rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsteuerabzug bei geänderter Verwendungsabsicht. Vorsteuerabzug durch Mitglied einer Personenmehrheit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht endgültig mit der Lieferung eines Gegenstands oder der Ausführung einer Dienstleistung an den vorsteuerabzugsberechtigten Steuerpflichtigen, sofern die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs nicht auf falscher Erklärung in Fällen von Betrug oder Missbrauch beruht.

2. Sowohl die Absicht, mit den Leistungsbezügen entgeltliche Leistungen auszuführen, als auch die Absicht, auf die Steuerfreiheit zu verzichten, muss so konkret sein, dass sie objektiv nachweisbar ist.

3. Welche objektiven Nachweise zu verlangen sind, kann nicht allgemein, sondern nur unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls beantwortet werden. Erklärungen dessen, der den Vorsteuerabzug begehrt, reichen hierfür allein nicht aus.

4. Entspricht die tatsächliche Nutzung nicht der behaupteten ursprünglichen Nutzungsabsicht (Absichtsänderung), so muss der Steuerpflichtige bei einem zeitlich engem Zusammenhang zwischen Absichtsbekundung und Absichtsverwirklichung diejenigen Umstände darlegen und plausibel machen, die zu der geänderten tatsächlichen Verwendung geführt haben. Ansonsten kann i. d. R. vermutet werden, dass die tatsächliche Verwendung auch der Verwendungsabsicht entsprach. Diese Vermutung kann jedoch erschüttert bzw. widerlegt werden.

5. Die spätere tatsächliche Verwendung eines Leistungsbezugs kann ein – wesentliches – Indiz für die bei Leistungsbezug bestehende Verwendungsabsicht des Unternehmers sein, sofern sie zeitnah erfolgt.

6. Kommt einer Personenmehrheit keine eigene Rechtspersönlichkeit zu und ist diese Personenmehrheit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, können die einzelnen Mitglieder der Personenmehrheit bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 15 Abs.1 UStG den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen.

 

Normenkette

UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 4, § 4 Nr. 12a, § 2; Richtl. 77/388/EWG Art. 17 Abs. 1; Richtl. 77/388/EWG Art. 10 Abs. 2; FGO § 96 Abs. 1 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 27.08.2009; Aktenzeichen XI B 124/08)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Streitig ist der Vorsteuerabzug aus der Errichtung einer Werkstatt, die zusammen mit einem aus zwei Wohnungen bestehenden Haus gebaut wurde und bereits im Streitjahr zur umsatzsteuerpflichtigen Vermietung bestimmt gewesen bzw. umsatzsteuerpflichtig vermietet worden sein soll.

Am 13. November 1987 erteilte der Ehemann (im Folgenden: E) der Klägerin der Firma Y-KG Fertigbau einen Bauauftrag für ein Meisterstück Markenhaus.

Mit Vertrag vom 26. November 1987 kauften die Klägerin und ihr Sohn (Im Folgenden: S) das unbebaute Grundstück …str. 11 zu einem Kaufpreis von 103.085,00 DM. Die Klägerin wurde zu 8/10 und S wurde zu 2/10 Eigentümer des Grundstücks.

E und S beantragten am 7. Dezember 1987 die Baugenehmigung.

Am 8. Dezember 1987 stellten E und S den Wasserversorgungs- und den Entwässerungsantrag.

Am 2. März 1988 unterschrieben E und S die Baulastenübernahmeerklärung („keine Teilung Wohngebäude/Werkstatt”).

Am 7. März 1988 erteilte das Landratsamt Z Baurechtsamt E und S die Baugenehmigung für das Bauvorhaben „Zweifamilienwohnhaus mit Werkstattgebäude, 3 Garagen, Öllagerung und Entwässerung.” Die Baugenehmigung nennt als festgestellte Baukosten 604.000,00 DM.

In den Unterlagen befinden sich auch an E gerichtete und von diesem unterschriebene Ergänzungsbestätigungen der Firma Meisterstück zur jeweils neuen Vertragssumme.

Im Streitjahr 1988 wurde eine Vielzahl von Rechnungen wegen der Baumaßnahmen erstellt.

Am 19. Oktober 1988 nahm der Architekt eine entsprechende Aufteilung vor, von der die Klägerin im Klageverfahren zunächst nur zwei Seiten als Kopien vorlegte. Der Antrag auf Aufteilung wurde erst am 23. März 1989 bei der Gemeinde gestellt.

Am 1. November 1988 war das Gebäude mit Ausnahme der Garagen bezugsfertig (s. Einspruchsentscheidung). Das Gebäude wurde in der Folgezeit wie folgt genutzt:

Erdgeschosswohnung – eigengenutzt von S

Obergeschosswohnung – eigengenutzt von der Klägerin und E

Werkstatt – angeblich vermietet durch die Klägerin durch Mietvertrag vom 5. November 1988 ab 1. Dezember 1988 an E, und zwar für 3000,00 DM pro Monat plus Umsatzsteuer. Die Vermietung soll sich auf die auf dem Grundstück stehende ebenerdige Halle mit einer Zufahrt, 3 Stellplätze und eine Garage erstreckt haben. Die Klägerin und E gingen davon aus, dass das Grundstück ca. 650 qm und die Halle ca. 215 qm groß seien.

Am 2. März 1989 stellten E, S und die Klägerin selbst den Antrag auf Teilungsgenehmigung an das Bürgermeisteramt der Gemeinde W. Die drei genannten Personen beantragten die Aufteilung des Mehrfamilienhauses mit Werkstätte in zwei getrennte Eigentumswohnungen und ein getrenntes Nutzeigentum für die Werkstätte. Die Klägerin sollte die Eigentümerin des Nutzungseigentums 4, nämlich der Werkstätte werden. Das Grundstück sollte...

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