe seines am 7. August 1987 verstorbenen Vaters (A).

Er errichtete am 10. September 1987 ein notariell beurkundetes Nachlassverzeichnis (Inventar), in dem er folgende Angaben machte:

Der Nachlass seines Vaters sei überschuldet. Der Notar habe ihn darüber belehrt, dass er als Erbe nach § 1980 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB – verpflichtet sei, die Eröffnung des Nachlasskonkurses oder des Vergleichsverfahrens zu beantragen. Einziger Nachlassgläubiger seines Vaters sei die Firma GmbH (im Folgenden: Fa. GmbH.) Diese habe mit Schreiben vom 31. August 1987 auf die Eröffnung des Konkursverfahrens verzichtet. Der Nachlass bestehe aus folgenden Aktiva und Passiva:

Nachlassmasse

Wert in DM:

bewegliche Sachen:

Kleidung und sonstige persönliche Sachen

1.000

Münzsammlung, wie in der Anlage einzeln bezeichnet

10.000

Waffen

1.500

Grundstück Gemarkung W J matt, Flst. Nr. eingetragen im Grundbuch von W Blatt Nr.

Wert des Grund und Bodens

ca. 115.000

Wert der Gebäude

285.000

Bargeld

10.000

Girokonto

16.406

Sparbuch

189

Girokonto

693

Summe

439.789

Nachlassverbindlichkeiten

Beerdigungskosten

6.000

Forderungen der Fa. GmbH

1.035.000

Grundschulden:

Die Forderungen der Fa. GMBH seien mit Grundschulden über 500.000 DM und 750.000 DM auf dem Grundstück der Gemarkung W abgesichert, eingetragen in Abteilung III Nr. 3 und 4

1.250.000

Summe

2.291.087

Hinsichtlich der im Nachlassverzeichnis aufgeführten Forderungen der Fa. GmbH in Höhe von 1.035.00 DM liegen keine Unterlagen mehr vor.

Gemäß der notariellen Urkunde belehrte der Notar den Kläger über

  • die Möglichkeit der Erbausschlagung und Ausschlagungsfrist
  • die unbeschränkte Erbenhaftung für sämtliche Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 1967 BGB
  • die Möglichkeit, eine Haftungsbeschränkung herbeizuführen, namentlich durch Aufgebotsverfahren (§§ 1970 ff. BGB), Verschweigung (§ 1974 BGB), Nachlassverwaltung und Nachlasskonkurs (§§ 1975 ff. BGB).

Er wies den Kläger darauf hin, dass die Errichtung eines Inventars nicht zur Beschränkung der Erbenhaftung führe, sondern dem Erben lediglich die Möglichkeit erhalte, seine Haftung nach Maßgabe der §§ 1973, 1974, 1975 ff. BGB zu beschränken.

2. Mit Schreiben vom 12. November 1987 kündigte das damalige Finanzamt – FA – (jetzt Außenstelle des beklagten FA) dem Kläger an, dass es beabsichtigte, ihn als Gesamtrechtsnachfolger des A für alle dessen Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis gemäß § 45 AO in Anspruch zu nehmen. Hierauf antwortete der Kläger mit Schreiben vom 7. Dezember 1987, er habe mit der Rechtsfolge der beschränkten Erbenhaftung ein Inventar errichtet.

Mit Haftungsbescheid vom 14. Dezember 1987 nahm das FA den Kläger als Gesamtrechtsnachfolger nach seinem Vater für folgende Steuerrückstände der Fa. GMBH gemäß § 71 der AbgabenordnungAO – in Haftung:

DM

Körperschaftsteuer

Vermögensteuer

1977

51.760

10.970

1978

119.694

7.679

1979

80.516

8.974

1980

10.478

Gesamtbetrag der Haftung

290.071

Der Haftungsschuld lagen Hinterziehungshandlungen des A zugunsten der Fa. GMBH zugrunde. Die Fa GMBH war eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach liechtensteinischem Recht. Vertraglicher Gesellschaftszweck der Fa. GMBH war der Import und Export von Maschinen und Fahrzeugen und alle im Interesse des Unternehmens zu führenden Geschäfte. A war in den Jahren 1968 bis 1979 für die Fa. GMBH geschäftsleitend tätig gewesen und hatte hierbei seine Anzeige- und Erklärungspflichten verletzt und gemäß § 370 AO Steuerhinterziehung zugunsten der Fa. GmbH begangen. Die Eintragung der Fa. GMBH im Handelsregister wurde am 27. Januar 1994 gelöscht.

Der gegen den Haftungsbescheid erhobene Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 6. Oktober 1994 zurückgewiesen. Im Einspruchsverfahren wurde die Haftungsschuld für Vermögensteuer wegen inzwischen eingegangener Zahlungen wie folgt herabgesetzt:

DM

Vermögensteuer

1978

1.120

1979

889

1980

1.869

Gesamtbetrag der Haftung

266.818

Mit Urteil vom 6. Dezember 2001, auf das ergänzend verwiesen wird, wies das Finanzgericht Baden-Württemberg die unter dem Aktenzeichen 3 K 207/94 geführte Klage des Klägers gegen den Haftungsbescheid a...

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